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Kathrin Schumacher benennt aktuelle Wandertrends. (Foto: privat)
Nachgefragt bei: Kathrin Schumacher

„Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen wandern gern”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
08.08.2016
Wandern liegt im Trend. Über Ursachen und Chancen im Destinationsmanagement sprach die ESV-Redaktion mit Kathrin Schuhmacher, Autorin des Bandes „Wandern als Erlebnis: Merkmale – Wahrnehmung – Analyse”.
Frau Schumacher, ein altes Sprichwort besagt „Das Wandern ist des Müllers Lust”. Wie aktuell ist dieses Sprichwort heute?

Kathrin Schumacher: Aktuell ist dieses Sprichwort nicht mehr unbedingt, denn heute gehen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen gern wandern. Vor allem auch Menschen, die überdurchschnittlich viel verdienen, gehen wandern. Das Ausgabeverhalten ist, wie die Wanderstudie 2014 zeigt, hoch.

Wandern ist so attraktiv wie lange nicht mehr. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Gründe für die Renaissance des Wanderns?

Kathrin Schumacher: Gründe sind vor allem allgemeine gesellschaftliche Trends, insbesondere das Bedürfnis nach Entschleunigung, Ruhe und Ursprünglichkeit, aber auch das stärkere Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Diese Bedürfnisse ziehen die Menschen in die Natur, wo sie das Gefühl haben, in einer unberührten Umgebung zu sein. Auch das Management der Destinationen hat dies erkannt und in den letzten 10-15 Jahren viel dafür getan, dass Gäste die Möglichkeit haben in einer natürlichen Umgebung zu sich zu finden.

Was sind die Wandertrends 2016 und welche künftigen Entwicklungen sind beim Wandern zu erwarten?

Kathrin Schumacher: Vor allem die Zahl der Gelegenheitswanderer, also Tageswanderer und Standortwanderer, die Neues ausprobieren wollen, wird weiter zunehmen. Auch Zusatzangebote wie regionale Speisen bekommen eine noch höhere Bedeutung, da Wanderer sowohl die Natur, als auch die Gegend kennenlernen möchten. Dabei steigt die Naturorientierung und das Bedürfnis nach Einfachheit und Stille, die Erlebnisorientierung nimmt dagegen langsam ab.

Wo steht Deutschland beim Thema „Wandern” – auch im Vergleich zu anderen Ländern? Kann man in Deutschland von einer „etablierten” Wanderkultur sprechen?

Kathrin Schumacher: Innerhalb Deutschlands wird das Thema „Wandern” noch weiter an Bedeutung gewinnen, weshalb auch die Wanderwege und Angebote einen immer höheren Qualitätsstandard erreichen. Länder wie Italien und Spanien liegen im Punkt wandertouristische Infrastruktur weit hinter Deutschland und auch im Vergleich zu den skandinavischen Ländern, Mitteleuropa und den Alpenländern sind wir sehr gut aufgestellt. Deshalb und aufgrund der hohen Nachfrage kann man durchaus von einer etablierten Wanderkultur sprechen, denn auch zukünftig werden sich Destinationsmanager sowie Gäste mit dem Thema befassen.

Inwiefern wirkt sich die Digitalisierung auf das Wandern aus? Was halten Sie beispielsweise von digitalen Schrittzählern, die beim Wandern verwendet werden?

Kathrin Schumacher: Die Digitalisierung greift natürlich in allen Lebensbereichen immer mehr ein, das Handy, Tablet oder Smartwatches sind ein fester Bestandteil der heutigen Lebensweise geworden. Zur Zeit sind Wanderer vor allem bis die Wanderung losgeht digitalisiert, sie informieren sich vorab über Wege, Unterkünfte etc., unterwegs werden Handy & Co. dann aber meist weniger genutzt, was sich auf die Bedürfnisse „Ruhe finden” oder „sich selbst finden” zurückführen lässt. Dass digitale Medien in Zukunft immer mehr Bedeutung bekommen, lässt sich jedoch nicht abstreiten und geht auch mit den jünger werdenden Zielgruppen einher. Schrittzähler sind auch dabei ein nettes Gimmick, welches bei der Selbstkontrolle unterstützen kann, auch im Alltag.

Einer der größten Trends der letzten Wochen war Pokémon Go, das Spielbegeisterte motiviert sich draußen zu bewegen und aktiv die Umgebung zu erkunden. Ist die Verbindung von virtueller und realer Welt ein oder der Schlüssel zu neuen Zielgruppen?

Kathrin Schumacher: Pokémon Go ist in erster Linie ein Mittel zur Verkaufsförderung für die Spieleindustrie, aber natürlich ist es trotzdem nett zu sehen, dass jüngere Leute die Gegend erkunden. Generell ist Virtual Reality oder Augmented Reality eine interessante Möglichkeit, Gästen einen anderen Blick auf die Dinge zu ermöglichen, beispielsweise einen Blick in die Vergangenheit zu schaffen. Vor allem jüngere Leute nutzen gern die moderne Technik. Wenn Anbieter spielerisch Informationen weitergeben, könnte das zumindest einen Teil dieser Gruppe dazu animieren, auch außerhalb der Städte spazieren bzw. wandern zu gehen.

Tourismus-Veranstalter haben den Wander-Trend ebenfalls erkannt. Wo sehen Sie persönlich noch Nachholbedarf? Was kann in Sachen Wandertourismus noch besser laufen?

Kathrin Schumacher: Eines der größten Probleme ist, dass Gastgeber nicht nah genug am Thema dran sind. Es gibt noch zu wenige zertifizierte Gastgeber, die sich auf die Bedürfnisse von Wanderern einstellen. Hier besteht in jedem Fall Nachhol- und Entwicklungsbedarf.

Was sollten Veranstalter beachten, um etwas vermeintlich Einfaches wie einen Wanderweg noch attraktiver zu gestalten?

Kathrin Schumacher: Destinationen sollten vor allem die Natur in den Mittelpunkt stellen und ein reduziertes Erlebnis ermöglichen. Manchmal ist ein Angebot am besten, wenn es möglichst einfach gehalten ist. Wie ich auch bei meiner Analyse feststellen konnte, sind Wanderer vor allem zufrieden, wenn ihnen ein weitreichender Ausblick geboten wird und sie es sich dabei gemütlich machen können. Gestalterisch dürfen sich Anbieter hier durchaus etwas trauen und beispielsweise Sitzgelegenheiten neugestalten oder kleinere Hindernisse einbauen, die der Wanderer, sofern er möchte, bewältigen kann. Dies steigert die Spannung und das Gefühl, etwas geleistet zu haben.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wo werden Sie in diesem Sommer wandern gehen?

Kathrin Schumacher: Wenn ich wandern gehe, dann am liebsten zu Hause mit ein paar Freunden. Vor allem im Rintelner Wald in Richtung Klippenturm oder auf dem Nesselberg zur Schaumburg. Eventuell fahren wir auch für einen Tag in den Harz oder zu den Externsteinen, mal sehen.

Zur Person

Kathrin Schumacher verfasste nach Ihrer Masterarbeit zum Thema „Wandern” das Buch „Wandern als Erlebnis: Merkmale – Wahrnehmung – Analyse”. Aktuell ist Sie Junior Consultant bei der Tourismus Plan B GmbH.

Weiterführende Literatur

Das Buch „Wandern als Erlebnis: Merkmale – Wahrnehmung – Analyse” präsentiert einen Einblick in die Erlebniswelten von Wanderern und stellt auf Basis einer Analyse der Elemente des Wanderweges und ihrer spezifischen Wirkungen Ansätze erlebnisorientierter Optimierung von Wanderwegen vor.

Im von Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack herausgegebenen Buch „Wandern und Gesundheit - Konzepte und Erfahrungen für einen wachsenden Markt” stellen mehrere Experten dar, wie sich Wandern professionell in die Produkt- und Destinationsentwicklung einbinden lässt und welche Erkenntnisse zum Komplex „Wandern und Gesundheit” vorliegen. Ergänzt werden diese um Konzepte und Erfahrungen aus den Bereichen Primär- bzw. Sekundärprävention, betriebliche Gesundheitsförderung und Destinationsmanagement.

(ESV/ap)

Programmbereich: Management und Wirtschaft