Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

AG Köln: Twitter-Nutzer dürfen davon ausgehen, dass Inhalte, die auf die Plattform hochgeladen wurden, ohne Zustimmung des betreffenden Nutzers retweetet werden dürfen. (Foto: ymgerman / stock.adobe.com)
Urheberrechtliche Einordnung von Retweets

AG Köln: Kein Ersatz von Abmahnkosten nach ungefragtem Retweet eines Twitter-Beitrags mit Foto

ESV-Redaktion Recht
14.06.2021
Wann bedarf das Retweeten von Beiträgen auf Twitter der Zustimmung des Urhebers? Zu dieser Frage hat sich das AG Köln in einem kürzlich veröffentlichten Urteil geäußert.
In dem Streitfall unterhielt der Kläger, der als Journalist arbeitet, ein Twitter-Profil mit einem Foto von ihm als Profilbild. Am 26.10.2019 twitterte der Pressesprecher einer Bundestagsfraktion einen Text über den Kläger und lud hierzu dessen Profilbild hoch. Dieses baute der Beklagte, ebenfalls ein Journalist, in einen eigenen Tweet auf seinem Twitter-Account ein. Dieser Tweet wurde auch mehrfach retweetet. Der Kläger hatte niemandem eine ausdrückliche Einwilligung zur Nutzung seines Fotos erteilt. In der Verwendung des Fotos durch den Beklagten sah er eine Urheberrechtsverletzung und verlangte Unterlassung von Beklagten. Zwar gab dieser die geforderte Unterlassungserklärung ab – er weigerte sich jedoch, dem Kläger die Anwaltskosten zu erstatten.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


AG Köln: Retweets entsprechen dem Wesen von Twitter

Das AG Köln wies die Klage ab. Nach Auffassung des AG ist das Retweeten eines Twitter-Beitrages mit Foto schon deshalb keine urheberrechtliche Verbreitung, weil das Foto bereits auf Twitter veröffentlicht war. Sodann äußerte sich das Gericht auch zu der Frage, ob der Urheber einer Verbreitung von Twitter-Beiträgen überhaupt zustimmen muss. Dies hängt dem Kölner Richterspruch zufolge von der rechtlichen Einordnung eines Retweets ab. Die wichtigsten weiteren Erwägungen des Gerichts:

  • Weder Vervielfältigung noch öffentliche Zugänglichmachung: Retweets erfolgen im Rahmen eines sogenannten „Embeddings“. Dabei werden keine fremden Inhalte kopiert. Vielmehr werden schon vorhandene Inhalte in das eigene Social-Media-Profil eingebunden. Damit scheidet dem Gericht zufolge sowohl eine Vervielfältigung nach § 16 UrhG als auch noch eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 UrhG aus.
  • Keine öffentliche Wiedergabe: Ebenso wenig ist dem AG Köln zufolge in dem Retweet – der ja über die eigene Profilseite erfolgt – eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG zu sehen. Würde jeder Retweet eines Werks eine zustimmungspflichtige Wiedergabehandlung sein, müsste der Twitter-Nutzer vor einem Retweet recherchieren, ob die betreffenden Inhalte rechtmäßig hochgeladen wurden. Dies hält das Gericht für nicht praktikabel, so dass eine entsprechende Recherche in den Fällen, in denen ein Retweet ohne Gewinnerzielungsabsicht erstellt wird, nicht verlangt werden kann. Zudem scheitert die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe daran, dass mit dem streitgegenständlichen Retweet kein neues Publikum erreicht wurde, denn die vom Kläger hochgeladenen Inhalte waren von vornherein öffentlich gestellt. Das heißt, sie waren bereits jedem Twitter-Nutzer zugänglich.

  • Auch Nutzung des Bildes erfolgte mit konkludenter Zustimmung des Klägers: Der Kläger hatte auch der Nutzung des Bildes zwar nicht ausdrücklich zugestimmt. Das AG Köln sah aber eine konkludente Zustimmung des Klägers, weil dieser sein Profilbild selbst hochgeladen hat. Demnach willigt derjenige, der Texte und Fotos auf Social-Media-Plattformen hochlädt und diese im Profil öffentlich stellt, konkludent in deren Weiterverbreitung auf der betreffenden Plattform ein. Dem AG Köln zufolge ist es gängige Praxis von Twitter, dass Inhalte und Bilder geteilt bzw. retweetet werden. Jeder Twitter-Nutzer kann deshalb davon ausgehen, dass auch die anderen Nutzer in diese Verwendungspraxis eingewilligt haben und auch mit dem Retweeten ihrer Inhalte einverstanden sind.
  • Wesen der Social-Media-Plattformen auf Teilen von Inhalten ausgerichtet: Dieses Ergebnis folgert das AG Köln aus dem grundsätzlichen Wesen der Social-Media-Plattformen. Denn diese haben das Ziel, aufgrund ihrer Breitenwirkung möglichst viele Nutzer zu erreichen. So auch bei Twitter: Wer also dort öffentlich zugängliche Inhalte einstellt, muss damit rechnen, dass andere Nutzer von den Funktionen der Plattform Gebrauch machen. Jedenfalls ist dem Gericht zufolge entsprechend des Empfängerhorizonts der Plattformnutzer nach den §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass sich der Nutzer mit den Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten der Plattform auseinander gesetzt hat. Deshalb muss er damit rechnen, dass die von ihm öffentlich gestellten Inhalte von anderen Nutzern retweetet werden.
Quelle: Urteil des AG Köln vom 22.04.2021 – 111 C 569/19



Handbuch Urheberrecht

Das Berliner Handbuch Urheberrecht, herausgegeben von Prof. Dr. Marcel Bisges, LL.M., bietet eine umfassende Darstellung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung der praktischen Aspekte. Die Schwerpunkte:

  • Werkbegriff und seine Entwicklung,
  • die Kleine-Münze und ihre ökonomische Komponente,
  • Fragen der Erschöpfung bei elektronischer Verwertung,
  • Schrankenregelungen bei neuen medialen Entwicklungen,
  • Digitalisierung bei Leistungsschutzrechten,
  • Grundsätze des internationalen Urheberrechts.

Hilfreiche Extras:  Text- und Vertragsmuster, Klauselbeispiele sowie Checklisten werden Ihnen in editierbarer Form zur Verfügung gestellt. Daneben lassen die Autoren immer wieder anschauliche Beispiele in ihre Darstellungen einfließen.
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 


(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht