Leutheusser-Schnarrenberger: „Es gibt nichts Sensibleres als Gesundheitsdaten“
Gleichzeitig darf der Datenschutz jedoch nicht zum Hemmnis werden. So sind Tumordatenbanken heutzutage unerlässlich, um eine bestmögliche Behandlung der Patienten zu gewährleisten. Gewebeproben zu Forschungszwecken sollten daher stets anonymisiert oder zumindest, mit entsprechender Sicherung, pseudonymisiert erhoben werden, erklärt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a. D. in einem Interview mit der Zeitschrift PinG – Privacy in Germany (Ausgabe 5/15).
Politik muss der Forschung Grenzen setzen
Immer dann, wenn es um ethische oder moralische Werte ginge, müsse die Politik der Forschung Grenzen setzen, sagt die FDP-Politikerin. „Auch mit anonymisierten Daten kann erfolgreiche Forschung betrieben werden“.Leutheusser-Schnarrenberger sieht auch die Juristen in der Pflicht: „Juristen müssen sich immer dann Gedanken machen und einbringen, wenn es um mögliche Verletzungen und Gefährdungen der Privatsphäre geht“.
„Wozu braucht der Orthopäde Informationen über psychische Erkrankungen?“
Auf die Frage nach der Notwendigkeit von elektronischen Patientenakten, weist Leutheusser-Schnarrenberger darauf hin, dass der Arzt gegenüber neuen Patienten nie völlig ahnungslos sei. So gäben schriftliche Ärzteberichte, frühere Untersuchungsergebnisse und Röntgenaufnahmen ebenfalls Aufschluss über Krankheitsbilder. „Wozu braucht der Orthopäde die Informationen über psychische Erkrankungen?“. Nicht jeder Arzt müsse über alle Krankheiten seines Patienten informiert sein, meint die ehemalige Bundesjustizministerin.Aktuelle Meldungen |
Hier bleiben Sie immer aktuell im Bereich Recht. |
Grundsätzliche Bedenken gegen E-Health-Gesetz
Gegen das E-Health-Gesetz äußert Leutheusser-Schnarrenberger grundsätzliche Bedenken. „Medizinische Daten mit Patientenstammdaten zu verbinden und auf einem zentralen Server abzuspeichern, birgt erhebliche Risiken“, so die Juristin. Über die Datenpreisgabe sollte nur der Datenträger selbst freiwillig entscheiden. Dabei schaffe der Datenschutz die notwendige Vertrauensgrundlage für den Umgang mit Gesundheitsdaten. „Es gibt nichts Sensibleres als Krankheitsdaten, weshalb der Zugriff streng reglementiert werden muss“.Das komplette PinG-Interview mit der ehemaligen Bundesjustizministerin lesen Sie hier.
Zur Person
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Bielefeld. Seit 1978 ist sie Mitglied der FDP und gehört dem Freiburger Kreis an. Von 1990 bis 2013 war die 64-jährige Juristin aus Minden Mitglied des Deutschen Bundestags. Bereits 1992 war sie Bundesjustizministerin, legte ihr Amt jedoch aus Widerstand gegen den „Großen Lauschangriff“ 1996 nieder. Von 2009 bis 2013 war sie erneut Bundesjustizministerin. Bei Fragen zu Bürgerrechten und Datenschutz spielt sie eine wichtige Rolle. (ESV/akb)Das könnte Sie auch noch interessieren: Bundesverfassungsgericht stoppt Löschung der Zensus-Daten
Literaturhinweise zum Thema
Über aktuelle und grundlegende Fragen zum Datenschutz, informiert die Zeitschrift PinG – Privacy in Germany. Erhältlich als Print und eJournal. Das umfassend kommentierte Loseblattwerk zum Bundesdatenschutzgesetz von Dr. jur. Hans-Jürgen Schaffland und Dipl.-Kfm. Noeme Wiltfang, ist als Print und auch von unterwegs, als Datenbank unter www.bdsgdigital.de, abrufbar.
Umfassend zum Telekommunikationsgesetz informiert der auch als eBook erhältliche Berliner Kommentar TKG. Die völlig neu bearbeitete und erweiterte 2. Auflage – erschienen im August 2015 beim Erich Schmidt Verlag – enthält alle einschlägigen Rechtsentwicklungen und bereitet diese auf Grundlage der aktuellen Entscheidungspraxis der Bundesnetzagentur und der Gerichte auf.
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht