Ich sehe was, was Du auch siehst
Im Wesentlichen werden zwei Arten von HMDs unterschieden. Monokulare Datenbrillen geben Informationen auf einem Display vor nur einem Auge wieder. Daneben gibt es binokulare HMDs, bei denen Bilder vor beide Augen projiziert werden können. Sowohl monokulare als auch binokulare Displays können offen oder geschlossen sein. Offene Systeme, so genannte see-through Technologien, ermöglichen es, Informationen auf einem halbdurchlässigen Spiegel im Blickfeld des Nutzers platziert. So kann dieser gleichzeitig seine Umgebung wahrnehmen. Visuelle Darstellung und Umfeld gehen so ineinander über. Allerdings ist diese Darstellung nicht ganz unproblematisch, da der Spiegel den Blick auf die Umgebung verdunkelt. Zudem müssen die Lichtverhältnisse berücksichtigt werden, damit die eingeblendeten Daten gut erkennbar sind. Geschlossene Systeme hingegen erlauben den Blick auf die Realität nicht. Bei einem monokularen geschlossenen Display schaut der Nutzer um das Display herum. Binokulare geschlossene Displays blenden die Realität vollkommen aus. Stattdessen eignet sich diese Technik, eine virtuelle Realität dreidimensional darzustellen. Aus diesem Grund werden diese Techniken vornehmlich in der Unterhaltungsindustrie oder als Trainingssimulation eingesetzt.
Bei den eingeblendeten Informationen handelt es sich in der Regel um Bilder, Videos oder Diagramme. Lange Texte können im Vergleich zu grafischen Darstellungen bislang noch weniger gut abgebildet werden. So kann der Beschäftigte etwa mithilfe eines Vergleichsbildes ein bestimmtes Bauteil identifizieren. Auch ein Fehler lässt sich leichter erkennen, wenn ein Bild vom Zielzustand eingeblendet wird. Und kurze Videos können einzelne Handgriffe erläutern.
Getrennt voneinander zusammen arbeiten
Im industriellen Arbeitskontext werden überwiegend monokulare HMDs eingesetzt, wobei ihre Verwendung bislang noch nicht sehr verbreitet ist. Dennoch sind die Erwartungen an diese Technik hoch. Denn besonders in den Bereichen Kommissionierung und Instandhaltung – beispielsweise von Windrädern – können HMDs die Beschäftigten sinnvoll unterstützen. Zum Beispiel bei der Teamarbeit sind Datenbrillen eine große Hilfe, da sie die Zusammenarbeit auch über räumliche Distanzen hinweg ermöglichen. Die Instandhaltung großer technischer Anlagen erfordert eine Vielzahl einzelner Arbeitsschritte, die exakt durchgeführt werden müssen. Treten bei komplexen Systemen Probleme oder Fragen auf, sind die Beschäftigten unter Umständen auf die Hilfe von Experten angewiesen. Je nach dem, mit welchen zusätzlichen Modulen das HMD ausgestattet ist, können die Teammitglieder Informationen untereinander austauschen. Verfügt die Datenbrille neben dem Display außerdem über eine Sprachverbindung und eine Kamera, teilt der Nutzer sogar sein Sichtfeld mit den Kollegen und kann sich gleichzeitig mit ihnen über die einzelne Arbeitsschritte beraten. Gleichzeitig hat der Beschäftigte an der Anlage beide Hände frei, um zu arbeiten.HMDs bieten außerdem den Vorteil, dass die Informationen zentral verwaltet und aktualisiert werden können. So wird gewährleistet, dass dem Nutzer immer die aktuellen Daten zur Verfügung stehen. Mit dieser Unterstützung können die Beschäftigten nicht nur schneller, sondern auch effektiver arbeiten. Daneben können Datenbrillen dazu beitragen, typische Fehler zu vermeiden. Datenbrillen, die etwa im Rahmen der Kommissionierung eingesetzt werden, zeigen dem Beschäftigten nicht nur an, welche Waren als nächstes benötigt werden. Ein zusätzlicher Barcodescanner an der Brille erkennt zusätzlich den richtigen Lagerplatz und kann auf Fehler aufmerksam machen.
HMDs sinnvoll einsetzen
Doch nicht für jeden Bereich eignen sich HMDs als Arbeitsmittel. Kurze, eindeutige Informationen, die zielgerichtet gegeben werden, kann der Beschäftigte gut verarbeiten und in seinen Arbeitsablauf einfügen. Benötigt er jedoch zur Lösung eines Problems einen langen Fachtext oder eine komplizierte technische Zeichnung, ist die Darstellung auf einer Datenbrille eher ungeeignet. In Fällen, bei denen die eigentliche Aufgabe seine volle Konzentration oder einen ungestörten Blick auf das Arbeitsfeld erfordert, ist eine Datenbrille als Arbeitsmittel ebenfalls keine gute Lösung, da ihn die Einblendungen womöglich ablenken. Auch typische Montageaufgaben, wie sie viele Beschäftigte routinemäßig tagtäglich ausführen, müssen nicht von einer Datenbrille unterstützt werden. Hier sitzt jeder Handgriff, auch wenn Probleme auftreten. Wenn Beschäftigte eine Aufgabe jedoch nur selten ausführen und nicht ihnen die einzelnen Schritte nicht so vertraut sind, kann sich der Einsatz wiederum lohnen.Daneben eignen sich noch weitere Aufgaben und Situationen hervorragend für den Einsatz von Datenbrillen. Ein Kriterium liegt buchstäblich auf der Hand – oder in diesem Fall besser auf beiden. Datenbrillen sind dann sinnvoll, wenn der Beschäftigte beide Hände braucht, um seine Tätigkeit auszuführen. Beschäftigte, die beispielweise Windräder reparieren, müssen vor allem eines sein: mobil. Um die Anweisungen oder Informationen auf dem Display zu verarbeiten und umzusetzen, muss der Nutzer seine Aufmerksamkeit abwechselnd auf die Arbeitsaufgabe und das Display richten. Das geht nur, wenn die Aufgabe solch einen Wechsel zulässt. Besonders günstig können HMDs eingesetzt werden, wenn sich die Aufgabe in einzelne Schritte aufteilen lässt, zu denen kurze und klare Informationen gegeben werden können. Auch um einen Kollegen bei Teamarbeit zu navigieren oder um neue Kollegen anzulernen eignet sich diese Arbeitshilfe gut.
Wer diese mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten beschaut, fragt sich vielleicht, warum Datenbrillen nicht schon viel weiter verbreitet sind. Scheint diese situationssensitive Informationstechnologie doch ausschließlich Vorteile mit sich zu bringen. Doch Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Arbeit mit HMDs lassen erkennen, dass diese Technik gegenüber anderen Displaytypen auch Nachteile aufweist.
Beanspruchung durch HMDs
Die BAuA hat sowohl die körperliche als auch die psychische Beanspruchung der Beschäftigten durch Datenbrillen im Vergleich zur Arbeit mit einem Tablet-PC oder einem Wandmonitor untersucht. Dabei hat sie sich nicht nur auf objektive Messergebnisse konzentriert, sondern außerdem die subjektiven Eindrücke der Versuchsteilnehmer ermittelt. Hier zeigt sich ein wichtiger Unterschied. Die subjektive Beanspruchung wurde als höher empfunden, als die objektiven Messungen anzeigten. So konnte beispielsweise kein nachteiliger Einfluss der Datenbrille auf die Sehleistung noch auf das Auge an sich nachgewiesen werden und dennoch empfanden die Nutzer die Arbeit mit der Brille als zunehmend beanspruchend. Auch die körperliche Beanspruchung wurde als höher empfunden, als die Messergebnisse nahelegen. Kopf- und Nackenschmerzen wurden im Gegensatz zur Arbeit mit einem Wandmonitor als intensiver empfunden, obwohl die Aktivität der Nackenmuskulatur nur leicht erhöht war. Um die psychische Beanspruchung zu erfassen, wurden zwei Aufgaben zeitgleich absolviert, eine Montage und eine Überwachungsaufgabe. Eine Gruppe nutzte dazu Datenbrillen, die andere einen Tablet-PC. Die Teilnehmenden sollten zum einen ein Spielzeug montieren und gleichzeitig auf ein unregelmäßig eingeblendetes Überwachungssignal zu reagieren. Es zeigte sich, dass die Nutzer der Datenbrille langsamer arbeiteten und auch später auf das Signal reagierten als die Personen aus der Vergleichsgruppe. Darüber hinaus berichteten auch diese Versuchsteilnehmer von einer höheren wahrgenommenen Beanspruchung durch die Datenbrillen. Obwohl die gemessenen Parameter auf einen Gewöhnungseffekt hindeuten, gaben die betroffenen Personen an, sich nicht an die Technik gewöhnt zu haben. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Beschäftige möglicherweise bei der Arbeit mit HMDs eine höhere körperliche und mentale Beanspruchung wahrnehmen könnten als bei der Arbeit mit alternativen Anzeigegeräten.Pausen
Ein Schlüssel, die Arbeit mit HMDs möglichst belastungsarm zu gestalten, sind Pausen. Ob subjektiv empfunden oder objektiv gemessen, Pausen tragen zur Erholung und Entspannung der Beschäftigten bei. Da die Nutzer bei der Arbeit mit HMDs schneller ermüden als bei anderen Displaytypen, sind Pausen besonders wichtig. Gerade wenn die Beschäftigten über eine längere Zeit mit einem HMD arbeiten, sollten sie regelmäßig Kurzpausen einlegen, um der Ermüdung der Augen vorzubeugen. Hinzu kommt, dass sich die Beschäftigten unterschiedlich schnell an die neue Technik gewöhnen. Gerade Älteren fällt die Umstellung mitunter schwer. Daher sollten die Pausen den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.Der Sitz der Brille, aber auch Eigenschaften wie Kontrast, Schärfe und Leuchtdichte sollten sich darüber hinaus unkompliziert und schnell einstellen lassen. Die einfache Handhabung erleichtert auch das Pausieren, da nach der Unterbrechung keine aufwendigen Einstellungen nötig sind. Diese Eigenschaften können sich jedoch nur dann positiv auswirken, wenn die Beschäftigten auch sicher mit der Technik umzugehen verstehen. Daher reicht eine verständliche Bedienungsanleitung nicht aus. Eine Einweisung ist unabdingbar. Ein Ansprechpartner vor Ort, der sich mit dem Umgang und der Bedienung der Brille gut auskennt wäre ebenfalls wünschenswert.
Mensch – Technik – Umwelt
Für die erfolgreiche Arbeit mit HMDs dürfen zwei weitere Faktoren nicht außer Acht gelassen werden. Akzeptanz und Anpassung. Auch in diesem Zusammenhang ist die richtige Einstellung der Brille entscheidend. Effektiv arbeiten vor allem diejenigen mit einem HMD, die das Display als Hilfsmittel akzeptiert haben. Akzeptanz erfährt die Brille jedoch nur, wenn die Passung zwischen Technik, Nutzer und Aufgabe möglichst hoch ist. Denn nur in diesem Fall kann die Technik den Beschäftigten sinnvoll unterstützen.Untersuchungen der BAuA zeigen ferner, dass nicht nur die Passung zwischen Aufgaben und Technik hoch sein muss. Auch die Übereinstimmung zwischen Nutzer und Technik trägt zur Akzeptanz der Datenbrille bei. Ergonomische Mängel beeinträchtigen diese Akzeptanz stark. Gerade wenn die HMDs als zu schwer empfunden werden, lehnen sie die Beschäftigten als Hilfsmittel häufig ab. Individuelle Einstellmöglichkeiten hingegen fördern den Tragekomfort. Grundsätzlich sollte das HMD leicht sein, wobei sich das Gewicht gleichmäßig verteilt. Die Halterung zur Befestigung der Datenbrille am Kopf sollte sich individuell an den jeweiligen Träger anpassen lassen.
Es zeigt sich also, HMD sind keine Wunderwaffe, um die Arbeit zu optimieren. Um Arbeitsprozesse gezielt und flexibel zu unterstützen, muss die Auswahl des Displays sehr bewusst und im Hinblick auf den Einzelnen getroffen werden. Dabei ist die ganzheitliche Betrachtung des Arbeitsprozesses entscheidend. Denn auch Umgebungsfaktoren wie Spiegelungen oder ungünstige Lichtverhältnisse wirken sich auf den Einsatz der Datenbrillen aus. Die Ergebnisse zur Arbeitsleistung und zur Beanspruchung zeigen, dass der Wechsel zur Datenbrille als Arbeitsmittel gute Rahmenbedingungen braucht, um erfolgreich zu sein.
| Die Autorin |
| Thea Buchholz Gruppe 6.1 Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsmanagement Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Friedrich-Henkel-Weg 1-25 44149 Dortmund |
Programmbereich: Arbeitsschutz