Entstehung, Prävention und Aufdeckung von Bilanzdelikten
Der Autor definiert Bilanzdelikte als strafbare Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, dass der Jahresabschluss eines Unternehmens nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Diese Verstöße werden vorsätzlich vorgenommen, sodass sie nicht mit Bilanzfehlern zu verwechseln sind. Außerdem führt der Autor zutreffend aus, dass auch das Konzept des Jahresabschlusses, zum Beispiel bei der Schätzung von Zukunftserwartungen, dazu führt, dass ein und derselbe Sachverhalt von zwei Unternehmen unter Einhaltung der Regeln des Bilanzrechts unterschiedlich dargestellt werden kann. Hierbei ist aber die vom Autor gesetzte Schwelle zum Bilanzdelikt nicht überschritten, da sich alle Darstellungen innerhalb des gesetzlich zulässigen Rahmens bewegen. Bei den Delikten wird zwischen primären und sekundären Handlungen unterschieden. Sekundäre Delikte sollen dolose Handlungen (zum Beispiel die Unterschlagung von Fertigprodukten aus dem Lagerbestand) verschleiern. Die verfälschte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wird dabei billigend in Kauf genommen. Dies ist bei den primären Delikten anders. Ihr Ziel ist es, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage falsch darzustellen, zum Beispiel, um Gläubiger zu überzeugen, Mittel im Unternehmen zu lassen oder um steigende Aktienkurse zu erzielen. Damit es sich tatsächlich um ein Bilanzdelikt handelt, muss die Verfälschung wesentlich sein, das heißt, ein Bilanzadressat muss seine Entscheidung durch die verfälschte Darstellung anders getroffen haben als ohne die falsche Darstellung. Hierzu zitiert das Buch quantitative Kriterien aus den gängigen deutschen Bilanzkommentaren: Wesentlichkeit wird angenommen, wenn der Jahresüberschuss um mehr als zehn Prozent, das Vorsteuerergebnis um mehr als fünf Prozent oder die Bilanzsumme um mehr als fünf Prozent verfälscht sind. Relativ knapp behandelt der Autor die potenziellen Täter. Hierzu gibt es jedoch vielfältige Erkenntnisse in der Literatur, die gut hätten gewürdigt werden können, zum Beispiel zu Taten des Managements und der besonderen Situation durch die notwendige Zusammenarbeit von mehreren Personen beim Bilanzbetrug. Hier werden lediglich Studien zitiert, die – nicht erstaunlich – zeigen, dass nur elf Prozent der Täter bei Bilanzdelikten nicht aus dem Management stammen.
Eindrücklich sind die Zahlenbeispiele, die verdeutlichen, wie zukunftsorientierte Rechnungen etwa die Goodwill-Bewertung nach dem Fair Value Möglichkeiten und Spielräume eröffnen. Hier muss allerdings auf die Grauzone zwischen erlaubter Bilanzpolitik, unbewussten Fehler und tatsächlichem Bilanzdelikt hingewiesen werden. Gut sind auch die Hinweise zur sich entwickelnden Dynamik bei einem Bilanzdelikt. Die Achillesferse jedes Bilanzdelikts sind die liquiden Mittel. Um die Ansprüche beispielsweise der Investoren zu befriedigen, müssen irgendwann Mittel ausgeschüttet werden. Dies kann dann nur mit der Aufnahme von Fremdkapital gelingen, da die Gewinne ja tatsächlich nicht erwirtschaftet worden sind.
Die beschriebenen Präventionsmaßnahmen entsprechen den klassischen Elementen von Compliance-Management-Systemen. Dies gilt auch für die Techniken, die zur Aufdeckung von Bilanzdelikten vorgestellt werden. Hier werden zum Beispiel statistische Methoden, wie das Benfordsche Gesetz oder musterbasierte Verfahren, diskutiert. Dies ist eine gute Zusammenfassung für Praktiker, die sich mit den forensischen Methoden vertraut machen wollen. Im Anhang stellt der Autor dann die einzelnen Verfahren zur Prävention und Aufdeckung den verschiedenen Bilanzpositionen gegenüber. Damit erhalten Praktiker eine gute Grundlage für ihre Arbeit. Insgesamt ein lesenswertes Buch mit vielen wertvollen praktischen Hinweisen.
Prof. Dr. Stefan Behringer, Hochschule Luzern
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Ausgabe 4/2022
Programmbereich: Management und Wirtschaft