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Bielefeld: Die Stadt, die es laut einer Satire, aus der einige Verschwörungstheorien entstanden sind, nicht geben soll – mit Nikolaikirche und der Neustädter Marienkirche [Foto: EdLantis / stock.adobe.com)
Millionenklage ohne Erfolg

Aufregung um „Bielefeld-Verschwörung“

ESV-Redaktion Recht
05.03.2024
Gibt es Bielefeld oder gibt es die Stadt nicht? Letzteres behauptete jedenfalls der Teilnehmer einer „Auslobung“ über 1 Mio EUR, die die Beklagte für die Stadt Bielefeld betrieben hatte. Was als Scherz gemeint war, landete schließlich vor dem LG Bielefeld, denn der Teilnehmer klagte den ausgelobten Betrag ein. In einem kürzlich veröffentlich Urteil hat das LG Bielefeld über den Anspruch entschieden.
In dem Streitfall hatte die Beklagte für die Stadt Bielefeld zum 25. Jubiläum der sogenannten  „Bielefeld-Verschwörung“ für den Beweis, dass es die Stadt nicht gibt, über ihre Internetseiten und soziale Medien ein Preisgeld von 1 Mio. EUR ausgelobt. Der Kläger meinte, er habe den Beweis für die Nichtexistenz der Stadt erbracht.

Grundlage seiner Forderung ist ein Text, den er zur Teilnahme an der Auslobung an die Beklagte schickte. Nach seiner Auffassung war auch der sogenannte axiomatische Beweis zulässig, weil die Beklagte diese Art des Beweises in ihrer Auslobung nicht ausgeschlossen hatte.
 

Das Axiom des Klägers


  • Menschen treffen keine Falschaussage, wenn die Wahrheit offenkundig ist.
  • Beweis Satz 1: Die Existenz oder Nicht-Existenz einer Stadt ist offenkundig.
  • Beweis: Das statistische Bundesamt pflegt z.B. ein offizielles Gemeindeverzeichnis.
  • Hauptsatz: Die Stadt Bielefeld existiert nicht.


Die weiteren Überlegungen des Klägers

Zwar ist die Existenz der Stadt Bielefeld auch dem Kläger zufolge für jeden sinnlich wahrnehmbar. Aber gerade deshalb, wäre ein theoretisch abstrakter Beweis erforderlich, der außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung liegt, meint er hierzu weiter. Erkenntnistheoretisch sei nämlich auch die Sinneswahrnehmung eine Übereinkunft und daher nicht in jedem Fall für eine unbestreitbare Feststellung der Wirklichkeit geeignet.
 
Deshalb ist auch bei Sinneswahrnehmungen davon auszugehen, dass Abweichungen hiervon bewiesen werden könnten. Innerhalb des vom Kläger gewählten Axioms wäre sein Beweis deshalb nicht widerlegbar, so seine Logik.

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LG Bielefeld: Keine ernstgemeinte Auslobung

Die 1. Zivilkammer des LG Bielfeld folgte der Ansicht des Klägers nicht und wies die Klage ab. Nach Auffassung der Kammer war die Marketingaktion der Beklagten einschließlich der Teilnahmebedingungen eine scherzhafte Marketingaktion. Die weiteren wesentlichen Überlegungen der Kammer:
 
  • „Verschwörungstheorie“ ist Satire: Die sogenannte „Bielefeld-Verschwörung“ ist keine Verschwörungstheorie, sondern ein satirischer Text, der die offensichtlich abwegige Behauptung enthält, dass die Stadt nicht existiert. Der Autor wollte damit existente Verschwörungstheorien ins lächerliche ziehen.
  • Gemeinsamer Spaß: Die humoristische Ausrichtung der Auslobung war der Kammer zufolge unter anderem auch daran erkennbar, dass der Geschäftsführer der Beklagten in der begleitenden Pressemitteilung so zitiert wurde, dass er mit der „Bielefeld-Verschwörung“ den Bielefeldern einen gemeinsamen Spaß bieten wollte.
  • Autor der „Bielefeld-Verschwörung“ verneint Ernsthaftigkeit: Ebenso habe der Autor der „Bielefeld-Verschwörung“ mit seiner Äußerung in der Pressemitteilung verdeutlicht, dass die Bielefelder humorvoll mit der Geschichte umgehen. Zudem habe er betont, dass die Aktion einen kreativen, künstlerischen Charakter hat und keinen ernsthaften Beweis suche, meint die Kammer hierzu.
  • Axiomatischer Beweis widerlegbar: Zum axiomatischen Beweis führte die Kammer dann aus, dass dieser nur innerhalb des jeweiligen axiomatischen Systems gültig ist und darüber hinaus weder unumstößlich noch erschöpfend wäre. Auch der Kläger habe stets ausgeführt,  seinen Beweis lediglich innerhalb des von ihm gewählten Axioms geführt zu haben. Außerhalb dieses Systems ist der Beweis selbst dem Kläger zufolge widerlegbar. 
Quelle: Urteil des LG Bielefeld vom 14.07.2023 – 1 O 181/22


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(ESV/bp)
 

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