AG Marl: Die Lastschriften auf dem Konto der Mutter waren mit dem Makel von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI „infiziert“ (Foto: Lena Balk /stock.adobe.com)
Makelbehaftete Lastschrift
AG Marl zur Erfüllungswirkung einer Abbuchung per SEPA-Lastschrift
ESV-Redaktion Recht
18.10.2022
Abbuchungen per Lastschrift sind auch bei Mietzahlungen sehr beliebt. Doch tritt mit der Abbuchung nicht immer die gewünschte Erfüllungswirkung ein. Dies musste eine Vermieterin von Wohnraum in einem sehr makabren Fall vor dem AG Marl, dessen Urteil kürzlich veröffentlicht wurde, erfahren.
In dem Streitfall hatte die Mutter des Beklagten von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wohnung zu einem monatlichen Mietzins von etwa 500 EUR gemietet. In der Wohnung lebt auch der Beklagte. Seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes Ende der 90er-Jahre erzielte er weder eigene Einkünfte noch bezog er Sozialleistungen. Vielmehr lebte auch er von der Rente seiner Mutter. Die Mietzinsen hatte die Vermieterin von dem Konto der Mutter per SEPA-Lastschriftverfahren eingezogen.
Im Frühjahr 2018 starb dann die Mutter. Der Beklagte hielt ihren Tod aber geheim, um weiterhin die Rentenzahlungen für seine Mutter zu erhalten. Unter Alkoholeinfluss zerteilte er den Leichnam der Mutter und brachte diesen in einem Kühlschrank unter. Bis zur Entdeckung des Todes der Mutter im Juli 2019 hatte die Deutsche Rentenversicherung noch insgesamt 17.083 EUR auf das Konto der Mutter überwiesen – die Vermieterin buchte von dem Konto per SEPA-Lastschrift noch Mietzahlungen in Höhe von insgesamt 7.370,83 € ab.
Im Jahr 2020 wurde der Beklagte unter anderem wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Anschließend verlangte die Deutsche Rentenversicherung von der Vermieterin über § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI die Rückzahlung der abgebuchten Mieten. Mit der Behauptung, sie habe diese an die Deutsche Rentenversicherung gezahlt, verlangte die Vermieterin vom Beklagten vor dem AG Marl die Erstattung der nun rückständigen Mietzinsen aus der Zeit von Mai 2018 bis Juli 2019.
Beklagter: Mietansprüche wurden durch Kontoabbuchungen erfüllt
Nach Ansicht des Beklagten wurden die Mietansprüche aufgrund der Abbuchungen von dem Konto seiner Mutter nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Demnach erlischt die Mietforderung auch dann, wenn der Vermieter später von einem Rentenversicherungsträger über § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI (siehe unten) auf Rückzahlung der Mietzinszahlungen in Anspruch genommen wird. Die Erfüllung, so der Beklagte weiter, trete nämlich dann ein, wenn die geschuldete Leistung mit dem Willen des Leistenden zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sowie auf die richtige Art erbracht wird. Dies sei hier der Fall gewesen, meint der Beklagte weiter.
AG Marl: Zahlungen aus Konto der Mutter mit Makel nach § 118 Abs. 4 SGB VI „infiziert“
Das AG Marl ist der Auffassung des Beklagten nicht gefolgt und hat dem Klageantrag weitgehend entsprochen. Nach Auffassung des Gerichts steht die Auffassung des Beklagten nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Die weiteren wesentlichen Überlegungen des Gerichts:
- Vorliegend keine Erfüllungswirkung durch Einzug per SEPA-Lastschrift: Eine Erfüllungswirkung tritt erst dann ein, wenn der betreffende Geldbetrag zur freien Verfügung des Gläubigers überwiesen wird – und zwar endgültig. Dies ist aber nicht der Fall, wenn der Zahlungsempfänger den Betrag nicht behalten darf. Insoweit verweist das Gericht unter anderem auf das BGH-Urteil vom 27.6.2008 – V ZR 83/07.
- Zahlungen aus Konto der Mutter „infiziert“: Der Erfüllungswirkung steht im Streitfall also der Umstand entgegen, dass die Vermieterin die eingezogenen Beträge an die Deutsche Rentenversicherung zurückzahlen muss. Das heißt, alle Zahlungen aus dem Konto der Mutter waren bereits mit dem Makel von § 118 Abs. 4 SGB VI „infiziert“, so das AG weiter.
- Beklagter nicht schutzwürdig: Der Beklagte ist auch nicht schutzwürdig. Denn er wusste, dass er auf die Rentenzahlungen keinerlei Anspruch hatte. Demgegenüber wird die formelle Empfängerin der Renten-Leistungen – also hier die Vermieterin – bessergestellt. Sie kann sich wegen der Miete mangels Erfüllung noch immer an den Beklagten halten.
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Im Wortlaut: § 118 Abs. 4 SGB VI – Fälligkeit und Auszahlung |
(4) 1 Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. [2 …]
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(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht