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Dr. Rolf Raum: Aktuelle kartellrechtliche Bestandsaufnahme (Foto: Angela Kausche)
Expertentreffen in Berlin

Fachtagung Compliance: Was die Kartellrechtsnovelle bringt

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
03.05.2017
Die aktuelle kartellrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie die Risiken der anstehenden Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erläuterte BGH-Richter Rolf Raum auf der Fachtagung Compliance 2017 in Berlin.
Raum gehört seit 1999 als Richter dem Bundesgerichtshof an - seit Juli 2013 hat er den Vorsitz des 1. Strafsenats am Bundesgerichtshof inne. Zudem ist er Mitglied des Kartellsenats, der regelmäßig mit der Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) befasst ist, kurz: dem Kartellrecht.

Im Vordergrund sollte auf Unternehmensebene, so Raum, immer die Frage stehen, wie Kartellverstöße vermieden werden können. Was nicht ganz einfach sein dürfte, denn Raum ist überzeugt: „An Kartellverstößen ist immer die oberste Ebene eines Unternehmens beteiligt und nicht die Subalternen”.

Raum ging zudem der Frage nach, welche Situationen zu Kartellverstößen führen können. Er erläuterte das „verbotene abgestimmte Verhalten”, das als Auffangtatbestand zu einer nachzuweisenden klar gefassten Kartellvereinbarung gelte. Dieser Auffangtatbestand komme dann zum Tragen, wenn kein konkreter Nachweis eines Kartellverstoßes möglich sei.

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Das EU-Recht erachte gleichförmiges Verhalten am Markt bereits als kartellrechtlich relevant, während in der deutschen Rechtsordnung die Kausalität nachgewiesen sein müsse. Deutsche Gerichte dürften daher wohl die Übertragung dieser Vermutung auf deutsche Sachverhalte ablehnen.

„Verbotenes abgestimmtes Verhalten” sei oft dort indiziert, wo Mitgliedsunternehmen sich auf Verbandsebene austauschten. Kartellrechtlich sei dies „high risk”, so der Jurist Raum nicht ohne Ironie auf der in Kooperation mit dem Erich Schmidt Verlag veranstalteten Fachtagung Compliance. Auf Unternehmensbereiche bezogen sieht er die Themen Preisgestaltung, eigener Einkauf und die AGB-Gestaltung für kartellrechtlich riskante Felder.

Der zweite Schwerpunkt von Raums Betrachtung galt der 9. GWB-Novelle, die im September 2016 vom Bundeskabinett verabschiedet worden ist. Ziel dieser Gesetzesanpassung ist ein verbesserter Ordnungsrahmen für die digitale Wirtschaft. Zudem soll die Novelle es Kartellgeschädigten erleichtern, Schadensersatz geltend zu machen. Denn die Praxis habe gezeigt, dass Defizite in der nationalen Gesetzgebung es erschwere, eigene Rechte gegenüber Unternehmen durchzusetzen. Nicht selten werde versucht, „kartellrechtliche Geldbußen in Millionenhöhe durch Vermögensverschiebungen und Umstrukturierungen zu vermeiden”, heißt es im Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/10207).

Die GWB-Novelle soll die „Wurstlücke” schließen

Indem Unternehmen, die wegen schwerer sozialschädlicher Kartellrechtsdelikte bestraft werden müssten, an sich empfindliche Strafen umgingen, habe sich der gesetzgeberische Handlungsdruck verstärkt. Durch die 9. GWB-Novelle und den darin enthaltenen Ahndungsmöglichkeiten soll dem nun begegnet werden - durch eine Fusionskontrolle, die die sogenannte Wurstlücke schließen soll. Sie geht auf den Wurstfabrikanten Tönnies zurück, der eine Kartellstrafe von 128 Millionen Euro dadurch umging, dass er seine Unternehmen kurzerhand umstrukturierte.

Eine Buße des Mutterkonzerns ohne dessen Verschulden ermögliche den weltweiten Zugriff auf die gesamte wirtschaftliche Einheit. Neben der Schadensersatzpflicht seien die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde und auch durch Verbände wirksame Instrumente. Als besonders scharfes Schwert habe sich zudem die Managerhaftung erwiesen, so Raum. Im Bereich der Unternehmensbuße könne man das Kartellrecht mithin als Vorreiter bezeichnen, so Raum. Künftig soll die „unternehmerische Einheit” mit der Sanktion getroffen werden.

Und dies, obwohl das deutsche Recht an sich das Rechtsträgerprinzip und somit keine Unternehmensgeldbuße kenne. Ein Problem bleibt daher, wenn Europas Idee zur wirksamen Durchsetzung von Wettbewerbsvorschriften Wirklichkeit wird: Das deutsche Kartellrecht müsste in Umsetzung eines angedachten neuen EU-Kartellrechts entkoppelt werden vom Rechtsträgerprinzip, wie es in § 30 OWiG Ausdruck findet. Und die 9. GWB-Novelle wäre von einer neuen Rechtsentwicklung überholt.

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Informationen zu weiteren Veranstaltungen des Erich Schmidt Verlags oder Tagungen mit ESV-Beteiligung finden Sie unter ESV-Akademie oder unter Messen und Veranstaltungen.

(ESV/mp)

Programmbereich: Management und Wirtschaft