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Mit Informationen haushalten (Foto: sdecoret - Fotolia)
Wissen im Betrieb

Informationsmanagement – wer nicht vorbeugt muss nachsitzen

Windemuth/Haitsch/Cosmar
18.07.2016
Informationen sind überlebenswichtig. Die elektronischen Mittel zur Informationsbeschaffung und Kommunikation sind ein Segen unserer Zeit. Damit sie das auch bleiben, müssen u.a. Konventionen in Betrieben zum Umgang mit E-Mails eingeführt und beachtet werden. Der  folgende Beitrag stellt eine solche Konvention vor.
Zur gesundheitsgerechten Arbeitsgestaltung gehört auch die Berücksichtigung psychischer Belastungen. Eine bei Gefährdungsbeurteilungen regelmäßig genannte psychische Belastung ist die Informationsflut, die am Arbeitsplatz zu bewältigen ist. Sie wird auch im Stressreport der Bundesregierung (1) als häufig benannt.

Informationsüberflutung geht mit einem Gefühl des Kontrollverlustes über die Situation und die erhaltenen Informationen einher. Beschäftigte fühlen sich überwältigt und nicht imstande, die relevanten Informationen herauszufiltern. Studien zeigen, dass Informationsüberlastung in Zusammenhang mit Stress (2) und psychosomatischen Beschwerden (3) steht. Zur Informationsflut trägt bei den meisten Beschäftigten eine hohe Anzahl an täglich eingehenden E-Mails bei. Um es vorweg zu sagen: E-Mails und elektronische Medien sind ein Segen, kein Fluch.

Dass es heute möglich ist, einen sehr großen Teil erforderlicher Informationen fast jederzeit sofort über das Internet zu bekommen, dass Kommunikationswege sich deutlich verkürzt haben – all das macht das moderne Arbeitsleben leichter. Die Frage ist nur, wie Beschäftigte in Betrieben von den beklagten Nachteilen der elektronischen Medien befreit werden können, um die Vorteile besser zu nutzen.

In der Vergangenheit wurden oft Empfehlungen zur Reduzierung der E-Mailmengen gegeben, die
▶▶ sehr abstrakt (Appell an die Eigenverantwortung),
▶▶ restriktiv (Abschalten von E-Mail-Servern ab einer bestimmten Uhrzeit),
▶▶ technisch (Kurse zum richtigen Umgang mit Mailprogrammen) oder
▶▶ formal sind (Appell an das stilvolle Schreiben).

Der Nutzen dieser Empfehlungen für eine Begrenzung der Informationsmenge ist sehr begrenzt. Die Empfehlungen entsprechen zudem weder dem Arbeitsschutzgesetz noch der menschlichen Intuition: § 4 (2) des Arbeitsschutzgesetzes besagt: „Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen“. Übersetzt bedeutet dies: Belastungen durch E-Mails sind beim Absender zu bekämpfen, nicht beim Empfänger. Eine Person soll sich also nicht darum bemühen, dass vorhandene Gefährdungen nicht schädigen – die Gefährdung muss am Ursprung (also am Sender) ausgeschaltet werden, darf also erst gar nicht entstehen. Während dieses Prinzip im Bereich der Technik unmittelbar einleuchtet, gefordert und angewandt wird, bleibt es bei psychischen Belastungen in der Regel unbeachtet. Beispiel: Liegt ein unter Spannung stehendes 220 V-Kabel im Kinderzimmer offen herum, würde jeder verantwortungsbewusste Mensch die Leitung frei schalten (und möglichst die weiteren Sicherheitsregeln beim Arbeiten unter Spannung stehender Teile einhalten) und nicht den Zustand belassen und dem Kind sagen, dass es aufpassen soll, dass es die Leitung nicht berührt. Genau dies wird im Bereich der psychischen Belastung aber getan: Statt die Quelle abzustellen (die Spannung bzw. das Senden der E-Mail) wird (an das Kind oder den Empfänger der Mail) appelliert, vorsichtig zu sein bzw. Maßnahmen zu treffen, sodass keine Beanspruchungen durch zu viele Informationen entstehen. Diese Analogie passt, da das Arbeitsschutzgesetz im zitierten Paragraphen nicht nach der Intensität der Risikofolge unterscheidet.

Im Folgenden soll das Thema Informationsmanagement am Beispiel von elektronischen Medien in aller Kurze so dargestellt werden, dass eine effektive Reduktion des E-Mail-Aufkommens gelingt. Am Beispiel des Umgangs mit Newslettern wird ein zweites Thema aus dem Bereich des
Managements digitaler Kommunikation kurz angerissen. 

1. Innerbetrieblicher Umgang mit E-Mails

Ziel des nachfolgenden innerbetrieblichen Regelungsmodells ist, die Informationsmenge durch E-Mails zu reduzieren, ohne dass die Inhalte vernachlässigt werden. Wie dieses eingeführt und gelebt werden sollten, wird anschließend dargestellt. Auf freiwilliger Basis sollten folgende Punkte zwischen den Beschäftigten einer Organisation vereinbart werden.

Kettenmails vermeiden
Bei einer Kettenmail erschließt sich dem Leser der Inhalt einer Mail nur dadurch, dass er mehrere aufeinander aufbauende Mails von unten nach oben liest. Selten ist der Versand einer Kettenmail wirklich erforderlich, zumeist ist er eher das Ergebnis einer unzureichenden Informationsaufbereitung durch den Absender. Sind angehängte Mails als Zusatzinformationen erforderlich, dann sollen sie nur über das Notwendige hinausgehende Zusatzinformationen beinhalten. Durch diese Regelung wird der Aufwand für das Versenden der E-Mail erhöht und – falls eine Kettenmail dennoch versandt wird – der Aufwand für den Empfänger deutlich reduziert. Wenn zudem der Inhalt von Kettenmails an mehrere Adressaten verschickt wird, hat nur eine Person Mehraufwand (der Sender), alle Empfänger haben einen deutlich geringeren Aufwand.

Anlagen erläutern
Der Anteil an E-Mails, die Anlagen beinhalten, ist groß. Je mehr Anlagen eine Mail beinhaltet und je umfangreicher diese sind, desto länger benötigt der Empfänger zur Bearbeitung der Mail und desto mehr Informationen muss er bearbeiten. Mit dieser zweiten Regel wird der Sender verpflichtet, den Inhalt jeder einzelnen Anlage kurz (1–2 Sätze) zu skizzieren. Ausnahmen sind Anlagen, die dieselbe Sache betreffen (z. B. mehrere Foliendateien von einer Tagung). Entscheidungen oder Freigaben, die von den Inhalten der Anlage beeinflusst werden, sind ausdrücklich zu benennen. 

Anlagen können schnell an eine E-Mail angehängt werden. Für den Sender ist es einfach, vorsichtshalber eine Anlage mehr als nötig anzuhängen. Der Adressat hat das Nachsehen und muss prüfen, welcher Anhang relevant ist. Das dauert oft lange. Innerbetrieblich muss abgesichert werden, dass fehlende Reaktionen auf Anlagen nicht mit der Zustimmung dazu gleichzusetzen ist. Zustimmung muss explizit eingefordert werden, indem genau auf den zustimmungsbedürftigen Sachverhalt verwiesen wird.

Adressaten in Kopie erläutern
Der Sender informiert alle Adressaten, die eine Mail in Kopie (cc) bekommen, weshalb für sie diese Mail relevant ist. Bilaterale Absprachen können von dieser Regel abweichen. Damit wird der Sender verpflichtet, die Adressaten überlegt einzusetzen und nicht aus Vorsicht (oder auch Geltungsbedürfnis) möglichst viele Adressaten zu wählen. Der Empfänger muss nun nicht mehr prüfen, warum er eine E-Mail bekommt.  

Informationspflicht explizit erfüllen
Eine Person, die informiert werden muss, ist zu adressieren; es reicht nicht aus, sie als Kopie-Empfänger einzutragen. Der Adressat erfährt so genau, weshalb er eine E-Mail bekommt und kann darauf reagieren. Er muss nicht mehr befürchten, dass seine ausbleibende Reaktion als Zustimmung oder Freigabe interpretiert wird. Kritische Informationen oder Fragen können nun nicht mehr unter den  zahlreichen E-Mails und Anhängen versteckt werden. Aussagen wie „Ich habe Ihnen die Unterlagen doch zugeschickt“ rechtfertigen nicht mehr. Auf zustimmende Kenntnisnahme muss durch Anwendung dieser Regel explizit hingewiesen werden.

Kommentarloses Weiterleiten von E-Mails unterlassen
Eine Möglichkeit der Schein-Bearbeitung von E-Mails besteht darin, diese unkommentiert weiterzuleiten. Damit ist der Absender das Problem los und ein anderer hat es auf dem Tisch. Das ist zwar schön für den Absender; dieses Vorgehen ist aber nicht kollegial. Deshalb muss geregelt werden, dass unzureichend oder gar nicht bearbeitete und kommentierte E-Mails nicht weiter geleitet werden dürfen.

Kurzmitteilungen in der Betreffzeile formulieren
Kurzmitteilungen können komplett in der Betreffzeile geschrieben werden (z. B. „Herr X hat sich für heute krank gemeldet. EdN“). Als Zeichen, dass die E-Mail nicht geöffnet werden muss, sollte die Zeile mit EdN (Ende der Nachricht) beendet werden.

Diese aus der Literatur (z. B. (2)) übernommene Regelung spart Sender und Empfänger Aufwand bei der Abfassung bzw. beim Erfassen einer
E-Mail (Grußformeln entfallen z. B.). Auch kann der Empfänger die Information aufnehmen, ohne die E-Mail öffnen oder beantworten zu müssen.

E-Mail nur an einzelne Adressaten senden und ggf. angeben, ob „Allen antworten“ erwünscht ist 
E-Mails an mehrere Adressaten zu verschicken ist nur in Ausnahmefällen erwünscht. Wenn sich dies nicht vermeiden lässt, ist für jeden Adressaten zu vermerken, weshalb er mit angeschrieben wird. Dadurch reduziert sich der Adressatenkreis und jeder dennoch Angeschriebene weiß, welche Bedeutung die Mail für ihn hat. Es ist unbedingt zu vermerken, ob die Antworten ausnahmsweise wirklich an alle Adressaten der Mail gehen sollen. Wird dies nicht begründet, erhält nur der Absender die Antwort. Bisweilen ist es so, dass Personen, die zu Beginn einer per E-Mail geführten Diskussion in einen Adressaten-Verteiler geraten, anschließend jede noch so unwichtige Anmerkung grundsätzlich auch zugeschickt bekommt. Dabei reicht es aus, wenn nur der Absender über ein fehlendes Komma in einem abzustimmenden Text angeschrieben wird. Der Sender macht es sich einfach, indem er nicht prüft, wer welche Informationen benötigt. Der Empfänger (meistens gleich mehrere) hat das Nachsehen, das zumindest darin besteht, dass eine (oder viele) für ihn sinnlose E-Mail gelesen und gelöscht werden muss. Durch die Einführung dieser Regel wird das E-Mailaufkommen erheblich reduziert. 

Eine Konvention dieser Art kann nur funktionieren, wenn sie von der Belegschaft eines Betriebes bereitwillig übernommen und als Hilfe betrachtet wird. Die Einführung als Zwang ist wirkungslos. Zudem müssen Beschäftigte eine Reaktionsmöglichkeit haben, wenn sie E-Mails erhalten, die nicht der Konvention entsprechen. Dementsprechend sollte die Bekanntgabe der Konvention durch die Betriebsleitung erfolgen, da damit zugleich zum Ausdruck gebracht werden muss, dass es allen Empfängern von innerbetrieblichen E-Mails erlaubt ist, den Sender auf die Nichteinhaltung der Regeln hinzuweisen und das Aufbereiten der E-Mail – auch nachträglich – einzufordern. Diese Möglichkeit sollte unbedingt über Hierarchiestufen hinweg möglich sein.

2. Das spezielle Problem der Newsletter

Zwar ist gesetzlich geregelt, dass E-Mailadressen nur unter definierten Bedingungen in die Verteiler von Newslettern aufgenommen werden dürfen – die Realität sieht aber manchmal anders aus und Menschen erhalten Informationen, um die sie nicht gebeten haben. Manchmal aber gibt man seine Adresse auch für Werbemails – als Newsletter bezeichnet – frei, ohne dies richtig zu bemerken. Das passiert z. B. dann, wenn sich zum Abschluss eines Internetvertrages (z. B. zum Kauf eines Produkts) am Ende zwei anklickbare Kästchen befinden, von denen eins angeklickt werden muss (Zustimmung zu den AGB), das andere aber nur angeklickt werden kann. Verwechslungen sind vermutlich oft genug durchaus gewollt. Wahrscheinlich hat schon so ziemlich jeder Internetnutzer die Erfahrung gemacht, dass er aus Gewohnheit oder aus Versehen beiden Punkten zugestimmt hat. Unabhängig davon, weshalb jemand einen Newsletter erhält, sollte er prüfen, ob er diese Informationen wirklich benötigt oder nicht. Wenn nicht, dann gibt es nur eine Lösung: Melden Sie sich ab. Sender von Newslettern sind gesetzlich verpflichtet, eine Abmeldeoption an das Ende des Newsletters zu fügen. Machen Sie davon Gebrauch, denn so können Sie die Belastungsquelle angehen. Das Organisieren in Unterordner des Mail-Posteingangs ist keine Lösung. Dort sammeln sich dann viele ungelesene Newsletter, die zunehmend mehr den Druck aufbauen, dass sie gelesen werden, bis sie dann erfahrungsgemäß nach einigen Wochen allesamt ungelesen gelöscht werden. 
 

3. Fazit

Informationen sind überlebenswichtig. Die elektronischen Mittel zur Informationsbeschaffung und Kommunikation sind ein Segen unserer Zeit. Damit sie das auch bleiben, müssen u. a. Konventionen in Betrieben zum Umgang mit E-Mails eingeführt und beachtet werden. Zudem sollte jeder Beschäftigte prüfen, welche Informationen er wirklich benötigt. Unnötigen Informationen sollte er aktiv aus dem Weg gehen, sowohl beruflich als auch privat.   


Literatur
[1] Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Dortmund: BAuA.
[2] Chard, P. (2002). Information Overload Are We Technology‘s Masters... or Servants? WorldAtWork Journal, 11(3), 17–24.
[3] Moser, K., Preising, K., Göritz, A., & Paul, K. (2002). Steigende Informationsflut am Arbeitsplatz: Belastungsgünstiger Umgang mit den Neuen Medien (E-Mail, Internet) (Projektbericht). Dortmund, Berlin. Dresden: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Abgerufen von
http://www.baua.de/cae/servlet/contentblob/851270/publicationFile/51832/Fb967.pdf
[4] Weick, G./Schur, W. (2008). Wenn E-Mails nerven. So bekommenSie die Kontrolle zurück und arbeiten besser, schneller und sicherer. Frankfurt: Eichborn

Die AutorInnen
Prof. Dr. Dirk Windemuth
Psychologe, Germanist und Gesundheitswissenschaftler, ist Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) und Professor für Psychologie im Case Management der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Sophia Haitsch
ist Masterstudentin im Studiengang „Human Performance in Socio-Technical Systems“ an der Technischen Universität Dresden.

Dr. Marlen Cosmar
Diplom-Psychologin, ist Referentin im Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG).



Programmbereich: Arbeitsschutz