Kohlenmonoxyd-Vergiftung wegen fehlender Atemschutzmaske
Die meisten Arbeitsunfälle werden durch fehlende Schutzausrüstungen und Sicherheitseinrichtungen verursacht.
Die Urteile sind streng: Fehlen sie, haften die verantwortlichen Vorgesetzten. Exemplarisch ist dieses Gerichtsverfahren über drei Instanzen.
Im vorliegenden Praxisfall geht es um die Verantwortlichkeit und strafrechtliche Haftung bei Fehlen persönlicher Schutzausrüstungen.
Sachverhalt:
Der spätere Angeklagte G ist Gasmonteurmeister und Geschäftsführer einer zusammen mit einem Tiefbauunternehmer gegründeten Rohrleitungs-GmbH, die sich aber noch im Gründungsstadium befindet (i.G.). Bei der Durchführung von Instandsetzungsaufträgen an Gasleitungen hält G nicht an jedem Arbeitsort Atemschutzmasken vor. Am 15. Februar beschlossen die beiden Geschäftsführer, dass G zum Folgetag ausscheide. An diesem Tag teilte G dem N mit, dass er der Nachfolger ist und übergab „ohne weiteren Kommentar einen Zettel mit den Bauvorhaben der nächsten Tage“.
Am 17. Februar geschah ein Unfall, weil bei der Errichtung eines Hausanschlusses unter Druck nicht genügend Atemschutzmasken vorhanden waren. Obwohl N dazu aufforderte, die Atemschutzmaske „mitzunehmen“, begann Arbeitnehmer A trotzdem mit der Arbeit, denn er hielt die Mitnahme einer Maske „nicht für nötig und winkte ab“, obwohl er selbst „wußte, dass dies ohne Atemschutzgerät lebensgefährlich war“. Als A die Arbeiten nahezu abgeschlossen hatte, wurde er infolge einer durch das ausströmende Stadtgas verursachten Kohlenmonoxyd-Vergiftung ohnmächtig. Als der Kollege B dies bemerkte, stieg er in die Baugrube, um A zu retten. Dabei erlitt er selbst eine Kohlenmonoxyd-Vergiftung. Die Vergiftung führte bei beiden Geschädigten noch an der Baustelle zum Tode.
Urteil:
Das Amtsgericht Magdeburg verurteilt den G wegen fahrlässiger Tötung zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Auf die Berufung des G reduzierte das LG Magdeburg auf sechs Monate und auf die Revision des G verwies das OLG Naumburg die Sache schließlich an das LG Magdeburg zurück. Das OLG Naumburg begründet die strafrechtliche Verantwortlichkeit des G aus seiner Garantenstellung gegenüber den geschädigten Arbeitnehmern (dazu I.), die nicht durch ihre eigenverantwortliche Selbstgefährdung entfällt (dazu II.). Das OLG geht auch von einer Pflichtverletzung des G aus (dazu III.), sieht aber die (kausale) Verursachung des Unfalls gerade durch ihn nicht ausreichend begründet (dazu IV.).
I. Verantwortlichkeit und Garantenstellung des G
Dem G wird ein Unterlassen vorgeworfen, nämlich dass „er nicht genügend Atemschutzmasken für die Arbeitskolonnen angeschafft hat“. Bei Unterlassen kann man nur unter den Voraussetzungen des § 13 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt werden: „Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt …“.
Gemeint ist hier der „strafrechtliche Erfolg“, also der Tod der Arbeitnehmer, letztlich also der Misserfolg. Wer in diesem Sinne „einstehen“ muss, wird Garant genannt – er hat also strafrechtlich eine Garantenstellung. Es kommt darauf an, ob er „rechtlich“ einstehen muss – daher muss genau eine Pflicht des Angeklagten benannt werden, die er nicht erfüllt hat.
Das OLG sagt:„Die allgemeine Pflicht des Angeklagten, die Getöteten als Arbeitnehmer vor Schädigungen an Leib und Leben zu bewahren, die aus den mit Arbeiten an Gasleitungen verbundenen Gefahren entspringen, folgt aus § 618 Abs. 1 BGB aufgrund des geschlossenen Arbeitsvertrages“. Diese Vorschrift lautet: „Der Dienstberechtigte [wozu auch Arbeitgeber gehören] hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet“.
Da der Arbeitsvertrag zwischen den geschädigten Arbeitnehmern und der Gesellschaft bestand, muss noch begründet werden, wie die Pflicht zu G kommt. Das OLG lässt offen, ob die im Gründungsstadium befindliche Vorgesellschaft „aus strafrechtlicher Sicht bereits als eigenständige juristische Person zu behandeln ist mit der Folge, dass auf den für die GmbH i.G. handelnden bzw. eine gebotene Handlung der GmbH pflichtwidrig unterlassenden Geschäftsführer § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB Anwendung findet“.
Nach dieser Vorschrift würde die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers – für den Arbeitsschutz und die Sicherheit – von der Gesellschaft, die nicht bestraft werden kann, auf das „vertretungsberechtigte Organ“ – also den Geschäftsführer – „verlagert“ werden. Aber – so das OLG – „jedenfalls hat der Angeklagte die Erfüllung der Verpflichtung der Gesellschaft aus § 618 Abs. 1 BGB aufgrund der mit dem Mitgeschäftsführer getroffenen Absprache tatsächlich übernommen. Dies genügt grundsätzlich zur Begründung der allgemeinen Garantenstellung aus § 618 Abs. 1 BGB“.
II. Keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Arbeitnehmer
„Von diesem Grundsatz ist allerdings eine Ausnahme für die Fälle zu machen, in denen demjenigen, der zu der bewußten Selbstgefährdung bzw. -schädigung eines anderen beiträgt [hier: den G], die rechtliche Verpflichtung trifft, den anderen [hier: den A] vor bewußten Selbstgefährdungen zu bewahren“. Aber nach Auffassung des OLG „besteht jedenfalls für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, soweit die Schutzpflichten des Arbeitgebers aus § 618 Abs. 1 BGB betroffen sind, eine derartige Einschränkung der Selbstverantwortlichkeit des Arbeitnehmers für seine körperliche Unversehrtheit. Denn nur hierdurch wird im Hinblick auf die Zwänge, denen ein Arbeitnehmer als abhängig Beschäftigter zur Sicherung seines Arbeitsplatzes – sei es auch nur indirekt und unausgesprochen – unterliegt, die gebotene Arbeitssicherheit bzw. eine effektive Unfallverhütung gewährleistet“.
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