BVerwG: Umweltverbände sind bei Verlängerungsentscheidungen im Immissionsschutzrecht klagebefugt
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg hatte zwar die entsprechende ursprüngliche Genehmigung des Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wegen einer fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Allerdings bemüht sich die beigeladene Betreiberin um die Nachholung dieser Prüfung. Der Genehmigungsbescheid sah eine Frist zur Inbetriebnahme der Anlage bis Anfang 2016 vor. Diese Frist wurde zweimal verlängert – und zwar zuletzt bis zum 31.1.2020.
Klägerin: Zweite Fristverlängerung rechtswidrig
Gegen die zweite Fristverlängerung wendeten sich die beiden Umweltverbände mit einer Anfechtungsklage. Allerdings hat das OVG diese Klage wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Hiergegen zogen die Klägerinnen mit einer Revision vor das BVerwG.Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden! |
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BVerwG: Fristverlängerung betrifft auch Umweltschutznormen
Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Nach Auffassung des 7. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die Klagebefugnis aus § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) in der Gesamtschau mit Art. 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention. Den Leipziger Richtern zufolge ist die benannte Norm im Sinne des UmwRG weit auszulegen. Das heißt, sie muss so weit wie möglich in Einklang mit den Zielen der Aarhus-Konvention stehen. Die weiteren wesentlichen Erwägungsgründe des Senats:- Prinzipieller Zugang von Verbänden: Nach Art. 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention ist Umweltschutzvereinigungen grundsätzlich Zugang zu den Gerichten zu einzuräumen, soweit diese die Verletzung von umweltschutzbezogenen Vorschriften geltend machen.
- Verlängerungsentscheidung betrifft auch Bestimmungen des Umweltschutzes: Die Voraussetzungen für die hier umstrittene Verlängerungsentscheidung sind nach Meinung der Leipziger Richter auch nicht nur formeller Natur. Vielmehr sind summarisch auch umweltschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten.
Im Wortlaut: § 1 Absatz 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz |
Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen: (…) 5. Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und (…). |
Im Wortlaut: Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention: Zugang zu Gerichten |
(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, daß Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. (...) |
Quelle: PM des BVerwG vom 19.12.2019 zum Urteil vom selben Tag – 7 C 28.18
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(ESV/bp)
Programmbereich: Umweltrecht und Umweltschutz