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(Foto: Archiv)
Felicitas Hoppe und Johannes Schröer im Gespräch

"Die Literatur ist kein Sakrament“

ESV-Redaktion Philologie
01.09.2015
Im Werk von Felicitas Hoppe spielen religiöse Motive immer wieder eine Rolle. Im Interview mit domradio-Chefredakteur Johannes Schröer, das wir in Auszügen wiedergeben, hat die Autorin dazu Auskunft gegeben.
Johannes Schröer: Was sind das für Anziehungskräfte zwischen Religion und Literatur, die auch Ihr Werk kennzeichnen?

Felicitas Hoppe: Ich glaube, es sind Anziehungskräfte, die zurückgehen auf Texte und Geschichten, die man in seiner Kindheit hört. Da wird der Grund gelegt, das sind die Stoffe, mit denen ich aufgewachsen bin: Sonntagsmessen, das Evangelium, biblische Geschichten und Heiligenlegenden, die, genau wie die Märchen, zuhause vorgelesen wurden und die wir beim Zuhören zeichnend illustriert haben. Das sind griffige Erzähl-formen, die, formal stark befestigt und schematisiert, gut erinnerbar sind und aus der Tradition mündlicher Überlieferung leben. Das ist der Fundus, aus dem die europäische Literatur, und durchaus nicht nur meine, insgesamt eher unbewusst als bewusst schöpft.

Johannes Schröer: In Ihren Texten finden sich viele religiöse Spuren. Sie bekennen sich offen dazu, dass Sie katholisch sind. Viele andere Schriftsteller scheuen das religiöse Bekenntnis wie der Teufel das Weihwasser. Warum ist das so?

Felicitas Hoppe: Die Frage ist doch: Was meint das eigentlich, wenn ich sage: Ich bin katholisch? Bin ich katholisch von Haus aus? Aus Tradition, aus Gewohnheit? Oder bin ich Praktikant, nehme ich also, tatsächlich, am praktischen katholischen Leben teil? Letzteres kann ich für mich nicht in Anspruch nehmen. Ich bin aber Mitglied der Kirche, also getauft und katholisch aufgewachsen, wenn auch in der Diaspora, und es gibt keinen Grund, daraus einen Hehl zu machen. Ein ernsthaftes, tiefer gehendes Bekenntnis ist eine andere Kategorie. Literarisches Schreiben ist weniger Bekenntnis als die aktive Neugestaltung von vorgefundenen Stoffen. Allerdings sind Religion und Glaube bis heute schambehaftete Fragen, durchaus nicht zu Unrecht. Es ist sogar gut so. Ich glaube, dass das Zeigen des Religiösen, das Hervorzerren eines Bekenntnisses immer unangemessen ist. Glaubenspraxis kann zwar medial ausgebeutet, aber, jenseits von Propaganda, medial nicht erfasst werden. Man kann ein Gespräch mit Gott nicht filmen. Beten ist privat.

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Johannes Schröer: Der Schriftsteller ist kein Priester, obwohl man manchmal den Eindruck hat, dass er heute die Funktion des Priesters übernehmen soll. Aber damit ist er überfordert, denn, wie Sie einmal gesagt haben: „Literatur bleibt immer eine recht zweifelhafte, wenn auch beglückende göttliche Komödie.“

Felicitas Hoppe: Es gibt natürlich durchaus Schriftsteller, die tiefgläubig, vielleicht sogar orthodox sind, aber der literarische Text ist kein Dogma und soll es, um Gottes Wil-len, auch nicht sein. Die Literatur ist kein Sakrament. Das macht für mich zugleich den Wert von Literatur aus: Sie ist menschlich, nicht göttlich. Literatur befasst sich mit ähn-lichen Themen wie Religion, sie stellt Sinn- und Lebensfragen, auch die nach Metaphysik und Transzendenz, aber sie tut es mit anderen Mitteln, sie ist ein anderes Instrument der Beschreibung und Erkenntnis. Natürlich werden Schriftstellern, vor allem Dichtern, seit jeher gern prophetische oder visionäre Kräfte zugeschrieben, Kafka ist ein prominentes Beispiel dafür. Aber wenn ich etwas auf den Tod nicht leiden kann, ist es die Vergötzung von Schriftstellern. Dichter und Schriftsteller werden gern von allen möglichen Seiten instrumentalisiert. Darum ist für mich auch der Spielcharakter in der Literatur viel stärker als in der Religion. Wenn es anders wäre, würde ich nicht schreiben, diesem Druck könnte ich gar nicht standhalten.

Auszug aus:

Michaela Holdenried (Hg.), Felicitas Hoppe Das Werk. Philologische Studien und Quellen, Band 251. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2015.

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