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Streitpunkt Buchwertfortführung: Ende der Gesamtplan-Rechtsprechung? (Foto: eyetronic/Fotolia.com)
Einkommensteuer

Buchwertfortführung trotz Wechsel der Mitunternehmer

ESV-Redaktion Steuern
21.03.2016
Die Buchwertfortführung ist ein häufiges Streitthema zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung. So auch in einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofes.
Die Anteile an einer Mitunternehmerschaft, die in andere Personengesellschaften eingebracht werden, stehen einer Realteilung der Mitunternehmerschaft nicht entgegen. Das gilt auch dann, wenn Buchwertfortführung gegeben ist und nur die Personen vermögensmäßig an den anderen Personengesellschaften beteiligt sind, die zuvor auch als Mitunternehmer beteiligt waren. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16.12.2015 – IV R 8/12 entschieden.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger sind die ehemaligen Gesellschafter der W-KG. Komplementärin war die H-GmbH. Diese war am Vermögen und am Gewinn oder Verlust der W-KG nicht beteiligt. Die Kläger waren jeweils als Kommanditisten zu 50 Prozent an der W-KG beteiligt. Im Betriebsvermögen der Gesellschaft befanden sich zahlreiche bebaute Grundstücke.

Im Laufe des Jahres 2002 beschlossen die Kläger, künftig getrennte Wege zu gehen und zu diesem Zweck das in der W-KG gehaltene Vermögen aufzuteilen. Daraufhin gründete am 13.12.2002 der Kläger zu 1. zunächst die D-KG, an der er zu 100 Prozent beteiligt war. Ebenso gründete am gleichen Tag der Kläger zu 2. die K-KG, an der er zu 100 Prozent beteiligt war. Komplementär-GmbH ohne vermögensmäßige Beteiligung war an beiden Gesellschaften die H-GmbH.

In der Gesellschafterversammlung vom 27.12.2002 beschlossen die Gesellschafter der W-KG, diese zu liquidieren und dabei wie folgt vorzugehen: Mit Wirkung zum 31.12.2002, 12:00 Uhr, sollte - jeweils gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten - der Kläger zu 1. seine Kommanditbeteiligung an der W-KG in die D-KG und der Kläger zu 2. seine Kommanditbeteiligung an der W-KG in die K-KG einbringen.

Im Anschluss sollten mit dinglicher Wirkung zum 31.12.2002, 13:00 Uhr, sämtliche Wirtschaftsgüter der W-KG nach Maßgabe einer im Einzelnen festgelegten Aufteilung auf die D-KG bzw. die K-KG im Wege der Realteilung zu Buchwerten übertragen werden. Dies wurde auch entsprechend umgesetzt.

Das Finanzamt (FA) war dagegen der Auffassung, dass die Übertragung der Grundstücke von der W-KG auf die D-KG und die K-KG zu Buchwerten nicht zulässig sei. Es liege eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen von zuvor nicht beteiligten Gesellschaften vor.

Zwei Millionen Euro „Aufgabegewinn”?

Dass die D-KG und die K-KG am 31.12.2002 zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr für eine Stunde und damit kurzzeitig Kommanditisten der W-KG gewesen seien, sei im Hinblick auf die sog. Gesamtplanrechtsprechung des BFH unbeachtlich. Die danach gegebene Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen anderer Personengesellschaften zu Buchwerten sei nicht zulässig. Es liege daher bei der W-KG eine Betriebsaufgabe vor. Das Finanzamt stellte deshalb einen Aufgabegewinn von rund zwei Millionen Euro fest.

Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) waren erfolglos.

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Kein bestehendes Rechtsinstitut „Gesamtplan”

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt.

Nach Auffassung der BFH-Richter lagen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG für eine Buchwertfortführung vor, so dass der Aufgabegewinn der W-KG nur in der von den Klägern beantragten Höhe festzustellen war. Zur Begründung führen sie u.a. aus:

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebs erzielt werden. Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Dies gelte, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Demnach hatte die W-KG bei der Berechnung ihres Aufgabegewinns zu Recht die im Zuge ihrer Realteilung auf die D-KG und die K-KG übertragenen Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten angesetzt.

Zu Unrecht gingen FA und FG davon aus, dass die zivilrechtlichen Vereinbarungen, denen zufolge die Kläger ihre Beteiligungen an der W-KG zum 31.12.2002 - 12:00 Uhr - in die D-KG bzw. die K-KG eingebracht haben, steuerrechtlich mit der Folge nicht zu berücksichtigen seien, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Realteilung nicht diese Gesellschaften, sondern weiterhin die Kläger Mitunternehmer der W-KG gewesen seien.

Entgegen der Auffassung von FA und FG gibt es keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist.

Vielmehr kann im konkreten Einzelfall lediglich Anlass zu der Prüfung bestehen, ob die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 der Abgabenordnung (AO) vorliegen oder ob eine Norm des materiellen Steuerrechts teleologisch dahingehend auszulegen ist, dass sie auf einen bestimmten Lebenssachverhalt nicht angewendet wird, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach verwirklicht ist.

Steuerrecht folgt der zivilrechtlichen Gestaltung

Grundlage der Steuerrechtsanwendung ist dabei jeweils die zivilrechtliche Gestaltung. Erfüllt diese die Voraussetzungen des § 42 AO, entsteht der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Anderenfalls ist das Steuergesetz auf das zivilrechtlich verwirklichte Rechtsgeschäft anzuwenden. Bei der Auslegung des Steuergesetzes sind die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, zu denen auch die am Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung gehört. Ein daneben bestehendes oder darüber hinausgehendes Rechtsinstitut eines „Gesamtplans“ gibt es nicht.

Der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO in seiner damals geltenden Fassung war bereits deshalb nicht erfüllt, weil für die gewählte Gestaltung mit dem Begehren der Kläger, die bisherige Tätigkeit in der W-KG in Zukunft getrennt voneinander, aber jeder für sich in einer GmbH & Co. KG fortzuführen, ein beachtlicher außersteuerrechtlicher Grund vorlag.

Eine teleologische Reduktion des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG dahin, dass er den Streitfall nicht erfasst, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach vorlag, war nicht geboten.

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(ESV/fl)

Literaturhinweis zum Thema
Kommt es bei steuerlichen Meinungsverschiedenheiten zum Rechtsstreit, sollten gerade verfahrensrechtliche Fallstricke nicht unterschätzt werden, um Klageerfolg und prozessuale Ziele nicht von vornherein zu gefährden. In der 8. Auflage des Handbuchs des finanzgerichtlichen Verfahrens erläutern erfahrene Experten aus der finanzgerichtlichen Praxis, wie sich ein Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter in jeder Verfahrensphase optimal verhält, welche Prozesshandlungen in der jeweiligen Sachlage vorzunehmen sind und wie sich typische „Verfahrensfallen“ umschiffen lassen.

Programmbereich: Steuerrecht