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Möglichkeiten und Grenzen strafrechtlicher Vermögensabschöpfung im Bereich der Markenpiraterie

WiJ Ausgabe 2.2012
26.11.2012
Von David Pasewaldt.
Von David Pasewaldt.

I. Vorbemerkungen
Die vorliegende von Rönnau betreute Dissertation befasst sich mit der in der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung bislang wenig beachteten Thematik der Produkt- und Markenpiraterie im Kontext mit der komplexen Materie der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung.

Unter den Begriff der Markenpiraterie fallen nach Ansicht des Autors – entsprechend einer allgemeingültig anerkannten Definition – die „Fälle des vorsätzlichen, massenhaften und mit Gewinnerzielungsabsicht begangenen Missbrauchs fremder Marken im Zusammenhang mit der Herstellung, dem Transport und der Weiterverarbeitung von oder dem Handel mit Waren" (S. 36). Produktpiraterie lässt sich als Verletzung geistiger Schutzrechte jeglicher Art verstehen (S. 30).

Der Verfasser weist zu Beginn seiner Arbeit darauf hin, dass die Produkt- und Markenpiraterie ein ernst zu nehmendes wirtschaftliches Problem mit exorbitantem Schädigungspotential für die betroffenen Unternehmen, Kunden und den Staat darstellt. Betroffen sind insbesondere Branchen wie die Textil- und Luxusgüterindustrie, der Pharmasektor und die Nahrungsmittelindustrie (S. 1).

Zivilrechtliche Maßnahmen und klassische strafrechtliche Sanktionsmechanismen zur Bekämpfung illegaler Nachahmungen haben sich – aufgrund der internationalen Dimension der Produkt- und Markenpiraterie – als weitestgehend uneffektiv erwiesen. Überdies findet – worauf noch einzugehen sein wird – der in diesem Bereich einschlägige Straftatbestand des Markenrechts (§ 143 MarkG) in der Praxis der Ermittlungsbehörden nur wenig Beachtung, worauf der Verfasser bereits zu Beginn seiner Arbeit hinweist (S. 41). Üblicherweise werden entsprechende Ermittlungsverfahren eingestellt, strafrechtliche Verurteilungen sind äußerst selten (S. 41).

Trotz – oder besser gerade wegen – dieses negativen Befundes untersucht der Verfasser in der vorliegenden Arbeit, ob sich die Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie durch das Instrumentarium der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB; 111 b StPO ff.) effektiver bekämpfen lässt. Die aus praktischer Sicht gewagte These lautet entsprechend, dass die „strafrechtliche Vermögensabschöpfung (…) einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Piraterie leisten" könnte, da sie den Vertrieb illegaler Nachahmungen wirtschaftlich unrentabel machen könnte (S. 3).

Der Verfasser betritt mit diesem Prüfungsansatz – soweit ersichtlich – Neuland, die Bedeutung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist im Markenstrafrecht bislang (kaum) behandelt worden (vgl. S. 3).

II. Gang der Untersuchung
1. Bevor sich der Verfasser der Beantwortung dieser Frage nähert, wird im ersten Teil seiner Arbeit auf die Phänomenologie der Produkt- und Markenpiraterie sowie deren Auswirkungen eingegangen, die eine Definition der Begriffe „Produkt- und Markenpiraterie" beinhaltet. Es folgt ein zweiter Teil, in dem die Vermögensabschöpfung im Überblick – sowohl die materiell-rechtlichen Vorschriften der Einziehung und des Verfalls, als auch die strafprozessualen Sicherungsmöglichkeiten (Beschlagnahme, dinglicher Arrest) – dargestellt werden.

2. In dem eigentlichen Kernteil der Arbeit werden sodann „ausgewählte Probleme der Vermögensabschöpfung in Fällen von Markenpiraterie" behandelt:

Der Verfasser geht hierbei der – insbesondere für die Praxis – relevanten Frage nach, welche Straftaten sich außerhalb und innerhalb des StGB als Anknüpfungstaten der §§ 73 ff. StGB eignen:

Zuvorderst erfolgt eine sehr detaillierte und mit praktischen Beispielen untermauerte Prüfung der – wenig geläufigen – Strafvorschriften des Markenrechts (§§ 143 ff. MarkenG). Die Prüfung ergibt, dass den markenstrafrechtlichen Vorschriften als Anknüpfungstaten eine besondere Bedeutung zukommt, da sie weit gefasst sind und die mit der widerrechtlichen Kennzeichnung von Waren verbundenen Handlungen umfassend pönalisieren (S. 80).

Zu einem weniger eindeutigen und nicht ganz überzeugenden Ergebnis gelangt der Verfasser bei der Prüfung des Betrugstatbestandes, der in zwei Fallkonstellationen – zum Nachteil des Erwerbers von nachgemachter Ware sowie zum Nachteil des Markeninhabers – denkbar ist. Nach Ansicht des Verfassers kann der Betrugstatbestand in den hier einschlägigen Fällen als Anknüpfungstat nur dann in Betracht kommen, wenn ein unredlicher Verkäufer imitierte Waren an einen gutgläubigen (End-) Abnehmer veräußert (S. 127). Somit könne der Betrugstatbestand dem vermögensabschöpfungsrelevanten Ziel, „illegal erwirtschaftete Gewinne umfassend abzuschöpfen" nicht gerecht werden (S. 127). Unter Bezugnahme auf markenrechtliche Literatur stellt der Verfasser fest, dass sich der Betrugstatbestand somit auch nicht als „Waffe im Kampf gegen die Markenpiraterie" eigne (S. 127 i.V.m. Fn. 642).

Ein ähnlich ernüchternder Befund zeigt sich bei der (kursorischen) Prüfung diverser weiterer Delikte (etwa der §§ 267, 331 StGB, 370 AO). Allerdings sieht der Verfasser – neben dem Tatbestand der Geldwäsche wohl aufgrund entsprechender Täterstrukturen – den Tatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB) als einschlägig an, der allerdings – der Verfasser muss dies selbst konzedieren – entsprechend seiner praktischen Bedeutung keine Bedeutung im Bereich des Markenstrafrechts erlangen dürfte (S. 128).

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass allein die Straftatbestände der §§ 143, 143a MarkG ausreichende Anknüpfungstatbestände für die strafrechtliche Vermögensabschöpfung darstellen. Nach Ansicht des Verfassers sollte daher „in der Praxis (...) der Fokus der Strafverfolgungsbehörden vor allem auf diesen Delikten liegen, um eine wirksame Bekämpfung der Markenpiraterie zu gewährleisten" (S. 132).

3. In einem Abschnitt zum „geografischen Anwendungsbereich der §§ 73 ff. StGB" stellt der Verfasser fest, dass auf die mit der Markenpiraterie einhergehenden Auslandstaten die Vorschriften zur Einziehung und Verfall nur sehr eingeschränkt anwendbar sind (S. 156 ff.). Der Verfasser begründet dies insbesondere mit der Zivilrechtsakzessorietät markenstrafrechtlicher Bestimmungen in Verbindung mit dem markenrechtlichen Territorialitätsprinzip (vgl. im Ergebnis S. 290).

Des Weiteren stellt der Verfasser fest, dass als mögliche Verfallsadressen neben den Tatbeteiligten auch rechtsfähige Unternehmen als Drittbegünstigte im Sinn des § 73 Abs. 3 StGB in Betracht kommen können und der erweiterte Verfall (grundsätzlich) nicht anwendbar ist.

Abschließend weist der Verfasser darauf hin, dass sich als „sehr effektives Instrument" zur Abschöpfung eingeführter Markenplagiate das gemeinschaftliche und nationale Grenzbeschlagnahmeverfahren (nach der Produktpiraterieverordnung und den §§ 146 ff. MarkG), welches den Nachweis einer Anknüpfungstat nicht erfordert, erwiesen habe (S. 293).

Die Arbeit endet mit der Aufforderung, dass „Gerichte und Strafverfolgungsbehörden (...) zur Eindämmung der internationalen Markenpiraterie (...) insbesondere die strafrechtliche Vermögensabschöpfung" nutzen sollten. Dieses Rechtsinstitut sei – so der Verfasser – ein „sehr effektives Mittel zur Bekämpfung professionell und international operierender Fälscherbanden" (S. 294).

III. Bedeutung für die Praxis
Die Arbeit besticht insbesondere durch eine sprachlich, dogmatisch und strukturell sehr gelungene Darstellung.

Ob die vorstehend zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass Strafverfolgungsbehörden durch das bereits in sich komplizierte und unpraktikable Instrumentarium der §§ 73 ff. StGB, §§ 111 b ff. StPO Ermittlungs- bzw. Strafverfahren, denen ein markenstrafrechtlicher Vorwurf zugrunde liegt, mit einer höheren Motivation als bislang betreiben werden, darf indes ernsthaft bezweifelt werden. So belegen die Ausführungen des Verfassers, dass vermögensabschöpfende Maßnahmen im Bereich des Markenstrafrechts schon allein aufgrund der transnationalen Komponenten in praxi leer laufen werden.

Darüber hinaus führen – worauf der Verfasser bereits selbst hingewiesen hat – markenstrafrechtliche Sachverhalte im Regelfall zu einer Einstellung des (Ermittlungs-) Verfahrens. Die Tatsache, dass insbesondere die Anordnung des dinglichen Arrestes zu einem für den Betroffenen erheblichen – wenn nicht gar existenzgefährdenden – Eingriff führen kann, setzt eine äußerst sorgfältige Prüfung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes voraus. Im Rahmen dieser Prüfung wäre zu beachten, dass eine entsprechende Anordnung im Hinblick auf den (häufig) reduzierten Schuldgehalt und die absehbare Verfahrenseinstellung kritisch zu beleuchten wäre. Unabhängig davon ist zu konstatieren, dass die Geldauflage bei einer Einstellung nach § 153 a StPO im Hinblick auf Nr. 93 a RiStBV bereits selbst den durch die Straftat erlangen Vermögensvorteil abdecken soll, mithin nicht ersichtlich ist, wozu es weiterer vermögensabschöpfender Maßnahmen bedarf. Es ist schlechterdings nicht denkbar, dass – unabhängig davon, dass sich in den hier einschlägigen Fallgruppen auch noch die Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts stellt – strafprozessuale Sicherungsmaßnahmen im Sinne der §§ 111 b StPO einen markenstrafrechtlich praktikablen Anwendungsbereich finden könnten.

Die praktische Bedeutung der inhaltlich und gedanklich sehr interessanten Arbeit würde sich allerdings dann ändern, wenn – entgegen der Auffassung des Verfassers – der Betrugstatbestand Anwendung finden würde. Insoweit liefert die Arbeit einen ersten diskussionswürdigen Vorschlag zur praktikablen Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden und etwaig Geschädigter. Der Verdienst der Arbeit liegt darin, die bestehenden Defizite in der alltäglichen Bekämpfung der Markpiraterie aufzuzeigen, ohne allerdings im Ergebnis einen überzeugenden praktikablen Alternativweg aufzuzeigen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Dr. Matthias Brockhaus

Quelle: WiJ Ausgabe 2.2012