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BVerwG: Umweltverbände sind auch bei Immissionsschutzangelegenheiten klagebefugt (Foto: MQ-Illustrations / stock.adobe.com)
Klagbefugnis von Umweltverbänden

BVerwG: Umweltverbände sind bei Verlängerungsentscheidungen im Immissionsschutzrecht klagebefugt

ESV-Redaktion Recht
02.01.2020
Können Umweltschutzvereinigungen immissionsschutzrechtliche Entscheidungen, die eine Frist zur Errichtung oder Inbetriebnahme einer Anlage verlängern, gerichtlich anfechten? Hierzu hat sich der 7. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aktuell geäußert.
In dem Streitfall hatten sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. gegen die Vergrößerung einer Hähnchenmastanlage der beigeladenen Betreiberin gewendet. Die Anlage mit ursprünglich 39.900 Tierplätzen sollte auf 173.200 Plätze erweitert werden.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg hatte zwar die entsprechende ursprüngliche Genehmigung des Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wegen einer fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Allerdings bemüht sich die beigeladene Betreiberin um die Nachholung dieser Prüfung. Der Genehmigungsbescheid sah eine Frist zur Inbetriebnahme der Anlage bis Anfang 2016 vor. Diese Frist wurde zweimal verlängert – und zwar zuletzt bis zum 31.1.2020.

Klägerin: Zweite Fristverlängerung rechtswidrig

Gegen die zweite Fristverlängerung wendeten sich die beiden Umweltverbände mit einer Anfechtungsklage. Allerdings hat das OVG diese Klage wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Hiergegen zogen die Klägerinnen mit einer Revision vor das BVerwG.

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BVerwG: Fristverlängerung betrifft auch Umweltschutznormen

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Nach Auffassung des  7. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die Klagebefugnis aus § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) in der Gesamtschau mit Art. 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention. Den Leipziger Richtern zufolge ist die benannte Norm im Sinne des UmwRG weit auszulegen. Das heißt, sie muss so weit wie möglich in Einklang mit den Zielen der Aarhus-Konvention stehen. Die weiteren wesentlichen Erwägungsgründe des Senats:
  • Prinzipieller Zugang von Verbänden: Nach Art. 9 Absatz 3 der Aarhus-Konvention ist Umweltschutzvereinigungen grundsätzlich Zugang zu den Gerichten zu einzuräumen, soweit diese die Verletzung von umweltschutzbezogenen Vorschriften geltend machen.
  • Verlängerungsentscheidung betrifft auch Bestimmungen des Umweltschutzes: Die Voraussetzungen für die hier umstrittene Verlängerungsentscheidung sind nach Meinung der Leipziger Richter auch nicht nur formeller Natur. Vielmehr sind summarisch auch umweltschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten.
Somit wird auch diese Fallgruppe von der genannten Klagemöglichkeit erfasst. Abschließend konnte der 7. Senat des BVerwG die Sache aber nicht entscheiden, denn die Vorinstanz hatte die Begründetheit der Klage gar nicht geprüft. Daher hat das BVerwG die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Wortlaut: § 1 Absatz 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen: 

(…) 

5. Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und (…).
Im Wortlaut: Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Konvention: Zugang zu Gerichten
(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, daß Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. (...)

Quelle: PM des BVerwG vom 19.12.2019 zum Urteil vom selben Tag – 7 C 28.18

 

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(ESV/bp)

Programmbereich: Umweltrecht und Umweltschutz