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Arbeitsbedingungen in der Pflege (Dean Mitchell - Fotolia)
Demografischer Wandel

Älteres Personal, ältere Patienten: Herausforderungen in der Altenpflege

Dr. Joachim Bischoff
15.07.2015
Die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen und übermorgen müssen von weniger und älteren Beschäftigten bewältigt werden. Welche Konzepte es in der Pflege dafür gibt, schildert der Beitrag.

Der gegenwärtige demografische Wandel in unserer Republik hat mehrdimensionale Auswirkungen auf  die Beschäftigten in der Altenpflege: Zum einen umfasst er die unaufhaltsam steigende Zahl älterer,  insbesondere auch hochaltriger Menschen. Da diese Menschen zunehmend weniger von Angehörigen versorgt werden – Gründe hierfür  sind unter anderem eine zunehmende  Beteiligung von Frauen an der Erwerbsbevölkerung und die steigende Anzahl von Einpersonenhaushalten – ist ein zunehmender Bedarf an professioneller pflegerischer Versorgung und damit an professionellem Pflegepersonal unausweichlich.

Erhöhter Pflegebedarf – weniger Nachwuchskräfte

So wird ein Anstieg des Bedarfs an professionellem Pflegepersonal bis 2050 um mehr als das Doppelte im Vergleich zu 2010 prognostiziert. Zum anderen führt der demografische Wandel aufgrund immer weniger verfügbarer Nachwuchskräfte auch zu einem Altern der Pflegekräfte im Beruf. Die  Anforderungen der Arbeitswelt von morgen und übermorgen müssen also von weniger und älteren Beschäftigten bewältigt werden.

Nicht nur die Bedürfnisse älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung sind deshalb zukünftig stärker zu berücksichtigen – beispielsweise, indem Arbeit und Arbeitsplätze alter(n)sgerecht gestaltet  werden. Mehr noch: Die Einstellung gegenüber dem Alter verlangt eine grundlegend neue gesellschaftliche Sichtweise: weg von der jugendorientieren Leistungsvorstellung hin zur Anerkennung und Nutzung der Leistungsfähigkeit und der spezifischen Ressourcen älterer Menschen.   

Ältere Pflegekräfte und belastende Arbeitsbedingungen

Pflegekräfte waren schon immer großen berufsspezifischen Belastungen ausgesetzt. Die dargestellten demografischen Veränderungen haben jedoch zur Folge, dass sich die Arbeitsanforderungen verändert  haben. Eine Reihe von  Wissenschaftlern sehen vor allem Belastungen aus physischen und psychischen Beanspruchungen, aus mangelnden  Führungskompetenzen  und  der  damit  verknüpften  Unternehmenskultur  sowie  aus  dem  mit  den  Rationalisierungen verbundenen Zeitdruck in den Pflegeprozessen.

Diesbezüglich wird auch auf belastende Arbeitsbedingungen in der Pflege hingewiesen, die langfristig  diese  Arbeitsplätze unattraktiv machen. Häufig  sind  viele  Pflegekräfte  nicht  nur  wegen körperlicher, sondern  auch  seelischer  Beschwerden  nicht mehr  einsatzfähig. Psychische  Erkrankungen lagen  bei Mitarbeiterinnen  und Mitarbeitern in Altenpflegeeinrichtungen in ihrer Bedeutung  für den Krankenstand  an dritter Stelle hinter Erkrankungen des Muskel- und Skelettapparates und der Atmungsorgane.

Zusammengefasst gibt es folgende Gründe für Arbeitsunfähigkeit in der Pflege:

  • zu viel Arbeit/Zeitdruck,
  • zu wenig Zeit für den einzelnen Klienten/Patienten/Bewohner,
  • häufige Unterbrechungen,
  • mangelnde gesellschaftliche Anerkennung,
  • häufige Überstunden, Schicht- und Nachtarbeit,
  • problematische Beziehungen zu den Vorgesetzten,
  • Belastung durch nörgelnde und aggressive KlientInnen/PatientInnen/BewohnerInnen,
  • Belastung durch eigene lebensgeschichtliche Erfahrungen,
  • Belastung durch Tod der PatientInnen/BewohnerInnen,
  • Rückenbelastung durch Heben und Tragen,
  • Wirbelsäulenbelastung durch Rumpfbeugung/-torsion. 

Sehr treffend wurden auch die besonderen Gefahren für Pflegekräfte, die ja gleichzeitig private Aufgaben erfüllen müssen, beschrieben:

 „Schließlich müssen die Pflegekräfte all diese Anforderungen  auch  noch  mit  ihren privaten  Aufgaben  und Interessen, etwa in Familie und Partnerschaft, in Einklang bringen. Das ist schon wegen Schichtarbeit nicht einfach, es tangiert aber auch die Fähigkeit, sich zu regenerieren und „abzuschalten“, nicht allzu viele Probleme mit nach Hause zu nehmen. Denn dann ist die Gefahr groß, dass sich betriebliche und privat bedingte Stresssituationen auch noch wechselseitig verstärken. Wenn es im Pflegealltag  nicht  gelingt, mit diesen tendenziell widersprüchlichen Anforderungen fertig zu werden, bzw. die damit verbundenen Spannungszustände auszuhalten und auszubalancieren, droht Dauerstress und im Extremfall ein Burn-out. Diese Gefahr scheint schon heute in den Pflegeeinrichtungen allgegenwärtig und sie droht, wenn es zu noch größeren Personalengpässen kommt, noch größer zu werden.“

Für die Verantwortlichen in den Pflegeeinrichtungen ergeben sich daraus zwei Herausforderungen:

a) Sicherung eines leistungsfähigen Personalbestandes durch Kompetenzentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Schaffung von Rahmenbedingungen zum Erhalt der physischen und psychischen Gesundheit über das Berufsleben hinaus.

b)  Steigerung der Attraktivität und Funktionsfähigkeit der Einrichtung durch das Entwickeln von Strategien zur Gewinnung und Bindung von jüngeren und älteren Fachkräften, eine Verbesserung der Arbeitsorganisation und der internen Kommunikation sowie durch ein Etablieren alternsgerechter Führung. 

Handlungsfelder einer demografiefesten Personalpolitik
Konzepte und Strategieansätze für Pflegeeinrichtungen - Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so lange wie möglich erhalten

Welche Möglichkeiten haben Pflegeeinrichtungen, mit den personellen Auswirkungen des demografischen und sozialen Wandels umzugehen? Aus der Praxis gibt es gute Beispiele, wie es möglich ist, die Arbeitsbewältigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Pflege so lange wie möglich zu erhalten. Die Gemeinsamkeit dieser Beispiele liegt darin, über eine systematische Situationsanalyse für die Handlungsfelder

  • Personalführung und Rekrutierung
  • Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung
  • Qualifizierung und Kompetenzentwicklung
  • Führung und Unternehmenskultur sowie
  • Gesundheit und Arbeitsschutz

zielgerichtet und konkret eine Kombination von Maßnahmen bezüglich dieser Handlungsfelder  zu  entwickeln und umzusetzen. Abbildung 1 (s. PDF) verdeutlicht, dass Einzelmaßnahmen allein nicht genügen, die Arbeitsfähigkeit zu fördern.

Personalführung und Rekrutierung

Offene Stellen passgenau zu besetzen, eine nachhaltige Personalentwicklung abzusichern und Personal  auch in schwierigen Zeiten zu halten, ist  für die Unternehmen bereits heute eine zentrale  Erfolgsvoraussetzung. Beispiele für erfolgversprechende Maßnahmen sind die Rekrutierung weiterer Zielgruppen wie Ältere, Berufsrückkehrer/innen, eine Kooperation mit Schulen oder der Aufbau einer  ansprechenden Homepage.

Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung 

Oft entstehen Belastungen aus Defiziten in der Arbeitsorganisation bzw. der Kommunikation oder durch Probleme in der Gestaltung der Dienstpläne. Unnötiger Zeitdruck, Qualitätsverluste oder Konflikte mit unterschiedlichen Personen und Gruppen können die Folge sein. Durch zielgerichtete Analysen können solche Defizite identifiziert und gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.

Qualifizierung und Kompetenzentwicklung

In diesem Handlungsfeld geht es um die Identifizierung vorhandener fachlicher, sozialer, methodischer und personeller Kompetenzen. Weitere Themen sind die Klärung der Voraussetzungen und Bedingungen lebenslangen Lernens in der Pflegeeinrichtung, die Ermöglichung des Lernens am Arbeitsplatz und die Gestaltung und Nutzung adäquater Lernarrangements.

Führung und Unternehmenskultur

Die Motivation der Beschäftigten – insbesondere auch die der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –  und die Klarheit der Vorgaben sowie die Förderung eines Betriebsklimas, in dem Alt und Jung gut zusammenarbeiten, sind entscheidende Führungsaufgaben. Das beginnt bereits bei der eigenen Einstellung zu älteren Pflegekräften. Deshalb sollte auch das Thema „alter(n)sgerechte  Führung“  thematisiert werden.

Gesundheits- und Arbeitsschutz

Erhalt und Entwicklung der Arbeitsfähigkeit über den gesamten Erwerbsverlauf basieren auf einer ganzheitliche Sichtweise vom Menschen mit all seinen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen  Funktionen. Gemäß § 5  Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für  die Beschäftigten mit  ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (Gefährdungsbeurteilung).

Durch eine regelmäßige Überprüfung der Anforderungen und Belastungen können gezielt Arbeitsplätze und Tätigkeiten ergonomisch und alter(n)sgerecht gestaltet werden. Grundlage dafür stellt die  Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) dar.

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

Gesunde und motivierte Pflegekräfte sind die Grundlage, um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen. Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) gibt dazu eine wirksame inhaltliche und methodische Anleitung. Sie hat das Ziel, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen abgestimmten  und  systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz – ergänzt  durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung – zu  erhalten, zu verbessern und nachhaltig zu fördern.

Mit einer Analyse des Ist-Stands (Gefährdungen ermitteln) können bereits entscheidende Fragen aufgegriffen und beantwortet werden:

  • Wie und wodurch sind besonders die älteren und älter werdenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belastet und gefährdet?
  • Wie gut ist Ihr Pflegebetrieb mit Ihrem Personal für die nahe und mittlere Zukunft gerüstet?
  • Wie tragfähig und dauerhaft leistungsfähig ist jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter, sind die Teams und die gesamte Belegschaft?

 

Mehr zum Thema 

Dieser Beitrag stammt aus dem Buch Pflege - Erfolgsfaktor Arbeits- und Gesundheitsschutz

Im Bereich der Pflege hat der Gesundheitsschutz eine größere Dimension angenommen, denn wie in kaum einem anderen Arbeitsbereich sind hier die gesundheitlichen Beeinträchtigungen vielschichtiger und komplexer geworden. Für Führungskräfte im Pflegebereich gilt es, diese Herausforderungen zu bewältigen. Das vorliegende Buch versteht sich als unterstützende kompakte Handlungshilfe für die ambulante und stationäre Pflege. Anhand von 23 Fallbeispielen werden konkrete Anleitungen für einen besseren Gesundheitsschutz vorgestellt. Diese entsprechen dem neuesten Erkenntnisstand sowie den Bedürfnissen in der Pflege. 

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