Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Compliance: Der Mensch steht im Mittelpunkt (Foto: Compliance Channel)
#medialawcamp 2016

Mit Compliance per Du

ESV-Redaktion COMPLIANCEdigital
14.11.2016
Über Compliance redet inzwischen jeder – es ist also Zeit, den Ton zu ändern – so geschehen auf dem #medialawcamp 2016 in Berlin.
Compliance bedeutet in aller erster Linie Regelkonformität. Und die Grundregel auf einem Barcamp ist, dass sich alle Teilnehmer Duzen. Die zweite Regel ist, dass Teilnehmer die Tagung selbst entwickeln – indem sie ihre Themen mit einbringen – und die Veranstaltung gestalten.

Diese Gelegenheit nutzten ca. 90 Teilnehmer auf dem von der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig veranstalteten #medialawcamp 2016 Mitte November in Berlin. In insgesamt zehn Sessions und in drei Keynotes wurde u.a. über Geldwäsche, Cyberrisiken, Geschäftspartnerprüfung oder Produkt-Compliance diskutiert. Auch die Frage, was der Begriff Wesentlichkeit in dem IDW 980 und dem ISO 19600 Standard eigentlich impliziert, wurde behandelt. Thema war auch, worauf wir uns bei der 2018 in Kraft tretenden EU-Datenschutzverordnung einstellen müssen. Alles Themen, die die Teilnehmer mitgebracht und über die sie sich ausgetauscht haben.

Worüber reden wir überhaupt?

Nach einem kurzen Einführungsfilm des Compliance Channels zu der Frage, was Compliance eigentlich ist, führte Dr. Sofia Halfmann, Vice President und Head of Compliance bei DHL aus, was aus ihrer Sicht die aktuellen Compliance-Aspekte sind. In ihrem Eingangsstatement unterstrich sie, dass es bei Compliance nicht nur um die Einhaltung von Regeln, sondern auch um ein ethisches Wertesystem geht, das vor allem auch im Top-Management auch so kommuniziert werden müsse – Stichwort: „Tone from the Top“. Was Compliance alles darf, beantwortete Halfmann klar: Compliance dürfe alles, außer gegen Regeln verstoßen. Ferner müsse sich ein Compliance-Officer auch überall einmischen dürfen – soll seine Arbeit nicht nur ein Feigenblatt sein.

Transparency or not? That's the question!

Was wollen Unternehmen eigentlich, wenn sie von Compliance reden – darauf  ging Alexander Schröder, Chief Risk & Compliance-Officer bei Axel Springer SE ein. Steht bei Unternehmen die Haftungsvermeidung – also einem guten Gefühl, dass man alles in Griff habe – oder  wirkliche Transparenz im Unternehmen im Vordergrund, was – in manchen Fällen – auch unangenehm sein könne? Schröder: „Compliance muss Transparenz schaffen dürfen.“

Compliance richtig kommunizieren

Bei aller Transparenz ist auch klar, dass Compliance keine hundertprozentige Regelkonformität herstellen könne, so Schröder – schon gar nicht in Großkonzernen. Compliance, soll sie wirken, muss nach Ansicht von Halfmann daher mit dem Geschäftsmodell im Einklang sein. Dies bedingt auch, dass jedes Unternehmen eigene Themen hat. Stand das Thema sexuelle Belästigung bei ihrem früheren Arbeitgeber Bayer nicht im Fokus, sieht das bei einem weltweit operierenden Logistikanbieter, wie z.B. bei DHL, ganz anders aus.

Ein Ansatz, der sich gerade bei diesem Thema – auch über Landes- und Kulturgrenzen hinweg – als geeignet erwiesen hat, war der Einsatz von Comics. Wichtig sei, so Halfmann, dass Compliance nicht als Polizei bei den Mitarbeitern im Unternehmen wahrgenommen werde, denn sonst erfahren sie auch nichts, wie nicht zuletzt das Beispiel von Volkswagen gezeigt hat.   

Wo ist Compliance am besten aufgehoben?

Nicht nur bei Volkswagen konnte man beobachten, wie wichtig es ist, dass Compliance mitgedacht wird – bereits zu Beginn eines jeden Geschäftes. Es reiche nicht aus, wenn am Ende der Compliance-Officer noch – am besten Freitagnachmittag – schnell einen Vorgang freigeben soll. Vielmehr müssen die Mitarbeiter Compliance zu Beginn eines Prozesses integrieren, das Thema müsse entsprechend im Unternehmen verortet sein.

Diese sollte – so Schröder und Halfmann – unabhängig und am besten direkt unter der Vorstandsebene angesiedelt  sein. Dies zeige nicht nur die Wichtigkeit, die das Thema im Unternehmen hat. Es helfe auch, den Fokus auf Transparenz zu legen. Bei einer Rechtsabteilung stehe Transparenz nicht immer im Vordergrund, sondern vor allem die  Haftungsvermeidung. Nicht jeder Rechtsanwalt sei automatisch ein guter Compliance-Officer, so Schröder.

Compliance-Officer. Wie hältst Du es mit der Compliance?

Ein Plädoyer für eine werteorientierte Compliance gab Dr. Kathrin Niewiarra, Geschäftsführerin des Compliance Channel. In ihrer Keynote thematisierte sie, welche Compliance-Messlatte wir eigentlich in unserem täglichen Handeln anlegen? „Und wie halten wir es mit der Compliance abroad?“ Laut Niewiarra reiche es nicht aus, „im eigenen Vorgarten“ alles compliant zu halten. Die ethische Verantwortung ende nicht an Landes- und auch nicht an Unternehmensgrenzen – Lieferanten und Geschäftspartner seien ebenfalls mit einzubeziehen.

Bezugnehmend auf den Bestseller „Thinking, Fast and Slow“ des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann, forderte Niewiarra die Teilnehmer auf, sich zu fragen, wann wichtige Entscheidungen im täglichen Berufsleben getroffen werden und wie sie zustande kommen. Sind Sie Ergebnisse einer wohlüberlegten Entscheidung oder entspringen Sie eher unserem Bauchgefühl?

Insgesamt zeigte das Barcamp, dass es auch auf den Ton ankommt, der miteinander gepflegt wird. Und mit einem Du erreicht man – wie auf dem medialawcamp 2016 zu hören und zu sehen war – manchmal mehr als mit einem compliancekonformen Sie.

Den Film zum Event von unserem Medienpartner Compliance Channel können Sie hier sehen.

Weiterführende Literatur
Mitarbeiter verstehen und Compliance richtig kommunizieren. Wie dies besser gelingt, zeigen Thomas Schneider und Carina Geckert in dem neuen Band Verhaltensorientierte Compliance.

Und wie Sie Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität wirksam bekämpfen, beschreiben die Autoren in dem Handbuch Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität, herausgegeben von Rüdiger Quedenfeld.

(ESV/ms)