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Dr. Renate Mayer (Foto: privat)
Nachgefragt bei: Dr. Renate Mayer

"Sicherheitsbewusste Mannschaft mit geringen Ausfallzeiten ist ein Garant für hohe Wirtschaftlichkeit"

ESV-Redaktion
24.08.2015
Die Rolle des Sicherheitsbeauftragten ist vielfältig und anspruchsvoll. Häufig sitzt er zwischen allen Stühlen. Wie erfolgreiche Kommunikation und konstruktive Zusammenarbeit gelingen kann, erläutert Renate Mayer im Interview mit der ESV-Redaktion.
Der Sicherheitsbeauftragte muss mit dem Vorgesetzten über gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen sprechen und die Kollegen u. a. zu sicherheitsgerechtem Verhalten informieren und motivieren.

Wie kann dieser Spagat gelingen – zumal der Sicherheitsbeauftragte nicht weisungsbefugt ist?

Renate Mayer: Die wichtigste Voraussetzung ist wohl, selbst voll und ganz hinter dem Thema zu stehen und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten beitragen zu wollen. Dann ergeben sich die Gespräche mit der Führungskraft und den Kollegen als logische Konsequenz. Führungskräfte haben natürlich verschiedene Ziele im Blick, unter anderem die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsprozesse. Das kann schon mal zu Zielkonflikten führen. Auf den zweiten Blick stimmen die Ziele dann aber doch häufig mehr überein als zunächst gedacht, denn eine sicherheitsbewusste Mannschaft mit geringen Ausfallzeiten ist ein Garant für hohe Wirtschaftlichkeit.

Welche Kommunikationsstrategie hat sich aus Ihrer Praxis als empfehlenswert herausgestellt?

Renate Mayer: Nach meiner Erfahrung ist das Wichtigste eine positive und wertschätzende Grundhaltung gegenüber allen Gesprächspartnern. Ich empfehle davon auszugehen, dass jeder Mensch das was er tut, zunächst für richtig hält, also sich nicht absichtlich leichtsinnig oder falsch verhält. Für richtig halten Menschen das, was sie als richtig erlernt haben und dazu gehören auch Dinge, auf die es bislang keine negativen Rückmeldungen oder negative Konsequenzen gegeben hat.

Gibt es dennoch unsicheres oder riskantes Verhalten, muss man sich fragen, welche Informationen gefehlt haben, dass die betreffende Person sich noch nicht für richtiges, sicheres Handeln entscheiden konnte. Also: Gehen Sie immer davon aus, dass der andere meint, er macht es richtig und verurteilen Sie das Verhalten nicht pauschal als dumm oder falsch. Das hilft einem auch dabei, selbst motiviert zu bleiben.

Warum ist die erste Reaktion der Angesprochenen meist Abwehr, wenn er doch konstruktiv auf etwas hingewiesen wird? Wie vermeide ich Zielkonflikte?

Renate Mayer: Angesprochen werden auf verbesserungswürdiges Verhalten? Das mögen in der Tat die Wenigsten. Beim Erwachsenwerden passiert etwas sehr ähnliches: Korrekturen von außen durch einflussnehmende, kompetentere bzw. vom Status her höher gestellte Personen, also z. B. Eltern und Lehrer, lehnen wir zunehmend ab. Das liegt an unseren menschlichen Grundbedürfnissen nach Autonomie und Kompetenzerleben.

Wir Menschen genießen als Erwachsene nämlich das Gefühl, uns eigenständig und fähig zu fühlen. Nach diesem Zustand streben wir und haben wir ihn erreicht, wollen wir ihn gerne beibehalten. Wenn dann jemand kommt und sagt, dass wir etwas nicht richtig machen, fühlen wir uns in diesen Grundbedürfnissen eingeschränkt und wehren diesen Einwand zunächst ab. Da kann das Anliegen auch noch so konstruktiv vorgetragen werden.

Wenn man dann fragt, ob der Betreffende einen Airbag im Auto hat und einverstanden wäre, wenn man ihn nach zehn Jahren unfallfreiem Fahren ausbauen würde, wird schnell klar, was gemeint ist. Steht das gemeinsame Ziel der Unversehrtheit dann wieder im Vordergrund des Gespräches, ist das eine gute Basis.

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Wie holt der SiBe den Vorgesetzten mit ins Boot?

Renate Mayer: Vorgesetzte, die sich aktiv um Sicherheits- und Gesundheitsthemen ihrer Mitarbeiter kümmern, können damit eigentlich nur gewinnen. Wenn sie zeigen, dass ihnen Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter wichtig sind und sie dann entsprechend auch in Gesundheit und sichere Arbeitsplätze investieren, nehmen das Mitarbeiter als Wertschätzung durch die Führungskraft wahr und danken es mit Loyalität und Engagement.

Weiterhin zählen natürlich die Fakten, z. B. was Ausfallzeiten kosten, an welchen Stellen sich in letzter Zeit Ereignisse gehäuft haben, wie langwierig und kostspielig ähnliche geartete Fälle verlaufen sind, wo Verbesserungen unterlassen wurden und welche Folgen das hatte. Sicherheitsbeauftragte sollten allerdings nicht nur Probleme melden, sondern auch Lösungen mitbringen und so ihre Führungskraft unterstützen. Gerne dürfen sie auch Empfehlungen aussprechen, aber die Entscheidung sollten sie immer der Führungskraft überlassen, denn dafür ist sie schließlich da. (ESV/ck)

Wie man Zielkonflikte vermeidet und warum fehlende Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern auch als Chance gesehen werden kann, lesen Sie in dem ganzen Interview mit Renate Mayer auf arbeitsschutzdigital.de

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