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40 bis 50 Prozent der US-amerikanischen Ärztinnen und Ärzte leiden an Bournout. (Foto: Engin_Akyurt/Pixabay)
Frauen stärker gefährdet als Männer

Beschäftigte im Gesundheitswesen haben ein ungleiches Suizidrisiko

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
09.11.2023
Lange und unregelmäßige Arbeitszeiten, hohe emotionale Belastungen bei der Betreuung Schwerkranker und häufig fehlende Erfolgserlebnisse belasten nicht nur Ärztinnen und Ärzte. In einer Kohortenstudie war das Suizidrisiko bei Pflegekräften sogar höher als bei Ärztinnen und Ärzten, wobei Frauen stärker gefährdet waren als Männer.
Laut der Veröffentlichung im American Journal of Medicine (JAMA 2023; DOI: 10.1001/jama.2023.15787) hatten nur die begleitenden medizinischen Disziplinen ein geringeres Suizidrisiko als der Rest der Bevölkerung.

Die hohe Prävalenz des Burnout-Syndroms, an dem Studien zufolge 40 bis 50 Prozent der US-amerikanischen Ärztinnen und Ärzte leiden, und ein traditionelles Berufsbild, nach dem akademisch ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner immer über den Dingen stehen und nie psychische Schwächen zeigen dürfen, haben in den letzten Jahren die Diskussion um emotionale Überlastung im Gesundheitswesen geprägt.

Allerdings zeigen epidemiologische Studien, dass das Suizidrisiko von Ärzten trotz zunehmender Belastungen zurückgegangen ist. In einer (qualitativ allerdings fragwürdigen) Metaanalyse war die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) durch Suizid im Zeitraum 1963 bis 2002 bei Ärztinnen noch mehr als doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung (SMR 2,27) und bei Ärzten um 41 Prozent erhöht (SMR 1,41). In einer neueren Metaanalyse (1969-2018) betragen die SMR für Ärztinnen noch 1,94 und für Ärzte 1,24.

Die aktuelle Studie mit 1,8 Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikanern, darunter 13.000 Ärztinnen und Ärzten, weist für den Zeitraum von 2008 bis 2019 „nur“ noch ein um 11 Prozent erhöhtes Suizidrisiko für Medizinerinnen und Mediziner im Vergleich zu Nichtmediziner:innen auf, wobei die adjustierte Hazard Ratio von 1,11 mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,71 bis 1,72 statistisch nicht signifikant ist.

Wesentlich stärker gefährdet waren nach den von Mark Olfson von der Columbia University in New York präsentierten Daten examinierte Krankenpflegekräfte mit einer adjustierten Hazard Ratio von 1,64 (1,21-2,23) und sonstige Pflegekräfte („Health Care Support Workers“) mit einer adjustierten Hazard Ratio von 1,81 (1,35-2,42).

Ebenfalls gefährdet sind „Health Technicians“ (Laborpersonal, Techniker:innen, Sanitäter:innen etc.) mit einer adjustierten Hazard Ratio von 1,39 (1,02-1,89), wohingegen das Suizidrisiko für Psychologen und Psychologinnen sowie für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen mit einer adjustierten Hazard Ratio von 1,14 (0,75-1,72) wie bei den Ärzt:innen nicht signifikant erhöht ist.

Demgegenüber wiesen Angehörige bestimmter medizinischer Begleitdisziplinen wie Chiropraktik, Diät- und Ernährungsberatung, Ergotherapie, Logopädie, Apotheken und Zahnheilkunde mit einer bereinigten Hazard Ratio von 0,61 (0,36-1,03) tendenziell ein geringeres Suizidrisiko auf als die übrige Bevölkerung.

Frauen sind im Gesundheitswesen mit einer bereinigten Hazard Ratio von 1,50 (1,21-1,87) weiterhin stärker gefährdet als Männer, deren Suizidrisiko mit einer bereinigten Hazard Ratio von 1,13 (0,90-1,42) nicht bedeutsam höher ist als in nicht-gesundheitsbezogenen Berufen. Die Gründe, warum Frauen im Gesundheitswesen ein höheres Suizidrisiko haben als Männer, sind nicht bekannt.

Dass Ärztinnen und Ärzte im Vergleich zu anderen Gesundheitsberufen insgesamt resilienter sind, könnte mit einer gesünderen Lebensweise zusammenhängen. So zeigte eine frühere Studie aus Kanada in JAMA Network Open (2019; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2019.15983), dass Ärztinnen und Ärzte deutlich seltener an Bluthochdruck (16,9 % vs. 29,6 %) und Diabetes (5,0 % vs. 11,3 %) litten, seltener rauchten (13,1 % vs. 21,6 %) und bessere LDL-Cholesterinwerte aufwiesen (33,2 % vs. 36,8 % mit weniger als 130 mg/dl), obwohl sie laut der Studie seltener regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen wahrnahmen.

Auch die Vorstellung, dass Ärzte vorzeitig sterben, ist zumindest für US-amerikanische Ärzte nach einer Studie im American Journal of Preventive Medicine (2000; DOI: 10.1016/S0749-3797(00)00201-4) nicht zutreffend. „Weiße“ US-Mediziner waren bei ihrem Tod mit 73,0 Jahren älter als Juristen (72,3 Jahre), Fachkräfte (70,9 Jahre) und die Gesamtgruppe aller Männer (70,3 Jahre). Afroamerikaner starben in allen Berufen deutlich früher: Ärzte mit 68,7 Jahren, Juristen mit 62,0 Jahren, Fachkräfte mit 65,3 Jahren und Männer insgesamt mit 63,6 Jahren (für Frauen liegen in der Studie keine Daten vor).

Weiterführende Links

Abstract der Studie
Hintergrund zur Studie
Abstract der Studie in JAMA Network Open
Abstract der Studie im American Journal of Preventive Medicine

Quelle: rme/aerzteblatt.de

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