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Der Erblasser hatte seinen Sohn durch notatielles Testament vollständig enterbt (Foto: maho/Fotolia.com)
Pflichtteilsrecht

OLG Hamm zum Pflichtteil des Enkels nach Enterbung dessen Vaters

ESV-Redaktion Recht
08.02.2018
Wenn ein Großvater seinen Sohn wirksam enterbt und andere Personen als Erben einsetzt, kann dem Enkel dennoch ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Die Voraussetzungen hierfür waren Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm.
Laut Sachverhalt verstarb der seinerzeit 72 Jahre Erblasser im Jahr 2011. Sein Nachlass belief sich einschließlich einer Lebensversicherung auf einen gerichtlich festgestellten Wert von etwa 1.854.000 Euro. Zudem hatte der Erblasser zwei Söhne. Der Ältere verstarb 1990 kinderlos im Alter von 28 Jahren. Der Jüngere Sohn - heute 53 Jahre alt – ist nach der im Prozess vorgelegten Geburtsurkunde der Vater des Klägers.  

Im Jahr 1989 hatte der Erblasser seine beiden Söhne mit notariellem Testament enterbt. Zur Begründung wies er auf Rauschgiftsüchte und Straftaten seiner Söhne hin. Unter anderem soll der jüngere Sohn eine Körperverletzung gegen den Erblasser verübt haben. Daher setzte er seine damalige Lebensgefährtin sowie den heute 79 Jahre alten Beklagten als Erben ein. Hierbei handelt es sich um den Bruder des Erblassers. Nachdem der Erblasser verstarb, teilten die Erben den Nachlass unter sich auf.

Kläger: Zahlungsanspruch aus §§ 2303 I, 2309 BGB

Im Jahr 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von etwa 927.000 Euro gegen die Lebensgefährtin des Erblassers und dessen Bruder vor dem Landgericht (LG) Hagen geltend.

Der Kläger berief sich darauf, Enkel des Erblassers zu sein. Somit würde ihm als allein verbliebenen gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehen. Als entfernterer Abkömmling könne er nach § 2309 BGB seinen Pflichtteil beanspruchen, weil der Erblasser seinem Vater durch Anordnung im Testament von 1989 auch dessen Pflichtteil wirksam entzogen habe.

Im Wortlaut: § 2309 BGB - Pflichtteilsrecht der Eltern und entfernteren Abkömmlinge
Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt.

Beklagte: Kläger stammt nicht vom Erblasser ab

Die Erben bestritten unter anderem die Vaterschaft des enterbten Sohnes. Insoweit trugen sie vor, es sei nicht sicher, dass der Kläger aufgrund des unsteten Lebenswandels seines vorgeblichen Vaters überhaupt vom Erblasser abstamme. Die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde reiche für einen ausreichenden Nachweis seiner Abstammung nicht aus. Darüber hinaus beriefen sie sich darauf, dass sie den Nachlass verbraucht oder weitergegeben hätten.

Die Ausgangsinstanz hat der Klage im Wesentlichen durch Teilurteil stattgegeben. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat ihre Verurteilung als ehemalige Beklagte zu 1) nicht angefochten. Der Bruder des Erblassers legte jedoch Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung zum Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein.

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OLG Hamm: Rechtliche Abstammung maßgebend

Die Berufung des Beklagten zu 2) vor dem 10. Zivilsenat des OLG Hamm blieb jedoch erfolglos. Hierbei stützte sich der Senat im Wesentlichen auf folgende Gründe:  

Kläger pflichtteilsberechtigt
  • Danach ist der Kläger pflichtteilsberechtigt. Dieser, so der Senat, habe nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei.
  • Grundlage der Pflichtteilsberechtigung ist dem Richterspruch zufolge die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater - wie beim gesetzlichen Erbrecht. Diese Abstammung hatte der Kläger nach Auffassung des Senats mit der Vorlage seiner Geburtsurkunde im Original nachgewiesen.
  • Deren Inhalt zufolge ist der Kläger das Kind des jüngeren Sohns des Erblassers.
  • Die Frage, ob der Kläger nichteheliches Kind sei, sei rechtlich unerheblich. Eine etwaige Unrichtigkeit dieser Geburtsurkunde müsse der Beklagte beweisen. Diesen Beweis hätte der Kläger nicht erbracht.
  • Ob der Kläger auch biologisch vom Sohn des Erblassers abstamme, sei aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft nicht von Bedeutung.
Kein Ausschluss des Klägers von Erbfolge
  • Das streitgegenständliche Testament habe den Kläger durch Erbeinsetzung des Beklagten und der Lebensgefährtin des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.
  • Der Kläger wäre aber als entfernterer Abkömmling des Erblassers nun pflichtteilsberechtigt.
  • Auch eine Pflichtteilsberechtigung, die der Kläger vorgeht, sah das OLG nicht. Danach hat der Erblasser dem Vater des Klägers neben dessen Erbrecht auch dessen Pflichtteil testamentarisch entzogen.
Pflichtteilsrecht nicht verloren
  • Im Gegensatz zum Vater hat der Kläger dem Senat zufolge sein Pflichtteilsrecht aber nicht verloren. Der Erblasser hatte in seinem Testament nämlich nur angeordnet, dass er seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil entziehen wollte.
  • Auch in der Person des Klägers war kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich.
Haftung mit Gesamtvermögen

Auch auf die Frage, ob der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden ist, kommt es den Richtern aus Hamm zufolge nicht an. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft haftet der Beklagte gegenüber dem Pflichtteilsanspruch nämlich mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass.

Quelle: PM des OLG Hamm vom 05.02.2018 - Zum Urteil des OLG Hamm vom 26.10.2017 – AZ: 10 U 31/17

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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht