Handbuch Internal Investigations
Der Münchner Professor für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht Mathias Habersack wirft in seinem Geleitwort zu diesem Sammelband einige Fragen auf, die in der Compliance- Praxis immer wieder thematisiert werden: Gibt es ein Recht oder gar eine Pflicht interne Untersuchungen durchzuführen? Wie sind die Verantwortlichkeiten im Konzern verteilt, was ist das Recht oder gar die Pflicht der Muttergesellschaft? Zu diesen und anderen Fragen gibt der vorliegende Band in einer gelungenen Mischung aus Kürze, die die Lesbarkeit erleichtert, und Ausführlichkeit, die die notwendige Tiefe bringt, umfassend Auskunft.
Interne Ermittlungen stehen in der Diskussion der Compliance-Verantwortlichen häufig ganz oben auf der Agenda. Zum einen bringen sie eine Schadensbegrenzung. Insbesondere das US-amerikanische Recht interpretiert sie als Mitwirkung des Unternehmens und gibt immense Vorteile bei der Strafbemessung für Unternehmen, die mit internen Ermittlungen zur Aufklärung beitragen. Auf der anderen Seite gibt es genügend Fälle, bei denen interne Ermittlungen selbst zu Compliance-Verstößen beigetragen haben. Erinnert sei nur an den Datenskandal bei der Deutschen Bahn, der eigentlich nur eine interne Ermittlung darstellte.
Der Herausgeberband stellt die rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Belange der best practice einer internen Ermittlung zusammen. Dabei werden drei Herausforderungen für die Compliance-Abteilung angesprochen: Der Plan, der einer internen Ermittlung zugrunde liegt, der Bereich „Perform“, mit dem die praktische Durchführung einer internen Ermittlung gemeint ist und der Bereich „Present“, der den Umgang mit den Untersuchungsergebnissen umfasst. In den Wirkungen unterscheiden die Autoren nach der internen Stoßrichtung, die zur Mitarbeitermotivation und zur Disziplinierung beiträgt und der externen Stoßrichtung, die Strafminderung und Public Relations zum Ziel hat.
Besonders erwähnenswert ist die Diskussion über die Rechte und Pflichte des Aufsichtsrats bei internen Ermittlungen. Die Autoren leiten für den Aufsichtsrat umfassende Rechte und je nach Sachverhalt auch eine Pflicht zur Durchführung einer internen Ermittlung ab. Daneben werden in einem Kapitel die rechtlichen Voraussetzungen der Durchführung einer internen Ermittlung ausgeführt. Dies ist besonders verdienstvoll, da sich hier viele unbewusste Fallstricke für Compliance-Abteilungen ergeben können. Mitarbeiter haben zwar einen umfassenden Herausgabeanspruch für alle Dinge, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erarbeiten oder erfahren. Allerdings erstreckt sich dieser Anspruch nur auf die Tätigkeitsbereiche, die dem Arbeitnehmer durch seinen Arbeitsvertrag zugewiesen sind. Nicht gedeckt sind Kenntnisse, die beiläufig erworben werden. Hier kann sich ein schwächerer Anspruch nur im Rahmen der Treuepflicht zum Arbeitgeber ergeben. Praxistipps z.B. beim Zugriff auf persönliche E-Mail-Accounts können dem in der Compliance-Praxis Tätigen gut weiterhelfen.
Positiv hervorzuheben ist, dass das Buch auch ein Kapitel beinhaltet, das sich mit den Konsequenzen einer internen Untersuchung für das Compliance- System beschäftigt. Natürlich muss betrachtet werden, was man aus einem Vorfall lernen kann, damit er künftig nicht wieder vorkommt. Dieser häufig vergessene Aspekt der internen Untersuchung findet in dem von Bay herausgegebenen Buch erfreulicherweise Beachtung. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der Literatur auf diesem Gebiet. Zu kritisieren ist allerdings, dass an einigen Stellen zu sehr auf die Einschaltung von externen Ermittlern eingegangen wird. Dies ist teilweise auch von der Begrifflichkeit verwirrend, wenn interne Ermittlungen im Wesentlichen von externen Ermittlern getragen werden sollen.
Das Buch ist für alle, die mit internen Ermittlungen betraut sind, uneingeschränkt zu empfehlen. Insbesondere die immer wieder eingestreuten Praxistipps erweisen sich als hilfreich.
Prof. Dr. Stefan Behringer, Nordakademie Elmshorn
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 2/2014