Studer: „Die IDT spiegelt den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit DaF/DaZ“
Thomas Studer: Zwischen der IDT und dem Fach DaF/DaZ gibt es eine wechselseitige, synergetische Beziehung. Die IDT als weltweit grösste Tagung der Deutschlehrenden, die alle vier Jahre stattfindet, spiegelt den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit DaF und DaZ. Gleichzeitig trägt die IDT ihrerseits auch zur Weiterentwicklung des Faches bei, etwa durch Postulate, die auf der Tagung lanciert werden. Wechselseitige Beziehungen zwischen der IDT und dem Fach lassen sich übrigens bis zu den Anfängen zurückverfolgen: Die erste IDT fand 1967 in München statt, bezeichnenderweise zum Thema „Probleme des DaF“. Nur zwei Jahre später, 1969, wurde am Herder Institut der Universität Leipzig der erste Lehrstuhl für DaF überhaupt eingerichtet.
Weiter ist die IDT auch ein Treffpunkt für Lehrpersonen, die nicht selten isoliert sind, und ebenso für Fachvertreterinnen und -vertreter, Mittlerorganisationen und Bildungsverantwortliche. Genutzt wird der Treffpunkt für Erfahrungsaustausch und Netzwerkaktivitäten über verschiedene Kontexte hinweg. Auch das ist für die Entwicklung von DaF und DaZ bedeutsam.
Im Sommer 2017 fand die IDT bereits zum 16. Mal statt. Was machte die XVI. IDT in Fribourg/Freiburg (Schweiz) aus Ihrer Sicht als Tagungspräsident besonders?
Thomas Studer: Zunächst schon der Tagungsort: Nach 16 Jahren, nach der Luzerner Tagung von 2001, war die IDT wieder einmal in der Schweiz zu Gast, und zwar in Fribourg/Freiburg, also in einer zweisprachigen Stadt in einem offiziell vier- und real vielsprachigen Umfeld. Aus diesem Kontext haben wir auch das Motto der Tagung bezogen: Brücken, auch im Sinne von Sprachbrücken mit Deutsch, waren das Leitmotiv.
Eine zweite Besonderheit war der erstmals durchgeführte ‚politische Montag‘ als Auftakt der Tagung: An diesem Tag wurden in elf Workshops und auf drei Podien die Ergebnisse von themenspezifischen Expertengruppen zur Diskussion gestellt, deren intensive Arbeit zu aktuellen sprachen- und fachpolitischen Fragen von DaF und DaZ bereits ein Jahr vor der Tagung begonnen hatte. Die Resultate dieser Arbeitsgruppen bildeten auch die Grundlage der Freiburger Resolution, die am letzten Kongresstag verabschiedet wurde.
Drittens haben wir versucht, konkrete Schritte in Richtung Qualitätssicherung und -entwicklung zu tun. Damit sind wir natürlich nicht die Ersten, aber neu waren zum Beispiel die Einführung eines zentral gesteuerten Abstract-Revisionssystems oder die gezielte Unterstützung der Teilnehmenden bei der Erstellung spezieller Beitragsformate wie Poster oder Unterrichtsfilme. Aus unserer Sicht gälte es, in Zukunft das Verhältnis von Quantität und Qualität des Grossanlasses IDT noch vermehrt im Auge zu behalten, denn Spannungsfelder gibt es nicht wenige, gerade auch im organisatorischen und administrativen Bereich: Ist es in Anbetracht knapper Ressourcen noch zeitgemäss, eine Tagung dieser Grössenordnung mit bis zu sechsjährigem Vorlauf im Milizsystem hochzufahren und dabei das Rad dauernd neu zu erfinden?
Welche Inhalte und Schwerpunkte findet man in den drei Bänden der Tagungsakten?
Thomas Studer: Für die Nachhaltigkeit der IDT ist die Publikation der Tagungsakten ausschlaggebend. Die drei aus der IDT 2017 hervorgegangenen Tagungsbände – Band 1: Hauptvorträge, Band 2: Sektionen, Band 3: Sprachenpolitik: Expertenberichte und Freiburger Resolution – setzen sich mit dem Stand und den Perspektiven von Forschung und Entwicklung in DaF und DaZ auseinander.
Band 1 versammelt eine Auswahl der auf der Tagung gehaltenen Vorträge. Hier zeigt sich das akademische Fach DaF/DaZ in seiner ganzen Breite; so etwa in Aufsätzen zur Fachgeschichte, zu Arbeitsfeldern wie dem Spracherwerb im Zeichen der Mehrsprachigkeit, dem medienunterstützten Sprachenlernen, der Kultur- und Literaturvermittlung, der Textkompetenz, zur Wortschatz- und Grammatikarbeit und ebenso zur Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen.
DaF / DaZ | 15.11.2018 |
Die Einheit des DaF/DaZ | |
Neben Deutsch als Fremdsprache ist eine etwas neuere Disziplin Deutsch als Zweitsprache. Worin bestehen hier die Unterschiede, und ist eine Trennung wirklich sinnvoll? Prof. Dr. Claudia Riemer bezieht Stellung. mehr … |
Band 2 ist ein Querschnitt aus der Sektionsarbeit, die auch in Fribourg/Freiburg den Kern der IDT ausmachte. In ihrer Gesamtheit beleuchten die Beiträge das Lehren und Lernen von DaF und DaZ weltweit in vielfältigster Weise und bringen damit besonders auch die internationale und kulturelle Dimension des Deutschunterrichts zum Ausdruck. Im Einzelnen legen die Beiträge den Fokus entweder auf theorie- und/oder forschungsbasierte Unterrichtskonzepte oder auf unterrichtsbezogene Theorie und/oder Forschung und können so auch als Zeichen zunehmender Professionalisierung von DaF/DaZ als Praxis und als Wissenschaft gelesen werden.
In Band 3 sind einerseits die Expertenberichte der themenspezifischen Arbeitsgruppen integral abgedruckt, andererseits die Freiburger Resolution, die sich wesentlich auf diese Berichte stützt.
Können Sie zur Resolution noch etwas mehr sagen?
Thomas Studer: Gern! Diese Resolution umfasst elf Thesen, welche die aktuellen sprachen- und fachpolitischen Herausforderungen von DaF und DaZ im Rahmen der Mehrsprachigkeit und im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen konstruktiv angehen und weiterdenken. Thematische Schwerpunkte der Thesen sind: die internationale Förderung von Deutsch, das sprachenpolitische Handeln von Verbänden und von Mittlerorganisationen, DaF/DaZ im akademischen und im schulischen Bereich, DaZ im Kontext sozialer Integration, die Lehreraus- und -weiterbildung sowie die Rolle der Forschung im Fach DaF/DaZ. Bei diesen Thesen handelt es sich um zentrale Forderungen und Desiderate, die sich aus den Berichten der themenspezifischen Arbeitsgruppen herauskristallisiert haben.
Erfreulich ist, dass die Resolution eine gewisse Wirkung entfaltet zu haben scheint, etwa dadurch, dass sie im Rahmen von Fortbildungen mit Multiplikatoren diskutiert wurde oder zum Beispiel dadurch, dass die These zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt des Deutschen den Boden für Folgeaktivitäten und verstärkte Kooperationen bereitet hat.
An welche Momente der IDT 2017 erinnern Sie sich persönlich besonders gern zurück?
Thomas Studer: Als ich, spät dran, Tunnelblick, Tagungsmappe in der einen Hand, Telefon und Dokumente in der andern, zur Eröffnungsrede eilte, fing mich vor dem Eingang zum Gebäude eine bunt und schön gekleidete Frau ab und streckte mir strahlend eine riesige Schachtel süsser Köstlichkeiten entgegen. Wow! Ich war so überrascht und berührt, dass ich mich kaum anständig bedanken konnte. Und ich hatte jetzt das zusätzliche Problem, mich Süssigkeiten balancierend durch den von einströmenden Teilnehmenden zugestellten Eingang durchwuseln zu müssen. – Die Rede habe ich dann natürlich gehalten. Das Voraus-Geschenk und diese Art des Schenkens werde ich so schnell nicht vergessen.
Sehr beeindruckt waren viele von uns, auch ich, von den Gehörlosendolmetscherinnen, welche anlässlich des fachlichen Auftakts die musikalische Darbietung des Schweizer Mundartsängers Kunz so beeindruckend in Gebärdensprache darstellten, dass sie die Blicke aller, sowohl der gehörlosen als auch der hörenden Zuschauerinnen und Zuschauer, auf sich zogen.
Besondere Momente waren schliesslich nicht nur die offizielle Eröffnung der Tagung und der für die Teilnehmenden ausgerichtete Abendempfang, sondern auch die Übergabe des IDV-Stabs an die Ausrichtenden der nächsten Internationalen Tagung der Deutschlehrenden. Ihnen an dieser Stelle den besten Erfolg – und rückblickend dem Schweizer Veranstaltungsteam ein riesiges Dankeschön.
Wann und wo wird diese denn durchgeführt werden?
Thomas Studer: Die nächste IDT findet vom 2. bis 7. August 2021 in Wien statt. Das Vorprogramm ist für 2019 geplant.
Zur Person |
Prof. Dr. Thomas Studer ist Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Fribourg/Freiburg (Schweiz). Zu seinen Forschungsinteressen zählen insbesondere die Sprachlehr- und Sprachlernforschung (Schwerpunkt Forschungsmethoden), die Fremdsprachendidaktik mit Schwerpunkt Didaktik und Methodik von DaF/DaZ sowie der Bereich des Testens und Prüfens. |
(ESV/lp)
Programmbereich: Germanistik und Komparatistik