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Ein Netzengpass kann bei Anlagen zur erneuerbaren Energien Schadensersatzansprüche auslösen (Foto: Milton Oswald / stock.adobe.com)
Einspeisemanagement

BGH zum Vorliegen eines Netzengpasses

ESV-Redaktion Recht
03.06.2020
Der Begriff der Netzengpasses ist nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Voraussetzung für Schadensersatzansprüche. In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof nun klargestellt, welche Voraussetzungen für das Vorliegen eines Netzengpasses erfüllt sein müssen.
Die Klägerin betreibt sechs Windenergieanlagen mit automatischem Abschaltmechanismus, die Strom in ein Verteilernetz der Beklagten einspeisen. Im Zeitraum März 2014 bis November 2016 trennte die Beklagte einzelne Leitungen und einen Transformator aufgrund von Reparatur-, Wartungs-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen mehrfach für jeweils einige Stunden vom Verteilernetz. Infolgedessen überlastete sich der verbleibende Transformator, was zu einer vorübergehenden automatischen Trennung der Windenergieanlagen der Klägerin führte. Die Klägerin verlangt Entschädigung für den während der Trennungszeiten nicht abgenommenen Strom sowie Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen für die Wiederinbetriebnahme der Anlagen.

Die Vorinstanzen hatten das Vorliegen eines Netzengpasses und damit eine Entschädigungspflicht gemäß EEG verneint, soweit die Unterbrechung der Stromeinspeisung aufgrund von Reparatur-, Wartungs-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen erfolgt war. Die Sache landete schießlich vor dem BGH.

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BGH: Reparatur-, Wartungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen schließen entschädigungspflichtigen Netzengpass nicht aus

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Zur  Begründung führten die Karlsruher Richter Folgendes aus:
  • Netzengpass: Ein Netzengpass gemäß § 12 Absatz 1 EEG 2012 bzw. § 15 Absatz 1 EEG 2014 liegt vor, wenn das Stromnetz insgesamt oder Teile davon – wie beispielsweise Leitungen oder Transformatoren – überlastet sind oder eine Überlastung droht und es daher nicht mehr sicher betrieben werden könne. Der Begriff Netzengpass beschreibt einen bestimmen Zustand, in dem mehr Strom in einen betroffenen Bereich eingespeist wird, als das Stromnetz aufnehmen oder transportieren kann.
  • Enpass auch bei vorübergehender Netz-Einschränkung: Ein Entschädigungsanspruch besteht dem BGH zufolge auch dann, wenn der Engpass dadurch verursacht worden ist, dass die Kapazität des betroffenen Netzbereichs vorübergehend eingeschränkt ist, weil ein zugehöriges Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung steht.

Nicht jede Einschränkung ist ein Netzengpass

Allerdings ist nicht bei jeder Trennung von Anlage und Stromnetz und einer damit verbundenen Einspeiseunterbrechung eine durch einen Netzengpass bedingte Reduzierung der Stromeinspeisung zu bejahen. Die nur für die Erneuerbare-Energien-Anlagen angeordnete Entschädigungspflicht soll nämlich für den Netzbetreiber einen Anreiz setzen, bei Netzengpässen möglichst primär die Zufuhr von Strom aus konventionellen Kraftwerken zu drosseln. Für einen Netzengpass sind dem BHG zufolge daher die weiteren Aspekte zu berücksichtigen:
  • Auswahlentscheidung des Netzbetreibers: Jede bei einem drohenden Netzengpass vorzunehmende Maßnahme des Einspeisemanagements erfordert eine Auswahlentscheidung des Netzbetreibers zwischen den einspeisewilligen Anlagen, die an sein Netz angeschlossenen sind.
  • Kein Engpass, wenn keine Auswahl möglich: Ein Netzengpass liegt also nicht vor, wenn die zur Einspeisung in das Netz erforderliche Netzkomponente vorübergehend für niemanden zur Verfügung steht. In diesem Fall ist nämlich keine Auswahl möglich.
  • Ursache unerheblich: Ob die Einspeiseunterbrechung ihre Ursache in Reparatur-, Wartungs-, Instandhaltungsmaßnahmen hat oder aus sonstigen Gründen erfolgt, ist unerheblich.

Weitere Sachverhaltsaufklärung durch Berufungsgericht

Die Berufungsinstanz muss den Sachverhalt nun nach den obigen Kriterien nun weiter aufklären. Dabei hat sie die folgenden Vorgaben des BGH berücksichtigen: 
  • Darlegungs- und Beweislast für Netzengpass grundsätzlich beim Anspruchsteller: Die Beweislast dafür, dass Regelungsmaßnahme des Netzbetreibers auf einem drohenden Netzengpass beruht, liegt beim Anspruchsteller – also hier beim Betreiber der Windenergieanlagen.
  • Sekundäre Darlegungslast beim Netzbetreiber: Wurde aber – wie im Streitfall – die Stromerzeugungsanlage vollständig vom Netz getrennt und kennt der Stromerzeuger die Gründe hierfür nicht, muss der Netzbetreiber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast Angaben dazu machen, ob im fraglichen Zeitraum Strom in den betreffenden Netzabschnitt eingespeist wurde.
Im Wortlaut: § 15 Absatz 1 EEG 2014
(1) Wird die Einspeisung von Strom aus einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 14 Absatz 1 reduziert, muss der Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, die von der Maßnahme betroffenen Betreiber abweichend von § 13 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen entschädigen. Übersteigen die entgangenen Einnahmen nach Satz 1 in einem Jahr 1 Prozent der Einnahmen dieses Jahres, sind die von der Regelung betroffenen Betreiber ab diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent zu entschädigen. Der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für die Regelung nach § 14 liegt, muss dem Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, die Kosten für die Entschädigung ersetzen.“
§ 12 Absatz 1 EEG 2012
(1) Wird die Einspeisung von Strom aus Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung wegen eines Netzengpasses im Sinne von § 11 Absatz 1 reduziert, sind die von der Maßnahme betroffenen Betreiberinnen und Betreiber abweichend von § 13 Absatz 4 des Energiewirtschaftsgesetzes für 95 Prozent der entgangenen Einnahmen zuzüglich der zusätzlichen Aufwendungen und abzüglich der ersparten Aufwendungen zu entschädigen. Übersteigen die entgangenen Einnahmen nach Satz 1 in einem Jahr 1 Prozent der Einnahmen dieses Jahres, sind die von der Regelung betroffenen Betreiberinnen und Betreiber ab diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent zu entschädigen. Der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für die Regelung nach § 11 liegt, hat die Kosten der Entschädigung zu tragen. Gegenüber den betroffenen Betreiberinnen und Betreibern haftet er gesamtschuldnerisch mit dem Netzbetreiber, an des
 

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Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Februar 2020 – XIII ZR 27/19

(ESV/cw)

Programmbereich: Energierecht