Kindschaftssachen: Neue Rechtsbehelfe gegen lange Verfahren
Wichtige Bestandteile der Reform
- Neue Rechtsbehelfe: So sollen die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde in Kindschaftssachen greifen, wenn ein Gericht gegen den Beschleunigungsgrundsatz nach § 155 FamFG verstößt.
- Mindestanforderungen an die Qualifizierung von Sachverständigen in Kindschaftssachen.
- Erweiterung des Gutachterauftrages.
- Keine Vernehmung des Kindes als Zeuge oder Beteiligter.
Neu eingeführt: § 155 b FamFG und die Beschleunigungsrüge
Jeder Beteiligte einer Kindschaftssache kann geltend machen, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrangs-und Beschleunigungsgebot nach § 155 FamFG entspricht. Dabei muss er darlegen, warum das Verfahren nicht vorrangig und beschleunigt durchgeführt wurde. Dieser Rechtsbehelf ist in jeder Instanz statthaft.Hält das Gericht die Rüge für begründet, so muss es unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens einleiten. Dabei hat es auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen.
Meint das Gericht im Falle einer statthaften und zulässigen Beschleunigungsrüge, dass das Vorrang- und Beschleunigungsgebot eingehalten wurde, weist es die Rüge innerhalb eines Monats durch Beschluss als unbegründet zurück.
Beschleunigungsbeschwerde nach dem neuen § 155 c FamFG
Der Beschluss über die Beschleunigungsrüge kann innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Ausgangsgericht mit der Beschwerde angefochten werden. Dieses Gericht hat dann die Akten unverzüglich dem Beschwerdegericht vorlegen.Welches Gericht ist zuständig?
- Hat das Amtsgericht den Beschluss über die Beschleunigungsrüge gefasst, entscheidet das übergeordnete Oberlandesgericht über die Beschleunigungsbeschwerde.
- Haben das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof den Beschluss gefasst, so entscheidet ein anderer Spruchkörper des jeweiligen Gerichts.
Stellt es fest, dass dies nicht der Fall ist, muss das Ausgangsgericht das Verfahren unverzüglich vorrangig und beschleunigt durchführen. Dabei hat es die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu beachten.
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Die Qualifizierung von Sachverständigen
Mindestqualifikation: Für Kindschaftsverfahren, in denen es um die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, das Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse des Kindes oder die Kindesherausgabe geht, verlangt § 163 Abs. 1 Satz 1 FamFG n. F. eine Mindestqualifikation für zu beauftragende Sachverständige.Dies soll zu einer fachlich fundierten Sachverständigentätigkeit und zu einer Verbesserung der Qualität bei der Begutachtung führen. Somit dürfen nur solche Sachverständige beauftragt werden, die für die konkrete Beweisfrage fachlich qualifiziert sind.
Dabei ist die entsprechende Berufsausbildung nur eine Mindestanforderung. Bei der Auswahl sind auch Weiterbildungen und Berufserfahrungen zu berücksichtigen.
Nachweis diagnostischer und analytischer Kenntnisse: Sachverständige, die eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation haben, müssen zusätzlich ausreichende diagnostische und analytische Kenntnisse durch entsprechende Zusatzqualifikationen nachweisen.
Erweiterung des Gutachtenauftrags
Nach § 163 Absatz 2 n.F. kann das Gericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, anordnen, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens auch auf ein Einvernehmen zwischen den Beteiligten hinwirken soll.Keine Vernehmung des Kindes als Zeuge oder als Beteiligter
Nach der neu eingeführten Regelung des § 163 a FamFG darf ein Kind nicht als Zeuge oder als Beteiligter vernommen werden. Der Gesetzgeber verfolgt damit zwei Ziele:- Vermeidung zusätzlicher Belastungen: Diese Regelung soll eine zusätzliche Belastung des Kindes durch eine Befragung in Anwesenheit der Eltern und anderer Beteiligter vermeiden.
- Klarstellung: Gleichzeitig ist dies eine Klarstellung gegenüber der bisherigen Regelung. So ist ein Kind regelmäßig in eigenen Rechten betroffen und daher ein Beteiligter. Deshalb kann es im selben Verfahren nicht auch Zeuge sein.
Eine ausführliche Behandlung dieser Thematik finden Sie in unserer dreiteiligen Interviewreihe mit Herrn Dr. Bahrenfuss, Herausgeber des Berliner Kommentars FamFG:
Die Interviewreihe wird fortgesetzt.
Weiterführende Literatur |
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht