BGH: Wann fahrlässiges Führen eines KFZ unter Cannabis-Einfluss gegeben ist
Im Wortlaut: § 24a Absätze 2 und 3 StVG |
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. […] (3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht. |
Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg wollte die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen nach § 79 Absatz 5 OWiG verwerfen. Allerdings meinte das Gericht, dass es unter anderem durch die Entscheidungen des OLG Celle vom 29.12.2014, des OLG Karlsruhe vom 10.05.2014 sowie des OLG Stuttgart vom 10.02.2011 daran gehindert war. Die Richter aus Oldenburg haben die Sache daher dem BGH vorgelegt.
Hintergrund |
Bei regelmäßigem Konsum von Cannabis, lässt sich nach mehr als 72 Stunden nach dem letzten Konsum noch ein aktiver THC-Wert feststellen, der erheblich über dem derzeitigen Grenzwert von 1,0 ng/ml liegt. Bei weniger starkem Konsum ist nach dieser Zeit regelmäßig kein THC mehr im Blut nachweisbar. Selbst mehrere Wochen nach dem Konsum von Cannabis lassen sich noch sogenannte Abbaustoffe im Blut feststellen. |
Der BGH entschied hierzu leitsatzartig wie folgt:
- Nach einem vorausgegangenen bewussten Konsum von Cannabis muss der Führer eines Kraftahrzeugs nach BGH-Auffassung sicherstellen, dass er sein KFZ nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum führt. Das bedeutet, der Fahrzeugführer muss vor Fahrtantritt zunächst eine gehörige Selbstprüfung durchführen. Soweit erforderlich, muss er sich fachkundigen Rat einholen. Kann er keine eindeutige Beurteilungsgrundlage erhalten, muss er die Fahrt unterlassen, so der BGH weiter.
- Ohne einen zeitlichen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Cannabiskonsum, kann der Tatrichter aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne von § 24a Absätze 2 und 3 StVG schließen, wenn keine entlastenden Beweisanzeichen ersichtlich sind.
- Der Fahrlässigkeitsvorwurf des § 24a Absatz 3 StVG, beziehe sich dem BGH zufolge zwar auf die Wirkung von Cannabis zum Zeitpunkt der Fahrt. Hierfür sei allerdings nicht erforderlich, dass der Betroffene spürbare Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen kann. Ebensowenig müsse der Fahrzeugführer die Wirkung von Cannabis näher physiologisch oder biochemisch einordnen können.
Standpunkt: Unscharfer Bergriff des „zeitlichen Zusammenhangs”, Assessor jur. Bernd Preiß (ESV-Redaktion Recht) |
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Quelle: PM des BGH vom 04.03.2017 zum Beschluss vom 14.02.2017 - Beschluss des BGH vom 14.02.2017 – AZ: 4 StR 422/15
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(ESV/bp)
Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik