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Experte für Compliance-Management-Systeme: Peter Fissenewert (Foto: jochenrolfes.de)
Nachgefragt bei: Prof. Dr. Peter Fissenewert

„Immer mehr Unternehmen verlangen von ihren Partnern klare Strukturen”

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
08.01.2016
Der Volkswagen-Skandal hat das Thema Compliance in den Fokus gerückt. Warum auch kleine und mittlere Unternehmen sich des Themas annehmen sollten, darüber sprach die ESV-Redaktion mit Prof. Dr. Peter Fissenewert.

Hat der VW-Abgas-Skandal dem „Compliance-Katalysator“ zum Durchbruch verholfen?


Peter Fissenewert: Der VW-Skandal wird tatsächlich für einen Schub im Bereich Compliance sorgen. Der Konzern muss alles daran setzen, schnellstmöglich aufzuklären. VW wird in Zukunft nur noch mit Händlern, Zulieferern und sonstigen Partnern zusammenarbeiten können, wenn auch diese absolut compliant aufgestellt sind. VW wird es sich in Zukunft nicht mehr leisten können, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die kein Compliance-Management-System aufweisen können. Es mag zynisch klingen, aber der Konzern, der einen der größten Skandale überhaupt verursacht hat, muss zukünftig von allen ein absolut Compliance-taugliches Verhalten erwarten dürfen, um überhaupt aus der Misere herauszukommen.

Sprechen wir in ein paar Jahren von Compliance vor dem VW-Skandal und danach, ähnlich wie beim Neubürger-Urteil im Jahr 2013?

Peter Fissenewert: Davon gehe ich aus. Auch Siemens wird im Zusammenhang mit „Rettung durch Compliance“ immer wieder genannt. VW wird Siemens da sicherlich überholen und ablösen.

Was raten Sie kleinen und mittleren Unternehmen, die bisher kein oder nur ein unzureichendes Compliance-Management-System implementiert haben?

Peter Fissenewert:
Alle Unternehmen sollten sich jetzt mit dem Thema beschäftigen. Der Druck wird größer und viele haben sich hier bereits aufgestellt. CMS hilft nachweislich, Risiken und Schäden zu minimieren bzw. zu beseitigen und hat darüber hinaus einen hohen Image- und Wettbewerbsvorteil. Immer mehr Unternehmen verlangen von ihren Partnern klare Strukturen, eben CMS. Kunden lieben CMS, Mitarbeiter sowieso.

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Sie beteiligen sich öffentlich an der Diskussion um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Wie ist die Erfahrung aus anderen Ländern: Gehen dadurch die Wirtschafts-Straftaten in und von Unternehmen zurück?

Peter Fissenewert: Ja, ich finde die Diskussion und die Idee ausgesprochen hilfreich. Besonders zu befürworten am Unternehmensstrafrecht ist ja die Idee der Belohnung, wenn das Unternehmen über ein Compliance-Management-System verfügt. Die Idee, die dahintersteckt, ist doch die, dass Fehler in jedem Unternehmen vorkommen können; ist man aber ansonsten gut aufgestellt, etwa durch ein CMS, kann die Strafe eben deutlich gemildert werden. Und ich finde, dies ist ein guter Ansatz, den ja auch andere, wie DICO oder der BDU, bereits aufgenommen haben.

Eine Frage bleibt aber tatsächlich: Warum haben wir als fast einziges Land in Europa eigentlich kein Unternehmensstrafrecht? Diese Frage muss gestattet sein. Auch hier hat der VW-Skandal einiges bewirkt. Kann es tatsächlich sein, dass der Konzern nicht strafrechtlich belangt werden kann? Ist das gerecht? Wir sollten auch beachten, dass wir bereits schon so etwas wie ein „Unternehmens-Neben-Strafrecht“ haben, wenn man etwa an das Korruptionsregister denkt. Wenn sich ein Unternehmen wegen eines Korruptions- oder Steuer- oder sonstigen Vergehens strafbar gemacht hat, wird dieses Unternehmen in das Korruptionsregister eingetragen mit der Folge, dass es für eine lange Zeit von der Teilnahme an Ausschreibungen ausgeschlossen werden kann.

Braucht es hierfür andere Kompetenzen in den Compliance-Abteilungen? Mehr Verhaltens- und Sozialwissenschaftler und weniger Juristen?

Peter Fissenewert: Auch dies ist eine sehr gute Frage. Compliance ist kein reines Juristen-Thema. Juristische Kenntnisse helfen zwar außerordentlich. Die Vermittlung von Werten und Kultur bedarf aber eines erheblichen Fingerspitzengefühls. Das ist überhaupt die große Kunst. Man kann den Mitarbeitern Compliance nur nahebringen, indem man ihnen die Vorteile von Compliance vermittelt und vielleicht sogar die Lust auf Compliance. Da kenne ich auch den einen oder anderen Juristen, dem ich nicht eine solche Schulung anvertrauen würde …

Weiterlesen? Ein weiteres aktuelles Interview mit Prof. Peter Fissenewert („Compliance nicht um der Compliance Willen implementieren”) finden Sie auf COMPLIANCEdigital.de.

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(ESV/ms, map)

Zum Autor

Prof. Dr. Peter Fissenewert ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Kanzlei hww hermann wienberg wilhelm Rechtsanwälte Partnerschaft. Seit 2005 hat er eine Professur für Wirtschaftsrecht inne. Als Mittelstands-Experte hat er sich intensiv mit der Entwicklung und Implementierung von Compliance-Management-Systemen auseinandergesetzt. Im Erich Schmidt Verlag ist das Praxishandbuch internationale Compliance-Management-Systeme: Grundsätze - Checklisten - Zertifizierung gemäß ISO 19600 erschienen.

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Programmbereich: Management und Wirtschaft