BSG: Kein Streikrecht für Vertragsärzte
Kassenärztliche Vereinigung erteilt Verweis
Die Kassenärztliche Vereinigung erteilte dem Kläger daraufhin einen Verweis als Disziplinarmaßnahme. Die Beklagte meinte, der Kläger habe durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt. Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Danach sieht das Vertragsarztrecht kein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit vor.Sprungrevision zum BSG erfolglos
Gegen das Stuttgarter Urteil legte der Kläger dann Sprungrevision zum Bundessozialgericht (BSG) ein. Diese hat der 6. Senat des BSG mit seinem Urteil vom 30.11.2016 zurückgewiesen.Kein Streikrecht aus Verfassung
Das BSG sah kein Streikrecht, das der Kläger aus der Verfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention herleiten kann. Ein Recht der Vertragsärzte, mit dem diese Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen mit Hilfe von „Arbeitskampfmaßnahmen” durchsetzen können, sei mit der rechtlichen Konzeption des Vertragsarztrechts nicht vereinbar.Aktuelle Meldungen |
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Interessenausgleich durch Vertragsarztrecht
Nach den weiteren Ausführungen des 6. BSG-Senats soll das Vertragsarztrecht die gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten ausgleichen. Dies soll gleichzeitig eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sichern.Hierbei besitzt die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen einen hohen Grad an Autonomie. In diesem System obliege die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung den Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Der einzelne Vertragsarzt, so das BSG weiter, wäre im Rahmen dieses Systems aufgrund seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und seiner Mitgliedschaft bei der KV eingebunden. Konflikte mit Krankenkassen um die Höhe der Gesamtvergütung würden nicht durch Streik oder Aussperrung ausgetragen. Vielmehr hätten Schiedsämter die Konflikte mit zeitnahen, verbindlichen und gerichtlich überprüfbaren Entscheidungen zu lösen.
Kläger hat seine Pflichten schuldhaft verletzt
Nach Auffassung der Richter aus Kassel hat der Kläger daher seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt. So müssten Vertragsärzte während der angegebenen Sprechstunden für die ärztliche Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen. Das Gericht spricht insoweit von einer Präsenzpflicht. Ausnahmen hiervon gebe es zum Beispiel bei Krankheit oder Urlaub, nicht aber bei der Teilnahme an einem Warnstreik.Quelle: Medieninformation des BSG Nr. 24/16 zum Urteil vom 30.11.2016 – AZ: B 6 KA 38/15 R
Weiterführende Literatur |
Der Liebold/Zalewski, Kommentar zum Kassenarztrecht, verschafft Ihnen den Überblick über das komplexe Gebiet der vertragsärztlichen und vertragspsychotherapeutischen Versorgung – stets unter Berücksichtigung regionaler Regelungen der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen und aktueller Rechtsprechung. Das Standardwerk besticht auch durch die Kombination aus Kommentierung und Wiedergabe der einschlägigen sonstigen Regelungen. Dies erspart ihnen langwierige Recherchen in zahlreichen Quellen erspart. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung