Gewalt gegen Rettungsdienstkräfte im Einsatz
Was ist Gewalt am Arbeitsplatz?
Nach einer Definition der International Labour Organization (ILO) wird Gewalt am Arbeitsplatz als Vorkommnis beschrieben, bei denen Beschäftigte unter Umständen, die einen Bezug zur Arbeit haben, verbal oder tätlich angegriffen werden, sodass direkt oder indirekt ihre Gesundheit, ihre Sicherheit oder ihr Wohlbefinden gefährdet wird [3].Jeder Mensch erlebt Gewalt jedoch anders und definiert persönliche Grenzen. Was für den einen als grobe Gewalt gilt, findet ein anderer harmlos oder fast schon normal. Insofern ist das Empfinden von Gewalt auch Ausdruck persönlicher Bewertungsprozesse.
Gewalt im Rettungsdienst
Das Problem der Gewalt im Rettungsdienst wurde in Deutschland in der Vergangenheit nicht hinreichend wissenschaftlich untersucht [1, 15]. Bislang gab es für Deutschland nur einzelne Untersuchungen, die nicht repräsentativ waren. Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen hatte deshalb eine Studie zur Sammlung und Analyse von Daten zur Gewalt gegen medizinisches Rettungsdienstpersonal bei der Ruhr-Universität Bochum in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden 2012 veröffentlicht. Ziel der Befragung war es, das tatsächliche Ausmaß der Gefährdung durch Gewalt im Rettungsdienst genauer zu ermitteln und eine wissenschaftliche Basis für eine zielgerichtete Prävention und für den Schutz der Rettungsdienstmitarbeiter zu schaffen.Übergriffe im Rettungsdienst können entweder in Form von verbaler Gewalt (z.B. Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen) oder in Form von gewalttätigen Übergriffen (z.B. Bedrohung mit Waffen, körperliche Angriffe, Wegstoßen, Umherschlagen, Beschädigung von Ausrüstungsgegenständen, Autoaggression) stattfinden [1, 8, 14, 15]. Beide Formen sind meistens von starken Emotionen wie Angst, Wut, Hass, Panik oder Verzweiflung begleitet. Im Gegensatz zu Krankenhäusern kann im Rettungsdienst der Aggressor nicht nur ein Patient oder Angehöriger sein. Neben Unbeteiligten wie Ersthelfer und Zuschauer werden auch Verkehrsteilnehmer von den Rettungskräften als Aggressoren empfunden. [1] Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass tätliche Angriffe überwiegend von Patienten, Verbalattacken hingegen vorrangig vom Umfeld des Patienten oder anderen Beteiligten ausgehen [5].
98 % aller Rettungskräfte sind schon einmal mit verbaler Gewalt konfrontiert worden. Mehr als 50 % sind schon einmal Opfer eines gewalttätigen Übergriffes geworden [6, 15]. Tätliche Angriffe sind demnach zwar die Ausnahme, aber sie gehören zu den Erfahrungen, die Rettungsdienstmitarbeiter im Laufe ihrer Berufstätigkeit machen.
Die häufigste Form eines gewalttätigen Übergriffs im Rettungsdienst stellen das Schlagen/Treten und Wegschubsen dar. In mehr als 70 % der Fälle ist der Patient der Aggressor [15]. In über 52 % der Einsatzsituationen erfolgt der Übergriff während der Diagnose, sodass der Übergriff eines Patienten als eine Art Abwehrreaktion gegen die Durchführung einer medizinischen Maßnahme angesehen werden kann. Nicht selten muss der Rettungsdienst zur Untersuchung und Versorgung eines Patienten in dessen unmittelbare Intimsphäre eindringen. Zuweilen kann auch die uniformartige Einsatzkleidung der Rettungsdienstmitarbeiter bei einigen erkrankten oder verletzten Patienten und deren Angehörige ein Gefühl der Unsicherheit und des Ausgeliefertseins auslösen [1]. In der Regel handelt es sich also nicht um gezielte Angriffe und Gewalttaten. Vielmehr stellt der Einsatz des Rettungsdienstes für die Patienten eine Ausnahmesituation dar, sodass viele der Behandelten nicht verstehen, was in dieser Situation mit ihnen geschieht.
Grundsätzlich zeigt sich, dass jeder Rettungsdienstmitarbeiter jederzeit direkt oder indirekt in einen gewalttätigen Übergriff involviert werden kann. Es gibt weder Ort, Tageszeit noch eine Personengruppe, die eine Art Garantie für einen konfliktfreien Einsatz bieten. Verschiedene Untersuchungen konnten belegen, dass der Aggressor jedoch in fast 90 % der Fälle männlich ist – überwiegend in der Altersgruppe der 20 bis 40-jährigen [4, 14, 15). Aggressive Vorfälle im Rettungsdienst gibt es in ganz Deutschland, allerdings zeigen sich deutlich regionale Unterschiede, die ein Stadt-Land-Gefälle sichtbar machen. Tätliche Angriffe sind vor allem ein Problem der Großstädte [5, 15].
Gewalt und Aggressivität sind unspezifische Symptome und können Folge einer Vielzahl unterschiedlicher körperlicher oder psychischer Störungen sein (Tab. 1). Sie sind – vor allem im medizinischen Bereich – nicht immer Ausdruck einer gewalttätigen Neigung einer Person.
| Ursachen | Beispiele |
| Psychisch |
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| Neurologisch |
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| Internistisch |
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| Pharmakologisch |
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Tab. 1 Ursachen aggressiven Verhaltens
Mit der Studie der Ruhr-Universität Bochum konnte auch das Vorurteil widerlegt werden, dass es vor allem im Umfeld von Volksfesten, Demonstrationen, Sport- und Großveranstaltungen zu Gewalthandlungen kommt. Gewalttätige Übergriffe finden sowohl im privaten (45 %) als auch im öffentlichen Raum (49 %) statt. Mit nur 6 % der gewalttätigen Übergriffe kann der gewerbliche Raum als weitestgehend sicher bezeichnet werden.
Maßnahmen im Umgang mit Gewalt
Um die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Übergriffes zu verringern, kommen im Allgemeinen verschiedene Arbeitsschutzmaßnahmen (z.B. baulicher Art) in Betracht. Für Rettungskräfte sind viele dieser Standardmaßnahmen natürlich im Einsatz keine Lösung [10]. Sie müssen andere Verhaltensstrategien anwenden, die der Art ihrer Tätigkeit angepasst sind. Für den Rettungsdienst wichtige Verhaltensstrategien können vereinfacht in einer Verhaltenspyramide dargestellt werden. Je weiter von der Basis entfernt, desto mehr wandeln sich die präventiven zu reaktiven Maßnahmen.
1. Frühwarnsignale beachten
Je besser die Rettungskräfte einen direkten oder indirekten Hinweis auf Aggressionspotenziale erhalten, desto besser sind sie vorbereitet und können sich schützen. Aggressives Verhalten kündigt sich häufig über folgende verschiedene Frühwarnzeichen an [16]:
- Hinweis der Leitstelle, der Polizei oder sonstiger Personen
- feindselige Grundstimmung
- drohende Körperhaltung oder Gestik
- verbale Bedrohung oder Beschimpfung
- gesteigerte Tonhöhe und Lautstärke
- Einsatz an sozialen Brennpunkten
- sichtbarer Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch
2. Eigen- und Kameradensicherung
Bislang verfügbare Gewaltanalysen zeigen, dass Einsatzkräfte immer dann zum Opfer von gewalttätigen Übergriffen wurden, wenn sie die Grundsätze der Eigen- und Kameradensicherung nicht oder nur nachlässig befolgten. Dies gilt auch für die Sicherung des Ausrüstungsmaterials und der Einsatzfahrzeuge [4]. Liegen entsprechende Frühwarnzeichen vor oder einfach nur ein ungutes „Bauchgefühl“, sollten Rettungskräfte einen Teil ihrer Aufmerksamkeit auch dem Umfeld widmen, um sich bei Gefahrenlagen schnell schützen zu können.
Auch die aufmerksame Beobachtung des Patienten dient sowohl dem Eigen- und Kameradenschutz als auch dem Schutz des Patienten und anderer Beteiligter, denn Patienten können plötzlich und unerwartet massiv gewalttätig werden. Das Rettungsdienstpersonal sollte daher auch immer darauf achten, nach Möglichkeit immer einen Fluchtweg für sich selbst und den Aggressor freizuhalten [1, 13].
3. Verbesserte Patienten- und Angehörigeninformation
Diagnostische oder therapeutische Maßnahmen werden von Patienten nicht selten aus Angst abgelehnt bzw. gewalttätig abgewehrt. Verstärkt wird dieses Problem durch die vom Rettungsdienst verwendete Fachsprache und den damit als unangenehm empfundenen Informationsmangel von Patienten und Angehörigen [1].
Hieraus resultiert die Notwendigkeit, dass die Rettungsdienstmitarbeiter die beabsichtigten Maßnahmen mit einfachen Worten und verständnisvoll erläutern, um Vertrauen zu schaffen. Der Patient muss von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugt werden und erkennen, dass er davon profitiert. Viele Patienten lassen dann schließlich doch die entsprechend notwendigen Maßnahmen zu, wenn ihnen der Sinn verständlich gemacht und die Angst genommen wird [13].
4. Deeskalation
Kommt es während eines Einsatzes zu einem verbalen oder tätlichen Übergriff, so besteht das oberste Ziel darin, die Aggressionsphase durch Deeskalation zu durchbrechen.
Zur Deeskalation gehört, dass der Sicherheit aller Beteiligten höchste Priorität eingeräumt wird. Um aggressive Situationen zu beruhigen, hilft es oftmals schon, in sicherer Entfernung zu warten, bis sich der Aggressor beruhigt hat [13]. Gefährliche Gegenstände müssen soweit möglich aus dem Umfeld entfernt werden, ggf. sollten weitere Kollegen hinzugezogen werden. Entscheidend aber für eine erfolgreiche Deeskalation ist die Art und Weise wie Rettungskräfte der betroffenen Person gegenübertreten – nämlich ruhig, sicher, bestimmt und selbstbewusst. Außerdem sollte der betroffenen Person mit Empathie, Aufrichtigkeit, Respekt und Fairness begegnet werden.
Ein Gespräch ist immer erforderlich. Durch freundliche Behandlung lassen sich bereits viele Situationen entschärfen [13]. In der Kommunikation sollte das Rettungsdienstpersonal darauf achten, dass es eine einfache und klare Sprache verwendet. Ratschläge oder Belehrungen sind unbedingt zu unterlassen. Warum-Fragen drängen die Person zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens und sind deshalb zu vermeiden. Bewusstes Zuhören dagegen hilft, sich in die Situation des Patienten oder einer anderen aggressiven Person hineinzuversetzen. Generell kann gesagt werden, dass man die Kommunikation zu aggressiven Personen immer aufrecht erhalten sollte, sofern diese auf der kommunikativen Ebene noch erreichbar sind.
Eine passive Deeskalationstechnik besteht darin, dass Rettungsdienstmitarbeiter – soweit möglich –nicht auf jede verbale Entgleisung reagieren. Beschimpfungen und Kränkungen sollten bis zu einem gewissen Grad kommentarlos ertragen werden, vor allem sollte darüber keine Diskussion begonnen werden.
| Goldene Regel bei Provokationen |
| Grundsätzlich gilt für jede Art der Provokation durch Patienten oder Dritte: Aggressionen oder gar Handgreiflichkeiten gegenüber diesem Personenkreis sind prinzipiell zu vermeiden. Sie widersprechen dem Selbstverständnis einer professionellen Berufsausübung. |
Letztendlich sind der Deeskalation aber auch Grenzen gesetzt, denn: Gegen Angriffe durch bewusstseinsveränderte Patienten als größte Gefahr können Deeskalationstrainings kaum schützen. [5]
5. Abwehr- und Befreiungstechniken
Wer angegriffen wird, darf sich wehren – das gilt selbstverständlich auch für Rettungskräfte. Wenn es erforderlich ist, um einen gegenwärtigen Angriff auf sich, eine andere Person oder Sachen von bedeutendem Wert abzuhalten, so sind angemessene Gegenreaktionen erlaubt. Das eigene – gegebenenfalls einen Straftatbestand verwirklichende – Verhalten ist dann gerechtfertigt. Das Strafgesetzbuch (StGB) hält dies in den Rechtfertigungsgründen der Notwehr (§ 32) und des Rechtfertigenden Notstandes (§ 34) fest. Werden durch eine solche Gegenwehr der Angreifende oder Sachen verletzt, so sind keine Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche begründet. Eine Gegenwehr ist aber natürlich immer nur als Ultima Ratio zu verstehen und nur dann anzuwenden, wenn eine Gefahr besteht und ihr zur Abwendung eines Schadens nicht mehr anders begegnet werden kann [17].
Folgen
Die Tätigkeit im Rettungsdienst stellt hohe und besondere Anforderungen an die fachlichen und individuellen Kompetenzen und die Belastbarkeit der Mitarbeiter. In diesem Arbeitsfeld muss die Versorgung der Patienten mit begrenzten diagnostischen Mitteln zügig und zielgerichtet erfolgen, um die Patienten für die weitere medizinische Versorgung an ein Krankenhaus zu übergeben. Dies hat einen besonders hohen Handlungsdruck zur Folge und setzt eine möglichst reibungslose und vor allem konfliktfreie Kooperation zwischen dem Rettungsdienstpersonal auf der einen Seite und den Patienten und Angehörigen auf der anderen Seite voraus [12]. Wird die rettungsdienstliche Versorgung dementsprechend durch aggressive und gewalttätige Personen beeinträchtigt, gefährdet das nicht nur das Rettungsdienstpersonal, sondern auch die Qualität der notfallmedizinischen Versorgung [11, 12].Auch wenn es bei der Bedrohung des Rettungsdienstpersonals selten zu körperlichen Angriffen kommt, sind solche Erfahrungen nicht zu unterschätzen, da sie oft als subjektiv besonders belastend erlebt werden [13]: Sie rufen intensive Angst und erlebte Hilflosigkeit hervor und können langfristige Belastungen wie erhöhte Vorsicht, Verunsicherung, Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche und wiederholte Erinnerungen zur Folge haben. [5] In der Regel werden derartige Belastungen vorwiegend durch das Kollegenteam aufgefangen. Eine professionelle und tragfähige Beziehung untereinander ist die beste Voraussetzung, um entstandene Kränkungen und seelische Verletzungen zu benennen, zu reflektieren und nach Hilfen zu suchen. Doch auch hier gilt: Die Leistungsfähigkeit eines Teams wird vom schwächsten Mitglied bestimmt. Die Qualität, in der sie sich gegenseitig stützen und in ihren Ängsten und Belastungen ernst nehmen, bestimmt den Grad ihrer deeskalierenden Kompetenzen zu weiten Teilen [2].
Als längerfristige Folgen für die Rettungskräfte im Arbeitsalltag werden psychisch belastende Beeinträchtigungen wie Angst, Scham und Frustration benannt. Dies führt zu erhöhten Arbeitsausfällen und damit zu einem nicht zu unterschätzenden Problem für die Betroffenen, den Rettungsdienstträger (Erhöhung der Kosten durch Krankstände und Dienstausfall der Mitarbeiter) und letztlich auch die Qualität der gesundheitlichen Versorgung [12].
Sobald Ausrüstungsgegenstände des Rettungsdienstträgers beschädigt werden, entstehen der jeweiligen Organisation letztendlich auch Kosten durch Reparatur oder Ersatzbeschaffungen.
Schulung
Das Thema Gewalt im Rettungsdienst wurde in der Vergangenheit nicht als Problem angesehen. Rettungsdienstmitarbeiter fühlen sich deshalb in ihrer Ausbildung nur unzureichend auf gewalttätige Situationen vorbereitet. Mit Blick auf § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der damit verbundenen Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz sicher zu gestalten und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu beeinflussen, besteht der Bedarf und die Pflicht gleichermaßen, das Rettungsdienstpersonal besser im Umgang mit diesen Gefahren zu schulen und professionelle Bewältigungsstrategien zu entwickeln, damit die Sicherheit für Rettungsdienstmitarbeiter, Patienten, Angehörige und sonstige Dritte steigt [4, 7].Für die erfolgreiche Bewältigung gewalttätiger Situationen im Rettungsdienst sind Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich, die sich aus der Verbindung präventiver Eigensicherungsmaßnahmen sowie Strategien zur Deeskalation kritischer Situationen ableiten lassen. Im Rahmen der Deeskalation ist es vor allem das Training von verbalen und nonverbalen Techniken. Da die Vielfalt der Einsatz- und Handlungssituationen nicht in jedem Fall die erfolgreiche Anwendung von Deeskalationstechniken zulässt und die Gewährleistung der eigenen Sicherheit im Vordergrund steht, müssen Rettungskräfte aber auch über Abwehr- und Befreiungstechniken, welche Flucht- und Schutzmöglichkeiten bieten, verfügen und diese trainieren. Inhalt derartiger Schulungen sollte auch der Einblick in die rechtlichen Grundlagen (§§ 32 Strafgesetzbuch – Notwehr, § 33 StGB – Rechtfertigender Notstand) und die Kenntnis über kulturelle und religiöse Besonderheiten, vor allem bei Migranten, sein.
Nicht zuletzt ist aber auch eine psychische Sensibilisierung für den Umgang mit potenziellen Eskalationsmomenten für Rettungsdienstmitarbeiter unerlässlich.
Strafrechtsverschärfung
Da die Gewalt gegen Kräfte des Rettungsdienstes in den letzten Jahren vermehrt als Problem wahrgenommen wurde, hat der Gesetzgeber 2011 u.a. den strafrechtlichen Schutz von Rettungsdienstmitarbeitern verbessert. Es handelt sich dabei um ein ausdrückliches Zeichen, dass Gewalt gegen Rettungskräfte nicht toleriert wird.
Nach § 114 StGB wird bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie dabei tätlich angreift. Damit sind erstmals – insbesondere um Regelungs- und Schutzlücken zu vermeiden – ausdrücklich alle Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Rettungsdiensten aber auch der Notarztdienst vom Schutzbereich erfasst [6]. Zur Hilfeleistung gehören auch Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen und sogar bereits die Fahrt zum Einsatzort. Die Hilfeleistung setzt keine Anwesenheit am Unglücksort voraus, sodass auch Mitarbeiter von Leitstellen diesen Schutz genießen.
Das Strafmaß richtet sich nach § 113 StGB, der gleichzeitig verschärft worden ist. Gewalttäter können demnach mit Geldstrafen oder mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren (früher bis zu 2 Jahren) bestraft werden. In besonders schweren Fällen scheidet Geldstrafe grundsätzlich aus und die Freiheitsstrafe beträgt Monate bis zu 5 Jahren [9].
Darüber hinaus wurde der Schutzbereich des § 305a StGB (Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel) u.a. auf bestimmte Arbeitsmittel und Kraftfahrzeuge des Rettungsdienstes ausgedehnt. Wer rechtswidrig diese Arbeitsmittel oder Kraftfahrzeuge ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wobei – im Gegensatz zu § 114 Abs. 3 StGB – bereits der Versuch strafbar ist.
Quellen/Literatur
[1] Auer, A.: Gewalt im Einsatz. Studie bei der Wiener Berufsrettung. In: Rettungsdienst, 8, 2011.[2] Böhmer, D.: Deeskalation im Einsatz. Über den bewussten Umgang mit Konfliktsituationen. In: Rettungsdienst, 8, 2011.
[3] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Gewaltfreier Arbeitsplatz. Handlungsempfehlungen zur Implementierung einer Unternehmenspolicy. Dortmund 2008.
[4] Dombrowsky, W. R.: Gewalt im Rettungsdienst. Wie kann man sich vorbereiten? Gewalt im Rettungsdienst wird zunehmend zum Tätigkeitsrisiko. In: Notfall und Hausarztmedizin, 12, 2007.
[5] Heinemann, W.: Gewalt im Rettungsdienst. Welche Auswirkungen haben Angriffe bei Einsätzen? In: Rettungsdienst, 4, 2011.
[6] Jäkel, C.: Strafrechtsverschärfung bei Angriffen auf Rettungskräfte. In: Notfall und Rettungsmedizin, 8, 2012.
[7] Lenk, M.: Aggressionsverhalten gegenüber Mitarbeitern der Notfallrettung. Bachelorarbeit, Neubrandenburg 2008.
[8] May, A. T., Mann, R.: Soziale Kompetenz im Notfall - Praxisanleitung nicht nur für den Rettungsdienst - ein Unterrichtskonzept. 2. Aufl., Münster 2005.
[9] Neupert, M.: Behinderung von Einsatzkräften künftig strafbar. In: RettungsdienstJournal, 2&3, 2001.
[10] o. A.: Gewalt gegen Rettungs- und Pflegekräfte. Prävention kann Risiken verringern. In: Sicherheitsbeauftragter, 3, 2013.
[11] Oesterreich, K.: Gewalt gegen Rettungskräfte. Taktisch korrektes Vorgehen im Umgang mit aggressiven Patienten. In: Rettungsdienst, 8, 2011.
[12] Ohlbrecht, H. et al.: Gewalt in der Notaufnahme. Ein aktuelles Problem und seine Hintergründe. In: Prävention und Gesundheitsförderung, 1, 2009.
[13] Pajonk, F. G.: Der aggressive Patient im Rettungsdienst und seine Herausforderungen. In: Notfall und Rettungsmedizin, 3, 2001.
[14] Scheunpflug, S./Klewer, J.: Gewaltsituationen im Rettungsdienst. In: HeilberufeScience. September 2012.
[15] Schmidt, J.: Gewalt gegen Rettungskräfte. Bestandsaufnahme zu Gewalt gegen Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen. Abschlussbericht, Bochum 2012.
[16] Schulz, M.: Aggression und Gewalt. In: Heilberufe, 4, 2009.
[17] Zimmermann, A.: Gewalt in der Pflege Übergriffe durch Bewohner und Patienten – welchen Schutz gibt es? In: Heilberufe, 9, 2012.
| Der Autor |
| Steffen Pluntke ist Pädagoge, Dozent in der Erwachsenenbildung, Qualitätsmanager und Bildungsreferent beim DRK Landesverband Brandenburg e.V. |
Programmbereich: Arbeitsschutz