Rechtsprechung: Neues aus Luxemburg, Karlsruhe, Erfurt, Berlin und Essen
EuGH: Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch von EU-Bürgern im Vereinigten Königreich zulässig
Nach dem Urteil Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.06.2016 (C-308/14) müssen Bezieher von Kindergeld im Vereinigten Königreich ein Aufenthaltsrecht haben. Die Europäische Kommission hatte eine Vertragsverletzungsklage gegen das Königreich erhoben. Sie hält die dortigen Bedingungen zum Bezug bestimmter Sozialleistungen für diskriminierend. Bei der Kommission gingen zahlreiche Beschwerden von nicht britischen EU-Bürgern ein, die sich im Vereinigten Königreich aufhielten. Die zuständigen britischen Behörden weigerten sich, diesen Bürgern bestimmte soziale Leistungen zu gewähren, weil sie kein Aufenthaltsrecht in diesem Land hätten. Nach Auffassung der Kommission entsprechen die britischen Rechtsvorschriften nicht den Bestimmungen der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (EG Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 - ABl. L 166, S. 1). Der EuGH war hingegen der Meinung, dass das Erfordernis eines Aufenthaltsrechts verhältnismäßig ist. Dieses solle sicherstellen, dass die Leistungen nur an Personen gezahlt würden, die im Vereinigten Königreich ausreichend integriert seien.
Zum Urteil des EuGH
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Weiterführende Literatur |
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BGH: Wann ein Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte teilunwirksam ist
Ein Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte ist teilunwirksam, soweit dieser § 104 InsO widerspricht. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.06.2016 entschieden (AZ: IX ZR 314/14). In dem betreffenden Fall stritten die Parteien um Ansprüche aus zuvor geschlossenen Optionsgeschäften. Beklagte war eine in die Insolvenz geratene Bank englischen und walisischen Rechts.Diese sollte an einem bestimmten Stichtag eine bestimmte Anzahl von SAP-Aktien zu einem Ausübungspreis erwerben. Dem Geschäft zwischen den Parteien lag ein Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte zugrunde. Dieser basierte auf dem Muster, das der Bundesverband Deutscher Banken publiziert hatte. Zum Zeitpunkt der Insolvenz der Beklagten war jeweils noch ein Optionsgeschäft über jeweils 2 Mio. SAP-Aktien zu einem Kaufpreis in Höhe von 36,10 Euro je Aktie offen. Die Parteien stritten darüber, welche Auswirkungen die Insolvenz der Beklagten auf den Rahmenvertrag hat. Die Beklagte errechnete auf der Basis dieses Vertrages für sich einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 12,974 Mio. Euro je streitgegenständlicher Option. Diesen machte sie im Wege einer Widerklage geltend.
Der BGH sah den Ausgleichsanspruch der Beklagten zwar dem Grunde nach als gegeben an. Das Gericht meinte aber, dass die Ausgleichregelungen von § 104 InsO im Insolvenzfall gegenüber dem Rahmenvertrag vorrangig sind. Dies ergebe sich aus § 119 InsO. Danach sind Vereinbarungen, die schon im Voraus die Anwendung von § 104 InsO beschränken, unwirksam. Für den Stichtag zur Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs wäre daher nicht der 15. September 2008 maßgebend. Vielmehr wäre nach § 104 Abs. 3 Satz 2 InsO der zweite Werktag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidend.
Zum BGH-Urteil vom 09.06.2016
Weiterführende Literatur |
Das Handbuch Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV e. V.) , Handbuch bietet dem spezialisierten Steuerberater maßgeschneiderte Unterstützung bei allen Praxisfragen seines Tätigkeitsbereichs. Auf Basis der Fachberaterrichtlinien des DStV geben Experten Ihnen Antworten auf alle wichtigen juristischen und betriebswirtschaftlichen Fragen. |
BAG: Was lebensmittelverarbeitende Betriebe in Sachen Hygienekleidung beachten müssen
Lebensmittelverarbeitende Betriebe müssen als Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Angestellten saubere und geeignete Hygienekleidung tragen. Dazu gehört auch die Reinigung dieser Kleidung auf Kosten des Arbeitgebers. Dies teilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Pressemeldung Nr. 31/16 mit und bezog sich auf ein Urteil vom 14.06.2016 (AZ: 11 Sa 1238/14). In dem besagten Fall betrieb die Beklagte einen Schlachthof. Sie hatte den Kläger auch im Bereich der Schlachtung beschäftigt. Zwar stellte die Beklagte dem Kläger für seine Tätigkeit weiße Hygienekleidung zur Verfügung. Allerdings zog sie ihm für die Reinigung dieser Kleidung monatlich 10,23 Euro vom Nettolohn ab.Der Kläger begehrte neben der Feststellung, dass diese Abzüge unberechtigt sind, eine Lohnnachzahlung in Höhe von 388,74 Euro netto für die Monate Januar 2011 bis Februar 2014. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte dann das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Auch die Revision der Beklagten vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist der Kläger nicht verpflichtet, die Kosten der Reinigung der Hygienekleidung zu tragen und diese der Beklagten nach § 670 BGB zu erstatten. Danach beruht diese Norm auf dem allgemeinen Prinzip, dass derjenige die Kosten zu tragen hat, in dessen Interesse das Geschäft oder die Handlung vorgenommen wurde. Die Beklagte habe die Reinigung daher im Eigentresse und nicht im Interesse des Klägers durchgeführt. Insoweit verwiesen die Richter auf den Anhang II Kapitel VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene und Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 der nationalen Lebensmittelhygiene-Verordnung.
Pressemitteilung Nr. 31/16 des BAG
Weiterführende Literatur |
Das Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bietet eine systematische Darstellung des gesamten Verfahrensrechts mit einstweiligem Rechtsschutz und Zwangsvollstreckungsrecht. Neben der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, berücksichtigt es auch neuere bedeutsame Entscheidungen der Landesarbeits-gerichte sowie alle seit Erscheinen der Vorauflage in Kraft getretenen Gesetzesänderungen. Die enthaltenen Formulierungshilfen erleichtern Ihnen die Stellung von sachgerechten Anträgen in allen Verfahren und Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit. |
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OVG Berlin-Brandenburg: Fahrerlaubnisentzug bei gelegentlichem Cannabiskonsum
Eine Fahrerlaubnis, ist bereits dann zu entziehen, wenn der Inhaber, der gelegentlich Cannabis konsumiert, mit einer THC-Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml Blutserum am Straßenverkehr teilnimmt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 16.06.2016 entschieden. Dem Urteil zufolge, auf das die Pressestelle des Gerichts am selben Tag hingewiesen hatte, muss die Fahrerlaubnisbehörde kein vorheriges amtsärztliches Gutachten anfordern.Die Richter aus Brandenburg und Berlin beriefen sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist die oben benannte Konzentration ein Risikogrenzwert. Dieser ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Grenze, ab der die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen.
Pressemeldung des OVG-Berlin-Brandenburg Nr. 17/16
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Weiterführende Literatur |
Die Verkehrsrechts-Sammlung, herausgegeben von Rechtsanwalt Volker Weigelt in Berlin, bietet Ihnen Entscheidungen us allen Gebieten des Verkehrsrechts. |
LSG Nordrhein-Westfalen: ALG-Leistungsempfänger nicht an Sozialhilfeträger verweisen
Trotz Zweifeln an seiner Erwerbsfähigkeit ist eine Verweisung des Leistungsempfängers an den Sozialhilfeträger unzulässig. Der 9. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen hat in einem Eilverfahren ein Jobcenter zur Zahlung von Leistungen verpflichtet. Die Richter hielten eine Verweisung des Leistungsbeziehers an den Sozialhilfeträger trotz Zweifeln an dessen Erwerbsfähigkeit nicht für zulässig. Dies teilte die Pressestelle des LSG mit und nahm Bezug auf einen entsprechenden Beschluss vom 09.06.2016 (L 9 SO 427/15 B ER).Im Rahmen einer Antragstellung nach ALG2 zog das Jobcenter ein arbeitsmedizinisches Gutachten der Agentur für Arbeit bei. Nach diesem war der Antragsteller nicht erwerbsfähig. Daraufhin verwies das Jobcenter den Antragsteller auf die Stadt Herne. Diese lehnte als Sozialhilfeträger für nicht erwerbsfähige Personen jedoch die Erbringung von existenzsichernden Leistungen ab.
Das LSG hält das Vorgehen des Jobcenters für rechtswidrig. Zwar setzen Leistungen nach SGB II die Erwerbsfähigkeit voraus. Allerdings habe das Jobcenter bis zur endgültigen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit vorläufig Leistungen zu zahlen. Hierdurch soll verhindert werden, dass ein Antragsteller bei fraglicher Erwerbsfähigkeit zwischen die Stühle gerate und gar keine Leistungen erhalte. Das Jobcenter dürfe eine fehlende Erwerbsfähigkeit nicht ohne Einschaltung des Sozialhilfeträgers annehmen. Im Zweifel so das Gericht weiter, sei das Jobcenter verpflichtet, ein Gutachten des Rentenversicherungsträgers einzuholen, der verbindlich über die Erwerbsfähigkeit entscheidet.
Pressemeldung des LSG Nordrhein-Westfahlen
Weiterführende Literatur |
Der bewährte Kommentar Sozialgesetzbuch (SGB) II: Grundsicherung für Arbeitsuchende, herausgegeben von Hauck/Noftz, versteht sich als Erläuterungswerk für die Praxis. Er wendet sich an Praktiker in der Sozialverwaltung und den Kommunen, an die Anwaltschaft, die Gerichte sowie an die Sozialpartner. Das Werk enthält alle notwendigen Informationen rund um die aktuellen Regelungen und zeigt die Zusammenhänge des SGB II zum übrigen Sozialrecht auf. |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht