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Kommunikation beim BEM wichtig (Foto: Zsolt Nyulaszi)
Betriebliches Eingliederungsmanagement

10 Antworten zum Thema BEM

Redaktion
02.09.2015
Häufig oder langfristig erkrankte Arbeitnehmer? Das BEM-Verfahren umfasst die Klärung betrieblicher Ursachen der Arbeitsunfähigkeit bis hin zur Prävention erneuter Arbeitsunfähigkeit. Hier die wichtigsten Antworten zum Thema.
10 Fragen samt Antworten zum Thema BEM - was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen müssen!

1. Was ist BEM?

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein strukturiertes, transparentes und systematisches Verfahren im Umgang mit langfristig erkrankten Mitarbeitern.

Im engeren Sinne ist das BEM die konkrete Wiedereingliederung eines arbeitsunfähigen Mitarbeiters in die Arbeit (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).
Im weiteren Sinne stellt das BEM ein „ergebnisoffenes, rechtlich strukturiertes Verfahren zur Schaffung von Transparenz über die Ursachen lang andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und das gesamte Spektrum möglicher Abhilfemaßnahmen, einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen und Hilfen“ dar, also mit anderen Worten ein betriebliches System, um die Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen. In diesem weiteren Sinne wird das BEM beispielsweise in § 84 Abs. 3 SGB IX verwandt.

2. Was ist das Ziel von BEM?

BEM hat zum Ziel
  • Arbeitsunfähigkeit zu überwinden,
  • erneuter Arbeitunfähigkeit vorzubeugen und
  • den Arbeitsplatz der/des Betroffenen zu erhalten

 3. Was ist die juristische Basis?

Mit § 84 Absatz 2 SGB IX  sind der Gesundheitsvorsorge und der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz vor allem angesichts des demografischen Wandels in Deutschland ein höherer Stellenwert eingeräumt worden. Die Einführung eines BEM wird als vorbeugend wirksame Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für erkrankte Mitarbeiter verstanden. Der Arbeitgeber sollte z.B. nicht erst nach drei Monaten  ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters handeln, sondern wesentlich früher.

4. Für wen ist BEM?

BEM muss allen Beschäftigten angeboten werden, die innerhalb der letzten 12 Monate länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren; unabhängig davon, ob die Fehlzeit ununterbrochen oder durch mehrere Krankheitsphasen entstanden ist. Zu beachten ist hierbei, dass BEM nur mit Zustimmung der/des Betroffenen durchgeführt werden darf. Der Arbeitgeber ist aber in der Rechtspflicht zur Durchführung. Die Betriebsgröße ist dabei nicht erheblich: Auch der Arbeitgeber, für dessen Kleinbetrieb das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt oder in dessen Betrieb eine betriebliche Interessenvertretung gar nicht besteht, hat ein BEM durchzuführen. Auch Arbeitnehmer in der Probezeit oder befristet Beschäftigte können die Durchführung des BEM verlangen. Geschützt sind daher auch Arbeitnehmer in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen.

Bei der wiederholten Arbeitsunfähigkeit  kommt  es  für  die  Berechnung  der  6-Wochen-Frist  nicht  darauf an,  welche  Ursachen  zu  der  Arbeitsunfähigkeit  geführt  haben,  also,  ob  immer  die gleiche oder ganz unterschiedliche Erkrankungen existieren. Einerseits können ganz unterschiedliche  Symptome  eine  gemeinsame  physische  oder  psychische  Ursache haben.  Andererseits  ist  der  Arbeitgeber  nicht  immer  über  die  Art  der  Erkrankung informiert.

5. Wie sieht der BEM-Prozess aus?

Der Gesetzgeber hat nicht vorgeschrieben, wie das BEM konkret umgesetzt wird. Es ist sinnvoll, einen systematischen und für alle Beteiligten transparenten Prozess festzulegen. Die praktische Umsetzung des BEM Prozesses kann sich hierbei in acht Schritte gliedern:

1. Fehlzeiten analysieren
2. Dem Mitarbeiter ein Gesprächsangebot machen
3. BEM Berater führt ein Erstgespräch mit dem Mitarbeiter
4. Leistungsprofil des Mitarbeiters erstellen
5. Individuelle Ziele für den BEM-Prozess festlegen
6. Maßnahmen zur Eingliederung durchführen
7. Wirksamkeit des BEM prüfen
8. Evaluation und Transfer


6. Wer ist beteiligt?

Der Gesetzgeber hat vorgeschrieben, welche betrieblichen Akteuere notwendigerweise einzubinden sind: Dies sind die betriebliche Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung, Betriebsvertretung usw.) und bei schwerbehinderten Menschen auch noch die Schwerbehindertenvertretung.


7. Wass muss der Arbeitnehmer wissen?

Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist die Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters. Es gilt der Grundsatz „Nichts ohne uns über uns“; der betroffene Mitarbeiter  ist  in  jeder  Phase  des  BEM  Herr  des  Verfahrens.  Daher  ist  er z.B. darüber zu informieren, warum der Arbeitgeber nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit an ihn herantritt, welches Ziel dies hat und wer in dem Verfahren beteiligt werden  soll.  Vor  jedem  weiteren  Schritt  ist  grundsätzlich  seine  ausdrückliche  Zustimmung einzuholen. Die Zustimmung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden; sie  könnte  also  auch  mündlich  erfolgen.  Aus  Beweisgründen  und  zu  Dokumentationszwecken sollte die Zustimmung schriftlich erfolgen.

Der betroffene Mitarbeiter  kann seine Zustimmung jederzeit zurückziehen oder auch erst später erteilen. In diesem Fall trägt er jedoch das Risiko, wenn bestimmte Maßnahmen  nicht  mehr  umgesetzt  werden  können  oder  der  Arbeitgeber, insbesondere nach  Ausspruch  einer  krankheitsbedingten  Kündigung,  kein  Interesse  mehr  an  der Durchführung eines BEM hat.

8. Welche Maßnahmen können getroffen werden?

Betriebsinterne Maßnahmen wie z.B. 

  • Erstellung eines Anforderungsprofils für den Arbeitsplatz des betroffenen Mitarbeiters 
  • Fertigung eines Fähigkeits- und Leistungsprofils des betroffenen Mitarbeiters
  • Arbeitsplatzanpassung
  • Verbesserung der technischen Arbeitsausstattung
  • Reduzierung der Arbeitsbelastung/Arbeitszeit
  • Organisation eines Arbeitsversuches
  • Umsetzen auf einen anderen Arbeitsplatz
  • Ausschalten krankmachender Faktoren auf dem bisherigen Arbeitsplatz 
  • Außerbetriebliche Maßnahmen wie z.B. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation mit den zuständigen Leistungsträgern.


9. Wer profitiert vom BEM?

Erfahrungen zeigen, dass vom BEM alle Beteiligten profitieren:

  • Arbeitnehmer,  indem  ihre  Arbeitsunfähigkeit  überwunden  und  ihre  Beschäftigungsfähigkeit erhalten  und  gesichert  werden; 
  • Arbeitgeber,  indem  ihnen  langfristig  qualifizierte Mitarbeiterinnen  und  Mitarbeiter   mit  ihrem  Know-how  erhalten  bleiben  und  die  Kosten  für  die  Lohnfortzahlung  im  Krankheitsfall  (insgesamt  rund  30  Milliarden Euro) reduziert werden;
  • Rehabilitationsträger, indem diese ihre Leistungen effektiver einbringen können und damit zusammenhängend zur Stabilisierung ihrer Finanzen langfristig sozialverscherungspflichtige  Beschäftigungsverhältnisse erhalten bleiben.


10. Wie sieht die stufenweise Wiedereingliederung aus?

Voraussetzungen

  • Es besteht noch der Krankengeldanspruch (Blockfrist).
  • Der Versicherte ist mit der Maßnahme einverstanden.
  • Der Arzt stellt einen Wiedereingliederungsplan auf.
  • Der Arbeitgeber erklärt sich mit der Maßnahme einverstanden.
  • Der Versicherte wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt.
  • Der Arbeitnehmer ist während der Maßnahme weiterhin arbeitsunfähig.

Dauer
Abhängig von den individuellen gesundheitlichen Belastungen des Arbeitnehmers. Zwischen 6 Wochen und 6 Monaten möglich.

Rahmenbedingungen
• Jeder Beteiligte kann die Stufenweise Wiedereingliederung anregen.
• Nach dem Auslaufen der Entgeltfortzahlung besteht Anspruch auf Krankengeld.


Literaturempfehlungen

Lesen Sie mehr zum Thema BEM beim ESV:

Zeitschriftenbeiträge auf Arbeitsschutzdigital.de

Bücher:

BAuA
Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung

Erfahrungen und Empfehlungen

Das vorliegende Fachbuch vermittelt dazu Erfahrungen und Empfehlungen, die auf der Basis eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erarbeitet wurden. Dargestellt werden fachlich angemessene und praktikable Vorgehensweisen unter Berücksichtigung aller Schritte der Gefährdungsbeurteilung: Von der Ermittlung und Beurteilung der psychischen Belastung bis hin zur Entwicklung, Umsetzung und Wirksamkeitskontrolle von Gestaltungsmaßnahmen. Beispiele „Guter Praxis“ machen anschaulich, wie einzelne Unternehmen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung umgesetzt haben. Darstellungen von Methoden sowie Porträts beispielhaft ausgewählter Instrumente und Verfahren vermitteln einen Eindruck davon, wie psychische Belastungen der Arbeit ermittelt und beurteilt werden können. Grundsätzliche Hinweise und Empfehlungen bieten bei der Planung und Organisation der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung Orientierung.



Poppelreuter/Mierke
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Ursachen – Auswirkungen – Handlungsmöglichkeiten

Das vorliegende Buch stellt Ihnen in kompakter Form psychische Belastungen am Arbeitsplatz in ihrer Entstehung und in ihren Auswirkungen dar. Umgebungsbedingte Belastungsfaktoren wie das Sick-Building-Syndrom oder Lärm werden dabei ebenso thematisiert wie zwischenmenschliche Schwierigkeiten durch Konflikte oder Störungen der Work-Life-Balance. Vertiefend wird auf Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sowie auf die besonderen emotionalen Belastungsphänomene Burnout und Arbeitssucht eingegangen.


Lepke
Kündigung bei Krankheit
Handbuch für die betriebliche, anwaltliche und gerichtliche Praxis

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Krankheiten Ihrer Mitarbeiter stellen Sie und Ihr Unternehmen häufig vor akute organisatorische und wirtschaftliche Probleme. Sind die Kosten für Ausfalltage in Ihrem Unternehmen nach wie vor zu hoch? Gestaltet sich die Überbrückung der Ausfalltage zunehmend schwieriger? Dann bleibt als letzte Konsequenz oft nur die Kündigung. Aber: Wie weit reicht Ihr Handlungsspielraum? Welche gesetzlichen Schranken sind zu berücksichtigen?

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Programmbereich: Arbeitsschutz