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Alle vier Disziplinen sollten im Unterricht gelehrt werden (Foto: Monkey Business/Fotolia.com)
Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache

Sprachunterricht: Die Basis für Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben

ESV-Redaktion Philologie
16.09.2016
Viele Menschen können sich in einer Fremdsprache zwar verständigen, die Aussprache lässt jedoch oft zu wünschen übrig. Welches Ziel sollte hier im Unterricht angestrebt werden?
Lehr- und Lernziele sind aus didaktischer Sicht stets eng aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig. Ihre Bestimmung war und ist vor allem im Bereich des Ausspracheunterrichts aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren […] recht schwierig. Die Forderungen an Lernende reichten in der Vergangenheit von „vollkommener Beherrschung der Standardaussprache“ bis hin zu „Verständlichkeit“ ohne Angabe entsprechender konkreter Fertigkeitskriterien und ohne das hauptsächliche Lernziel des Fremdsprachenunterrichts zu berücksichtigen.

Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen

Mit dem vom Europarat herausgegebenen Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR 2001) wurde erstmals der Versuch einer konkreteren Lernzielbestimmung im Zusammenhang mit dem hauptsächlichen Ziel des Fremdsprachenunterrichts und der Festlegung von Niveaustufen unternommen. Der GeR sieht das Hauptziel des Fremdsprachenunterrichts im Rahmen eines handlungsorientierten Ansatzes in der Vermittlung einer kommunikativen Sprachkompetenz. Diesem Ziel ist auch der Ausspracheunterricht verpflichtet, der eine wichtige Basis für die vier Grundfertigkeiten Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben darstellt.

Kommunikative Sprachkompetenz verlangt eine Ausbildung dieser Grundfertigkeiten in den Kompetenzbereichen Linguistik, Soziolinguistik und Pragmatik. Obwohl die Aussprache im GeR als sogenannte phonologische Kompetenz lediglich dem Kompetenzbereich Linguistik zugeordnet ist, spielt sie in den anderen beiden Kompetenzbereichen (Soziolinguistik, Pragmatik) ebenfalls eine nicht geringe Rolle. Zur soziolinguistischen Kompetenz (darunter versteht der GeR Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Bewältigung der sozialen Dimension des Sprachgebrauchs erforderlich sind) gehört zum Beispiel die situationsangemessene Verwendung einer höflichen Sprechweise.

Auch die pragmatische Kompetenz (dazu zählt laut GeR die Diskurskompetenz, die funktionale Kompetenz und die Schemakompetenz) bedingt die Berücksichtigung phonetischer Mittel. Diese Mittel spielen unter anderem eine große Rolle bei der Strukturierung von Gesprächsbeiträgen (Sprecherwechsel) oder wenn eine überzeugende Wirkung mittels passender Sprechweise erzielt werden soll.

Kommunikative Sprachkompetenz

Unter kommunikativer Sprachkompetenz versteht man die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man braucht, um in verschiedenen Situationen erfolgreich zu kommunizieren. Sie basiert somit auf erworbenen Fertigkeiten im Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben, die den Kompetenzbereichen Phonetik/Phonologie, Orthografie, Grammatik, Lexik (als sogenannte Säulen der kommunikativen Sprachkompetenz) zuzuordnen sind.

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Grundlage für den Erwerb von Fertigkeiten sind wiederum spezielle Fähigkeiten (wie z. B. das Heraushören wichtiger phonologischer Merkmalskategorien oder die artikulatorische Umsetzung phonetischer Muster), über die Menschen entweder von Geburt an verfügen oder die sich durch äußere Einflüsse – z. B. durch Bewusstmachen und Üben – vermitteln und entwickeln lassen. Nötig ist hierbei die Vermittlung von Kenntnissen (= Wissen), z. B. zu Ausspracheregeln und zur Lautbildung, die den Erwerb von Fertigkeiten und Fähigkeiten unterstützen. […]

Anzustrebende Fertigkeiten

Lernende sollten in Bezug auf die Aussprachekompetenz im Allgemeinen folgende Fertigkeiten anstreben […]:
  • eine flüssige Sprechweise mit korrekter (sinn- und intentionsgemäßer) Gliederung und Akzentuierung,
  • das Umsetzen wesentlicher segmentaler und suprasegmentaler Merkmale, die für die Verständlichkeit und eine intentionsgemäße Wirkung wichtig sind.
Besonderer Wert sollte dabei auf distinktive, bedeutungsunterscheidende segmentale und suprasegmentale Kategorien gelegt werden wie lang – kurz bei den Vokalen, gespannt – ungespannt bei den Konsonanten, steigende und fallende Melodisierung am Äußerungsende (Sie kommt nicht. vs. Sie kommt nicht?) usw.

Berücksichtigt werden sollten aber auch die Hörgewohnheiten und Erwartungen von Sprecher/-innen mit Deutsch als Erstsprache, die sich nicht nur an distinktiven Kategorien orientieren. Es können darüber hinaus auch lautliche und suprasegmentale Einheiten wichtig sein, deren fehlerhafte Aussprache nicht zur Bedeutungsveränderung führt (z. B. die richtige Aussprache des Ang-Lautes und der R-Laute, eine angemessene Sprechweise zum Ausdruck von Höflichkeit). Ein individueller Sprachklang, dem man anmerkt, dass die Sprecherin / der Sprecher eine andere Ausgangssprache als Deutsch hat, ist dagegen weitgehend unproblematisch.

(Auszüge aus dem Band Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache)

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Zum Band
Das Buch Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Orthografie und Phonetik von Ursula Hirschfeld und Kerstin Reinke erscheint Ende Oktober. Sie können das Lehrbuch bequem hier bestellen.

Zu den Personen
Ursula Hirschfeld ist Professorin für Phonetik am Seminar für Sprechwissenschaft und Phonetik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Phonetik und Phonologie des Deutschen, kontrastive und angewandte Phonetik, Aussprachenormen und -varianten im Deutschen, Didaktik und Methodik des Aussprachetrainings in Deutsch als Fremdsprache.

Kerstin Reinke ist Apl. Professorin für Phonetik (Deutsch als Fremdsprache) am Herder-Institut an der Universität Leipzig. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Phonetik und Phonologie des Deutschen, kontrastive und angewandte Phonetik, Probleme des Ausspracheerwerbs im Kontext des Spracherwerbs, Didaktik und Methodik des Aussprachetrainings, Rhetorik unter interkulturellem Aspekt.

(ESV/Redaktion Philologie)

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache