Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Stilprägend für bestimme Musikrichtungen - das Sampling (Foto: KaDoFaible/Fotolia.com)
Recht auf Sampling gegen Recht des Tonträgerherstellers

BVerfG: Grundrecht auf Sampling für Hip-Hopper?

ESV-Redaktion Recht
02.06.2016
Beim Sampling übernehmen Musiker oft ungefragt Tonsequenzen aus fremden Liedern. Doch ist das erlaubt? Der Produzent Moses Pelham hat im Streit mit der Band Kraftwerk in dieser Frage vor dem Bundesverfassungsgericht einen Etappensieg errungen.

Was war passiert?

Der Produzent hatte eine Tonfolge aus dem Song „Metall auf Metall” der Band Kraftwerk in sein eigenes Lied „Nur mir” eingebaut. Die Sequenz, die etwa zwei Sekunden dauert, kopierte er unmittelbar von einem Tonträger der Band.

Noch im Jahr 2012 erreichten die Pioniere des E-Pops vor dem Bundesgerichtshof (BGH), dass der Song von Pelham nicht mehr vertrieben werden darf. Hiergegen legte der Musikproduzent eine Verfassungsbeschwerde ein. Dieser schlossen sich insgesamt zwölf andere Musiker an. Darunter z.B. Sarah Connor oder Bushido. Damit wollten die Künstler erreichen, dass fremde Beats auch ohne Genehmigung in einem eigenen musikalischem Kontext benutzt werden dürfen. Pelham sah vor allem die Freiheit der Kunst in Gefahr. Dabei betrachtet er das Sampling als einen  entscheidenden Teil des Hip-Hops. Demgegenüber berief sich die Band Kraftwerk auf ihr Recht als Urheber der Originalaufnahmen und auf ihr Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller.

Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden!
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


Drei der zwölf Verfassungsbeschwerden hatten Erfolg. In seinem Urteil vom 31. Mai 2016 hat das BVerfG entschieden, dass das Sampeln grundsätzlich erlaubt ist (AZ: 1 BvR 1585/13). Dabei haben die Richter das Grundrecht auf künstlerische Entfaltungsfreiheit gegenüber dem Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers abgewogen. Diese Güterabwägung fiel grundsätzlich zu Gunsten der Kunstfreiheit aus.

Wenn nur ein geringfügiger Eingriff in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers vorliegt, so der 1. Senat des BVerfG, kann die Kunstfreiheit den Vorrang haben. 


Wie es weitergeht

Das BVerfG hat die Entscheidung des BGH aufgehoben und zurückverwiesen. Offen blieb nämlich die Frage, ob die Band Kraftwerk durch die Übernahme der Musiksequenz einen nennenswerten wirtschaftlichen Schaden erlitten hat. Diese Frage muss der BGH nun genauer prüfen.

Die obersten deutschen Zivilrichter wendeten § 24 UrhG analog auf Leistungsschutzrechte im Sinne von § 85 UrhG an. Allerdings waren sie der Auffassung, dass die freie Benutzung einer Tonfolge in Form des Samplings nur dann ungefragt möglich ist, wenn man die betreffende Tonfolge nicht selber nachspielen kann.

Im Wortlaut: § 24 UrhG - Freie Benutzung

(1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird.


Im Wortlaut: § 85 UrhG - Verwertungsrechte
(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers.

(...)

(4) § 10 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 und 3 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 gelten entsprechend.


Die Verfassungrichter sahen das Kriterium der Nachspielbarkeit als untauglich an. Diese Auffassung würde dem Grundrecht auf Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung tragen. Der direkte Zugriff auf das Originaltondokument sei ein wesentliches Element eines experimentell synthetisierenden Schaffensprozesses, ähnlich wie bei Collagen. Gerade die erforderliche kunstspezifische Betrachtung verlangt, dass genrespezifische Aspekte berücksichtigt werden. Aus der betreffenden Tonfrequenz wäre ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden. Dabei bezog das Gericht auch die Kürze der übernommenen Tonfolge mit in seine Wertung ein.

Dass das Sampeln in anderen Bereichen auch zur Kostenersparnis eingesetzt wird, darf den Einsatz dieses Gestaltungsmittels zumindest dort nicht unzumutbar zu erschweren, wo es stilprägend ist. Ein generelles Benutzungsverbot würde die Schaffung von neuen Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen. 

Quelle: Urteil des BVerfG  vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13

Updates

BGH erlaubt Sampling nur unter engen Voraussetzungen

Nur zwei Sekunden lang dauert ein kleiner Tonschnipsel, der die Gerichte schon länger als 20 Jahre beschäftigt. Allein der BGH musste sich nun vier Mal mit der Frage auseinandersetzen, ob Musikproduzent Moses Pelham die Tonfolgen von Kraftwerk übernehmen durfte. Dennoch ist die scheinbare Endlosschleife noch nicht ganz beendet. mehr …


EuGH: Sampling in engen Grenzen erlaubt

Musikalisches Sampling ist die Übernahme von Tonfolgen in eigene Musikproduktionen. Ob das erlaubt ist, darüber streiten Musikproduzent Moses Pelham und die Gruppe Kraftwerk seit über 20 Jahren. Nun hat der EuGH hierüber aktuell entschieden – und die Endlos-Schleife wohl fortgesetzt. mehr …



Handbuch Urheberrecht

Völlig neue Verwertungsmöglichkeiten und Nutzungsgewohnheiten haben das Urheberrecht im digitalen Zeitalter zuletzt vielseitig in Bewegung gehalten – ob mit Neuregelungen insb. zum Urhebervertragsrecht, zu Vergütungsansprüchen und Verlegerbeteiligungen oder auch geänderten Verantwortlichkeiten etwa von Upload-Plattformen.

Einen praxisnahen Wegweiser durch das nationale und europäische Urheberrecht unter Berücksichtigung neuester EuGH-/BGH-Entscheidungen bietet Ihnen dieses Berliner Handbuch. Ein hochkarätiges Expertenteam aus Forschung, (fach-)anwaltlicher und notarieller Praxis bündelt die wichtigsten Kompetenzen und Perspektiven.

+++ Typische Anwendungs- und Beurteilungsfragen

  • Rechtliche und ökonomische Bewertung der Schöpfungs-, Gestaltungs- oder Werkhöhe (Stichwort „Kleine Münze“)
  • Beweis der Urheberschaft, auch bei Miturheberschaft im Team
  • Bestimmbarkeit zu übertragender Rechte, Verteilungsgerechtigkeit, Rolle der Verwertungsgesellschaften u.v.m.
  • Vererbung des Urheberrechts oder auch zwangsweise Verwertung / Umgang mit Insolvenzen
  • Urheberrechtsverletzungen und -straftaten

+++ Neue Herausforderungen digitaler Medien

  • Leistungsschutzrechte und Auswirkungen der Digitalisierung
  • Erschöpfung bei der elektronischen Verwertung
  • Anwendung der Schrankenreglungen bei der Berichterstattung in digitalen Medien
  • Kopierfreiheiten und deren Unzulänglichkeiten
  • Grenzen der zustimmungspflichtigen Nutzung bei Software u.v.m.

+++ EU-Harmonisierung und internationales Urheberrecht

  • Europäische Rechtsentwicklung, Rechtsprechung des EuGH und Richtlinien-Gesetzgebung
  • Europäischer Werkbegriff und das Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs
  • NEU: Urheberrecht in den USA in einem zusätzlichen Kapitel

Add-on mit Mustern und Materialien: Die Fülle nützlicher Text- und Vertragsmuster, Klauselbeispiele und Checklisten finden Sie zusätzlich in editierbarer Form online.

Stimmen zur Vorauflage: „… eine gelungene Gesamtdarstellung des Urheberrechts in einem Praxishandbuch. (…) Möge es ein Standardwerk in der Reihe von Handbüchern werden.“ Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke, Humboldt-Universität, Berlin, in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), 12/2016

"… für den gestandenen Praktiker, aber auch für Jurastudenten, die den ersten Einstieg ins Urheberrecht suchen, exzellent. Insofern mein Glückwunsch an Bisges und seine Autoren." Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster, in: MultiMedia und Recht (MMR), 1.9.2016



(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht