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Im Zusammenhang betrachtet: NS-Literatur und Exilliteratur (Foto: © ONUK Fotografie)
Literatur und Politik zwischen 1933 und 1945

Neue Perspektiven auf die Literatur zur Zeit des Nationalsozialismus

ESV-Redaktion Philologie
09.10.2015
Das Buch „Deutschsprachige Literatur 1933–1945“ betrachtet die Literatur dieser Zeit aus einer neuen Perspektive: Es stellt die sonst getrennt behandelten Literaturen – auf der einen Seite die ‚Exilliteratur‘, auf der anderen Seite die ‚Literatur im Nationalsozialismus‘ – im Zusammenhang vor.
Mit der schrittweisen Errichtung der NS-Diktatur ab dem Januar 1933 und der damit einhergehenden Verfolgung und Ausgrenzung von Deutschen jüdischer Herkunft, (kultur)politischen Gegnern und anderen Bevölkerungsgruppen kam es zu einer der größten Fluchtbewegungen in der deutschen Geschichte. Bis Ende 1941 flüchteten schätzungsweise 500.000 Menschen aus dem nationalsozialistischen Machtbereich, zunächst überwiegend in europäische Nachbarländer und mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ins außereuropäische Ausland.

Zu den Personen, die Deutschland und Österreich freiwillig-unfreiwillig verließen, gehörten auch etwa 10.000 Schriftsteller, Journalisten und andere Kulturschaffende, darunter die wichtigsten Vertreter des literarisch-kulturellen Modernismus der Weimarer Republik.

Literatur im Deutschen Reich und im Exil

Die bald nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten eingeleitete ‚Gleichschaltung‘ aller Bereiche des öffentlichen Lebens betraf auch den literarischen Sektor. Hier wurden alle Institutionen in einer zentralisierten Kulturbürokratie zusammengefasst, an deren Spitze der Propagandaminister Joseph Goebbels stand. Die literarische Produktion wurde dabei weniger durch direkte Zensur als durch indirekte Maßnahmen reguliert, vor allem durch den Zwang zur Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer. Zwar konnten in der Anfangszeit noch einige als ‚politisch bedenklich‘ oder als ‚Nicht-Arier‘ eingestufte Autoren – wie Erich Kästner oder Jochen Klepper – publizieren. Ab Mitte der dreißiger Jahre wurden diese Spielräume jedoch immer weiter eingeschränkt.

Der radikale Ausschluss aller Emigranten vom literarischen Kommunikationssystem im Deutschen Reich führte dazu, dass sich im Exil ein eigenes System von Verlagen, Zeitschriften, Bühnen, Vereinen, Diskussionszirkeln etc. herausbildete. Viele Vertreter der ‚literarischen Emigration‘ sahen sich als Bewahrer der klassisch-humanistischen Tradition der deutschen Literatur. Mit der zunehmenden Dauer des Exils lösten sich manche Exilautoren allerdings vom Paradigma der Nationalkultur und definierten sich, wie Thomas Mann, neu als Vertreter der Weltliteratur.

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Epochentypische Merkmale der Literatur zwischen 1933 und 1945

Die ältere Forschung hat die ‚Exilliteratur‘ als eine politisch fortschrittliche (‚antifaschistische‘) Literatur definiert und sie einer mehr oder weniger systemkonformen ‚Literatur im Nationalsozialismus‘ gegenübergestellt. Solche pauschalen Zuschreibungen sind jedoch problematisch. Denn nicht alle Schriftsteller im Exil und im NS-Staat teilen jeweils dieselben Überzeugungen wie auch die beiden ‚Literaturen‘ keineswegs einheitliche ideologische und ästhetische Merkmale aufweisen.

Streims vergleichende Perspektive arbeitet neben den Differenzen auch die verbindenden epochentypischen Merkmale der deutschsprachigen Literatur zwischen 1933 und 1945 heraus. Auch wenn sich die Produktions- und Rezeptionsbedingungen sowie die Einstellungen der literarischen Akteure grundsätzlich unterschieden, waren diese doch auf verschiedene Weise mit denselben, ganz neuartigen Phänomenen und Herausforderungen konfrontiert: mit einer alle Bereiche des Lebens erfassenden Propaganda, mit einem entfesselten, bis zur physischen Vernichtung gehenden Antisemitismus sowie mit einer weitgehenden Politisierung der Kultur.

Die bis dahin gültigen Gewissheiten über kulturelle Identität, die kulturellen Grundlagen der Moderne und die Rolle von Kunst und Literatur wurden in dieser Zeit von Totalitarismus und Krieg in Frage gestellt. (ESV/ln)

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Das Buch

Das Buch „Deutschsprachige Literatur 1933 - 1945” führt anhand von ausgewählten Autoren und Texten beispielhaft in zentrale Probleme, Debatten, Themen und Tendenzen der Literatur jener Zeit ein und stellt dabei die wichtigsten Forschungsfelder und aktuellen Forschungsdiskussionen vor.

Neben weniger bekannten, aber symptomatischen Texten wird auch eine Reihe kanonischer Werke von Autoren wie Thomas Mann, Anna Seghers oder Ernst Jünger ausführlich präsentiert. Wo es sich anbietet, werden Entwicklungen im NS-Staat und im Exil parallel in einem Kapitel dargestellt; in anderen Fällen sind sie jeweils in eigenen Kapiteln behandelt und durch deren Abfolge miteinander verschränkt. Seitenblicke auf Theater und Film runden die Darstellung ab.

„Deutschsprachige Literatur 1933–1945" von Prof. Dr. Gregor Streim erscheint im Oktober 2015 im Erich Schmidt Verlag in der Reihe „Grundlagen der Germanistik“.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik