Schwierige Gespräche mit psychisch belasteten Mitarbeitern erfolgreich gestalten
Schwierigkeit psychische Beeinträchtigungen anzusprechen
Leidet ein Mitarbeiter unter einer körperlichen Erkrankung, würde der Vorgesetzte wahrscheinlich das Gespräch mit ihm suchen und Möglichkeiten erarbeiten, wie man trotz der krankheitsbedingten Einschränkungen auch in Zukunft ein leistungsfähiger Mitarbeiter sein kann. Nicht so bei psychischen Erkrankungen, hier ist die Hemmschwelle viel größer.Letztendlich soll der Vorgesetzte keine Therapeutenrolle übernehmen und auch keine Diagnose stellen. Wichtig ist, Verständnis für die Situation zu entwickeln. Bei einem depressiven Patienten kann dies bspw. so sein:
„Ich habe Sie um ein Gespräch gebeten, weil ich einige Veränderungen wahrgenommen habe, die mir Sorgen bereiten. Ich habe Sie immer als zuverlässigen und verantwortungsvollen Mitarbeiter kennen gelernt, aber in letzter Zeit erlebe ich Sie sehr zurückgezogen und ruhig. Es scheint mir, als seien Sie erschöpft und in Gedanken oft woanders. Deswegen würde ich gerne verstehen, wie es Ihnen geht und was Ihnen von Seiten des Unternehmens helfen könnte."
Die Gestaltung eines solchen Gesprächs kann bereits im Vorfeld geplant werden und folgt einem klaren Ablauf, so dass eine Zielvereinbarung am Ende sichergestellt ist. Das hier vorgeschlagene Modell basiert auf fünf Phasen und kann im BEM, aber auch in zielorientierten Personalgesprächen genutzt werden.
Das Fünf-Phasen-Modell der Gesprächsführung
Phase 1: Vertrauen gewinnen – Problem analysieren
Der Beginn eines solchen Gesprächs besteht aus vertrauensbildenden Maßnahmen. Dafür bietet es sich an, dass der Vorgesetzte den aktiven Part übernimmt und über Zweck und Ziel des Gesprächs aufklärt. Bedeutsam ist dabei die Frage nach den Konsequenzen der Gesprächsinhalte.Im BEM ist dies klar durch Vertraulichkeit und Schweigepflicht geregelt. Damit bleiben alle Daten in einem geschützten Rahmen und der Betroffene kann sich angstfrei öffnen.
Aber auch in einem Personalgespräch sollte der Charakter des folgenden Gesprächs deutlich werden: Handelt es sich um ein protokolliertes Gespräch, das in die Personalakte eingeht, oder um ein informelles Gespräch mit Hilfsangeboten?
Die Anfangsphase ist zudem von Verständnisfragen über die Situation des Mitarbeiters gekennzeichnet. Es geht darum, die Ursachen für die beobachtete Minderleistung oder die (drohende) Arbeitsunfähigkeit zu verstehen und die Zusammenhänge mit der Berufstätigkeit aufzudecken. Meist ist bei psychischen Störungen keine einfache Kette zwischen Ursache und Wirkung herzustellen, so dass der Arbeitsplatz allein die Erkrankung nicht auslöst. Vielmehr sind die individuelle Konstitution und die Eingebundenheit in soziale Netze zu betrachten.
| Frage-Box 1: Vertrauen gewinnen |
| Ich interessiere mich für Sie und möchte Ihre Situation verstehen! Es ist mir wichtig zu erfahren, welche Bedürfnisse Sie haben. Wie geht es Ihnen persönlich mit dieser Situation? Was wollen Sie davon mitteilen? Welche Bedeutung hat das Problem/die Situation für Sie? |
Es ist unabdingbar, ein wirkliches Verständnis für den Betroffenen zu entwickeln, da sich andernfalls keine tragfähigen Lösungen in einem kooperativen Verhältnis finden lassen. Nehmen Sie sich daher Zeit, um den Betroffenen zu verstehen. Fragen Sie nach und vermeiden Sie es in dieser Phase, bereits Lösungsideen zu entwickeln.
Phase 2: Zieldefinitionen
Am Anfang eines Gesprächs stehen in aller Regel Probleme. Deren Betrachtung ist für das Verständnis hilfreich, jedoch ist eine Einigung auf gemeinsame Ziele unabdingbar für die Lösungsfindung. Daher empfiehlt sich eine klare Zieldefinition unter Beachtung der Kriterien für gute Ziele:Verändern Sie die Motivationsrichtung:
Anstatt von einem Problem „wegzukommen“ muss die Ausrichtung hin zu einem gewünschten Zustand erfolgen.
Formulieren Sie Ziele positiv:
Es ist wichtig, keine Verneinungen zu nutzen, da dies den eigentlichen Weg nur verschleiert.
Formulieren Sie die Ziele ohne Vergleiche,
um einen unnötigen Druck und eine weitere Verschleierung zu vermeiden.
Formulieren Sie Ziele prägnant und ohne Konjunktive:
Die Nutzung von Konjunktiven lädt dazu ein, sich von der Realität zu entfernen, Träumen freien Raum zu lassen und damit die Zielbindung zu unterlaufen.
Legen Sie messbare Erfolgskriterien fest:
Spätestens an dieser Stelle muss die Zielformulierung konkret werden: Woran erkenne ich, dass unser Ziel erreicht ist? Wie kann ich es überprüfen? Wann muss es vollendet sein?
| Frage-Box 2: Ziele definieren |
| Was wollen Sie stattdessen tun (fühlen/denken)? Was möchten Sie in Bezug auf Ihre Situation erreichen? Was soll anders sein, wenn Sie dieses Ziel erreicht haben? Was macht dieses Ziel reizvoll für Sie? Was hätten Sie dadurch für sich und ihr Leben gewonnen? Was machen Sie anders, wenn das Ziel erreicht ist? |
Phase 3: Der Weg zum Erfolg: Strategie
Gemeinsam mit dem Gesprächspartner soll nun eine Strategie erarbeitet werden, wie die vereinbarten Ziele zu erreichen sind. Dabei ist zu beachten, dass die inhaltlichen Ideen durch den Betroffenen erarbeitet werden sollen, während der Berater lediglich den Prozess steuert. Dafür sollte er sich an den Ressourcen des Klienten orientieren: Welche Möglichkeiten und Unterstützer stehen diesem bereits zur Verfügung?Wo besteht noch Unterstützungsbedarf? Welche Personen im Arbeitsumfeld müssen einbezogen werden? Welche Unterstützung kann der BEM-Berater leisten? Nutzen Sie in diesem Stadium die Feldkompetenz des Betroffenen, denn er ist der Experte für seine Situation. Der Berater kann daher nur Anregungen geben, da seine Lösungsvorschläge eine große Gefahr in sich bergen, nicht in die Lebenswirklichkeit des zu Beratenden zu passen.
| Frage-Box 3: Der Weg zum Erfolg |
| Was wären die ersten Schritte auf dem Weg zur Lösung? Welche Ihrer Stärken können Sie zur Erreichung Ihres Ziel nutzen? Wie haben Sie solche Fragen früher gelöst? Was brauchen Sie zur Lösung? Welche Unterstützung wünschen Sie sich von mir als Ihrem Vorgesetzten? |
Phase 4: Systemcheck
Hier gilt es, die erarbeitete Strategie zu überprüfen und mögliche Hindernisse bereits im Vorfeld zu antizipieren. Daher sollten die Risiken und Nebenwirkungen der aktuellen Planung betrachtet werden. Dies betrifft auch die möglichen Veränderungen, die sich aus einer erfolgreichen Umsetzung ergeben. Da wir stets in Systeme eingebunden sind, bleiben Veränderungen bei uns nicht ohne Wirkung auf die anderen Systemmitglieder.| Frage-Box 4: Systemcheck |
| Angenommen, Ihr Ziel ist erreicht, welche Wirkungen und Nebenwirkungen erzielen Sie damit? Was ist der Preis für die Veränderung? Wer könnte Einwände haben? Was wird eventuell schwieriger für Sie? Auf welche Hindernisse können Sie stoßen? |
Phase 5: Transfersicherung: Den Mitarbeiter ins Handeln bringen
Die fertige Planung sollte zum Schluss noch schriftlich fixiert und mit einem zeitlichen Ablauf versehen werden. Im BEM-Prozess geschieht dies in Form eines Integrationsplans. In diesem Plan sind die Aufgabenverteilung, die Meilensteine und deren Terminierung festgehalten. Darüber kann in Folgekontakten stets überprüft werden, wie weit der Fortschritt gediehen ist. Dies kann auch auf den Kontext eines Personalgesprächs übertragen werden. Menschen benötigen zur Umsetzung ihrer Ziele einen Rahmen, der auch schriftlich festgehalten werden soll. Achten Sie darauf, dass dies als Unterstützung in der langfristigen Umsetzung verstanden wird und nicht als Kontrollmaßnahme!| Frage-Box 5: Transfersicherung |
| Wie sichern/kontrollieren Sie die Umsetzung? Wann genau werden Sie was in welcher Reihenfolge umsetzen? Wie können Sie sicherstellen, dass die Lösung auch nachhaltig Bestand hat? |
Fazit
Der Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern stellt eine Herausforderung für Führungskräfte dar und wird zunehmend zu einem wichtigen Qualifikationsmerkmal. Mit Grundkenntnissen in der Gesprächsführung nach dem 5-Phasen-Modell bekommt der Leser einen Leitfaden zur Planung von schwierigen Gesprächen an die Hand. Mit dieser Kompetenz wird die Führungskraft den aktuellen Herausforderungen der Personalführung gerecht und kann einen aktiven Beitrag dazu leisten, die Arbeitskraft des Einzelnen zu erhalten. Die Darstellungen im Text sind als Anregungen zu verstehen, denn letztlich geht es in der Gesprächsführung immer darum, einen eigenen Stil zu entwickeln und sich im „Ernstfall“ zu erproben.| Die Autorin und der Autor |
| Eva Tewes studierte Wirtschaftswissenschaften sowie Psychologie. Sie ist seit mehreren Jahren in der beruflichen Rehabilitation sowie als externe Beraterin und Disability-Managerin bei einem Bildungsträger tätig. Seit 2012 ist die Autorin BEM-Beauftragte bei einer Berufsgenossenschaft. Björn Riegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg sowie freiberuflicher Dozent für Schulungen und Trainings im Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern. |
Programmbereich: Arbeitsschutz