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Wohnungsinserate künftig ohne Maklerprovision? (Foto: SyB/Fotolia.com)
Maklerrecht

Bestellerprinzip: Bewährt sich das Gesetz in der Praxis?

ESV-Redaktion
21.08.2015
Den Makler bezahlt, wer ihn beauftragt hat. Seit Juni gilt das Bestellerprinzip. Halten sich Makler und Vermieter an die Neuregelung? Experten aus der Praxis wurden befragt – eine erste Bilanz.
"2 Zi-Whg in Altona-Altstadt, helle 61 qm, mit Einbauküche, Badewanne, Wama, - KM € 680,- + NK + Kaution + 2,38 KM Provision" – keine unübliche Annonce für den Hamburger Wohnungsmarkt. An die Höhe der Kaltmieten hat man sich längst gewöhnt. Und auch die abgekürzten Begriffe zu entschlüsseln, bereitet einem – zumindest bei fortgeschrittener Wohnungssuche – keine Probleme mehr. Doch das Wörtchen "Provision", ganz zum Schluss, birgt seit kurzem Diskussionspotenzial: Das Bestellerprinzip ist am 1. Juni 2015 in Kraft getreten. Danach kommen Maklerverträge zwischen Makler und Wohnungssuchenden nur noch dann zustande, wenn der Suchende den Makler auch beauftragt hat – und zwar ausdrücklich in Textform. Gängige Praxis war bisher: Wollte der Mietinteressent die Wohnung bekommen, musste er die Maklercourtage übernehmen. Sonst kam eben ein anderer zum Zug. Solche Praktiken sollen mit Hilfe des Wohnungsvermittlungsgesetzes der Vergangenheit angehören. Kern der Novelle ist dabei § 2 Abs. 1a WoVermRG:

Im Wortlaut:

§ 2 Abs. 1a WoVermRG

(1a) Der Wohnungsvermittler darf vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, es sei denn, der Wohnungsvermittler holt ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter oder von einem anderen Berechtigten den Auftrag ein, die Wohnung anzubieten (§ 6 Absatz 1).

Mit dem Bestellerprinzip wollte der Gesetzgeber auch bei der Wohnraumsuche das marktwirtschaftliche Prinzip gelten lassen: Wer bestellt, bezahlt! Doch wie bewährt sich das Gesetz in der Praxis? Die ESV-Redaktion hat sich umgehört und Autoren und andere Experten aus dem Makler- und Mietrecht zu den Auswirkungen des Bestellerprinzips befragt.

„Die Wohnungssuchenden sind die wirklichen Leittragenden“

Für den Immobilienverband Deutschland (IVD) steht bereits heute fest: „Die wirklich Leidtragenden des Bestellerprinzips sind die Wohnungssuchenden“, so Dr. Christian Osthus, Leiter der Rechtsabteilung des IVD. Die ersten Rückmeldungen der Mitglieder zeigten, dass das öffentlich zugängliche Wohnungsangebot bereits zurückgegangen ist. "Viele Wohnungen werden unter der Hand weitergegeben", berichtet Osthus. "Insbesondere Wohnungssuchende, die in eine andere Stadt umziehen müssen und denen der Zugang und gute Kenntnisse des lokalen Markts fehlen, haben das Nachsehen." In der Anfangszeit seien nicht alle Vermieter bereit, eine Provision zu zahlen, so Osthus. "Einige Vermieter versuchen die Vermietung nun auf eigene Faust".

Der Anstieg von „Vermietungen in Eigenregie“ zeigt sich auch auf dem Online-Portal Immobilienscout.de. Seit Juni sind dort verstärkt private Angebote zu finden – und das nicht unbedingt zum Vorteil der Mieter. Laut einer Umfrage von Zeit Online zum Bestellerprinzip, geben Vermieter z. B. Mindestmietdauern vor, um auch ohne professionelle Hilfe durch Makler abgesichert zu sein. Außerdem verlangten sie zum Teil penibel Auskunft von Mietinteressenten: Lebenslauf, Angaben zu den Eltern oder sogar die beruflichen Pläne sollen offenbart werden, wie ein Teilnehmer der Umfrage berichtet.

Mietrechtsexperte und Autor beim Erich Schmidt Verlag Dr. Rainer Burbulla weiß von folgender Praktik: „Die Kaltmiete wird erhöht, so dass der Mieter die Provision im Ergebnis durch die erhöhte Miete zahlen muss.“ Auch würden Preisaufschläge für die Wohnungseinrichtung (z.B. Einbauküche) gemacht, so Burbulla.

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Umgehungsversuche bleiben nicht aus

Laut Rechtsanwalt Burbulla ist das Gesetz im Prinzip gut durchdacht. „Wirtschaftlich vernünftige oder legale Möglichkeiten, das Bestellerprinzip zu umgehen, sind weitestgehend ausgeschlossen“, erklärt der Mietrechtsexperte. Doch wird auch von Umgehungsversuchen der Makler berichtet: beispielsweise werden Suchaufträge in Mieterauskünften versteckt. Bei der Anfrage auf ein Wohnungsinserat müssen diese Auskünfte inklusive Auftrag dann vom Interessenten ausgefüllt werden. Auch gäbe es sogenannte Lockangebote: „Wohnungen werden ohne Adresse angegeben. Mieter müssen dann beim Makler nachfragen und diesen dann den Alleinauftrag erteilen.“ (zu weiteren Umgehungspraktiken und den richtigen Reaktionsmöglichkeiten für Mieter lesen Sie das ganze Interview mit Dr. Burbulla auf esv.info).

„Das Gesetz bemüht sich, Umgehungen auszuschließen“

Nach Meinung von Christian Ibold , ehemaliger Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf und dort im Fachsenat für Maklerrecht tätig, bemüht sich das Gesetz, Umgehungsmöglichkeiten weitestgehend auszuschließen und Folgen der Umgehung abzufangen: „Der Mieter hat beispielsweise einen Anspruch auf Rückzahlung nach den Regeln des Bereicherungsrechts, nachdem er den Makler zu Unrecht bezahlt hat. Die Regelungen §§ 814 und 817 BGB, die eigentlich eine Rückzahlung ausschließen, wenn der Zahlende gewusst hat, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet gewesen ist, sind nach § 5 Abs. 1 WoVermRG gerade ausgeschlossen worden. Außerdem droht § 8 WoVermRG eine Geldbuße bei Zuwiderhandlung an. Diese kann bis zu 25.000 Euro betragen.“

Doch sieht Ibold auch bereits eine Schwachstelle im Gesetzestext: „Der Gesetzgeber hat nicht den Fall geregelt, dass mehrere Interessenten einen Makler mit der Suche nach vergleichbaren Räumlichkeiten beauftragen. Macht der Makler einen geeigneten Vermieter ausfindig, kann es passieren, dass der erste Mieter die Wohnung nicht anmietet. Nimmt dann ein zweiter oder ein weiterer Interessent des Maklers diese Wohnung, so könnte der Makler von diesem nach dem Wortlaut des Gesetzes (es sei denn, der Wohnungsvermittler holt ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter […] den Auftrag ein‘) keine Provision fordern. Hier bleibt abzuwarten, wie die Gerichte diesen Fall entscheiden werden“, so Ibold.

Fazit: Bestellerprinzip mit Schwachstellen

Ein „gut durchdachtes Gesetz mit Schwachstellen“ - so könnte man das umstrittene Bestellerprinzip demnach bezeichnen. Durch die Neuregelung werden Vermieter nun vermehrt selbst zum Makler, drohen mit Preisaufschlägen beim Mobiliar oder lassen durch erhöhte Kaltmieten den Mieter die Maklercourtage in Raten zahlen. Die Makler nutzen Lockangebote, verstecken ihre Suchaufträge beispielsweise in Selbstauskünften. Diese Umgehungen scheinen jedoch die Ausnahme zu sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Wohnungsmarkt das Bestellerprinzip noch „zurechtstutzen“ wird. Jedenfalls muss sich „jeder Akteur – ob Vermittler, Suchender oder Vermieter – nun mit den neuen Spielregeln auseinandersetzen“, sagt Osthus – ob er will oder nicht.

Einmal mehr wird wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen

Entscheidend wird vor allem noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sein. Dort ist noch über die Klage zweier Makler und eines Mieters gegen das Bestellerprinzip zu entscheiden (1 BvR 1015/15). Ihr Bemühen, das Inkrafttreten des Gesetzes mit einem Eilantrag zu verhindern, kippten die Richter zügig. Ihre Begründung: Den Antragsstellern sei es nicht gelungen, „einen hinreichend schwerwiegenden Nachteil“ darzulegen. Weder für sie, noch für den gesamten Berufsstand der Wohnungsvermittler, sei – durch die in der Gesetzesbegründung geschätzten Umsatzrückgänge für Makler in Höhe von ca. 310 Millionen Euro – von einer Existenzbedrohung auszugehen (1 BvQ 9/15). Das sieht Osthus anders: „Für einige Makler, die sich ausschließlich auf den Vermietungsbereich konzentriert haben, stellt sich die Neuregelung als finanzielles Fiasko dar“. Im September will der IVD eine umfassende Umfrage zu den Auswirkungen des Bestellerprinzips unter seinen Mitgliedern durchführen. Der ESV wird darüber berichten. (ESV/akb)

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Literaturhinweis zum Maklerrecht

Umfassend zu diesem Thema informiert das Buch Maklerrecht von Hans Christian Ibold. Neben dem Bestellerprinzip ist hier auch bereits der Mitte Juli vorgelegte Referentenentwurf zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für Immobilienmakler berücksichtigt. Die dritte neu bearbeitete Auflage erscheint voraussichtlich im September 2015.

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht