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BAG: Kosten zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen sind ganz konkret darzulegen (Foto: ijeab/AdobeStock / stock.adobe.com)
Erstattungsansprüche im Arbeitsrecht

BAG zum Ersatz von Anwaltskosten für Ermittlungen gegen Arbeitnehmer wegen Compliance-Verstößen

ESV-Redaktion Recht
04.05.2021
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Arbeitnehmer dazu verpflichtet sein, seinem Arbeitgeber Kosten für Ermittlungen gegen ihn wegen Compliance-Verstößen zu ersetzen? Hierüber hat das BAG aktuell entschieden und die Anspruchsvoraussetzungen konkretisiert.
In dem Streitfall leitete der Kläger bei der Beklagten den Zentralbereich Einkauf und gehörte zur Führungsebene. Sein Jahresgehalt bezifferte sich auf zuletzt 450.000 Euro. Während seiner Tätigkeit gingen bei der Beklagten mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen etwaiger Compliance-Verstöße des Klägers ein. Daher veranlasste das zuständige Gremium der Beklagten eine Untersuchung und schaltete eine Anwaltskanzlei ein, die auf Compliance-Ermittlungen spezialisiert ist.  

Aus dem Untersuchungsbericht der Kanzlei ergab sich, dass der Kläger unter anderem dritte Personen auf Kosten der Beklagten zum Essen eingeladen hatte – und zwar ohne dienstliche Veranlassung. Darüber hinaus hatte er gegenüber der Beklagten Kosten abgerechnet für Reisen zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München. Die Tickets erhielt der Kläger auf Anforderung von Geschäftspartnern der Beklagten. Für ihre Tätigkeit stellte die Anwaltskanzlei der Beklagten auf der Basis eines Honorars von 350 Euro pro Stunde insgesamt 209.679,68 Euro in Rechnung.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger fristlos. Hilfsweise sprach sie eine ordentliche Kündigung aus – und zwar wegen Verstoßes gegen das Schmiergeldverbot, der Abrechnung von privaten Auslagen auf Kosten der Beklagten sowie des mehrfachen Spesenbetrugs. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die jedoch rechtskräftig abgewiesen wurde.

Demgegenüber verlangte die Beklagte mit einer Widerklage Ersatz der Ermittlungskosten, die ihr die Anwaltskanzlei in Rechnung gestellt hatte. Der Kläger meint hingegen, dass diesen Ansprüchen § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG entgegensteht. Außerdem habe die Beklagte die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargelegt.

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LArbG: Beklagte kann Ersatz für die Kosten verlangen, die bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden sind

Die Ausgangsinstanz hatte die Widerklage abgewiesen. Die Berufungsinstanz – das LArbG Baden-Württemberg – sprach der Arbeitgeberin 66.500 Euro zu. Demnach konnte diese nur den Ersatz der Kosten verlangen, die durch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden sind. Gegen die Entscheidung des LArbG wendete sich der Kläger mit einer Revision. 

BAG: Ersatz der Kosten nur bei konkreter Darlegung ihrer Notwendigkeit

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Nach Auffassung des Achten Senats des BAG kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die notwendigen Kosten einer spezialisierten Anwaltskanzlei nur unter den folgenden Voraussetzungen ersetzt verlangen:

  • Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung: Zunächst muss der Arbeitgeber die Kanzlei aufgrund eines konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Verfehlung beauftragt haben.
  • Überführung durch die Kanzlei: Die betreffende Kanzlei muss den Arbeitnehmer dieser schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt haben. In diesem Fall gehören die notwendigen Aufwendungen zur Abwendung drohender Nachteile des Geschädigten zum Schaden des Arbeitgebers, der nach § 249 BGB zu ersetzen wäre.
  • Erforderlichkeit der Kosten: Die Ersatzpflicht umfasst aber nur das, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch anhand der Umstände des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung für erforderlich ansehen darf. Allein die Zweckmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme reicht dem Senat hierfür nicht aus. Die Vorschrift des § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG steht einem solchen Erstattungsanspruch zwar nicht entgegen. Für die Erforderlichkeit der Kosten ist der Arbeitgeber jedoch darlegungs-und beweispflichtig. 

Aber – Erforderlichkeit der Aufwendungen nicht ausreichend dargelegt

In dem Streitfall hatte die Arbeitgeberin aber nicht dargelegt, dass die von ihr beanspruchten Kosten erforderlich waren. Insoweit hätte sie substantiiert vortragen müssen,

  • welche konkreten Tätigkeiten oder Ermittlungen die beauftragte Kanzlei
  • wann und in welchem zeitlichen Umfang
  • und wegen welchen konkreten Verdachts
gegen den Kläger durchgeführt hat. 

Quelle: PM des BAG vom 29.04.2021 zur Entscheidung vom selben Tag – 8 AZR 276/20



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(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht