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BGH: Zwischen der Aufklärung durch den Arzt und der Einwilligung des Patienten zu einer OP muss kein bestimmter Zeitraum liegen (Foto: / stock.adobe.com)
Arzthaftung

BGH: Grundsätzlich keine Bedenkzeit für Einwilligung des Patienten zu medizinischer Behandlung

ESV-Redaktion Recht
10.02.2023
Muss ein Arzt, der einen Patienten operieren will, nach der Aufklärung über die Risiken der Operation (OP) eine Bedenkzeit geben, damit die Einwilligung in die OP wirksam wird? Hierzu hat sich der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Urteil geäußert.
In dem Streitfall empfahl der behandelnde Hals-Nasen-Ohrenarzt seinem Patienten wegen anhaltender Ohrenbeschwerden eine operative stationäre Behandlung. Daher begab sich der Patient in das Krankenhaus der Beklagten, in der zunächst eine OP geplant wurde. Die dortige Ärztin führte ein Aufklärungsgespräch mit dem Patienten und erläuterte ihm die Risiken des Eingriffs.
 
Gleich anschließend unterschrieb der Patient auf Bitten der Ärztin seine Einverständniserklärung zu der anstehenden OP, die drei Tage später durchgeführt wurde. Hierbei wurde der Patient an der Hirnhaut und der vorderen Hirnschlagader verletzt. Zudem wurde linke Riechnerv durchtrennt.
 
Im Rahmen seiner Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld berief sich der Patient auf Behandlungsfehler. Er machte aber auch geltend, dass er nicht richtig aufgeklärt wurde, weil ihm vor Erteilung seiner Einwilligung keine hinreichende Bedenkzeit eingeräumt worden sei.

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OLG Bremen: Keine „wohlüberlegte“ Entscheidung des Klägers

Vor der Ausgangsinstanz – dem LG Bremen – hatte die Klage keinen Erfolg. Das OLG Bremen nahm als Berufungsinstanz (siehe unten) allerdings einen Aufklärungsfehler an. Demnach hatte das beklagte Krankenhaus dem Patienten keine ausreichende Bedenkzeit im Sinne von § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB (siehe unten) gelassen. Nach dieser Norm muss die Aufklärung des Patienten so rechtzeitig erfolgen, dass dieser seine Entscheidung „wohlüberlegt“ treffen kann. Weil das Krankenhaus seine Patienten in der Regel aus organisatorischen Gründen unmittelbar nach der Aufklärung zur schriftlichen Einwilligung bewegt, ist dem OLG zufolge von einem Aufklärungsfehler auszugehen. Gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz zog das beklagte Krankenhaus mit einer Revision vor den BGH.
 

BGH: Kein bestimmter Zeitraum zwischen Aufklärung und Einwilligung erforderlich

Das Rechtsmittel hatte Erfolg: Der VI. Zivilsenat des BGH verneinte einen Aufklärungsfehler und verwies die Sache an die Berufungsinstanz zurück. Die tragenden Erwägungen des Senats:
 
  • Keine Sperrfrist in § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB: Die benannte Norm enthält keine Sperrfrist zur Einwilligung in einen operativen Eingriff. Demnach ist es nicht erforderlich, dass zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen muss.
  • Ausdrückliches Erbeten einer Bedenkzeit ist Sache des Patienten: Im Anschluss an die Aufklärung kann ausschließlich der Patient bestimmen, wann er sich für oder gegen die betreffende Behandlung entscheidet. Dies kann er auch unmittelbar nach der Aufklärung tun. Es steht ihm aber frei, sich eine Bedenkzeit einräumen zu lassen. Daher, so der Senat weiter, kann von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringt und seine Einwilligung zunächst nicht erteilt.
  • Es sei denn, dem Arzt liegen Anhaltspunkte für erforderliche Bedenkzeit vor: Anders wäre die Sache dann zu bewerten, wenn dem Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient noch weitere Zeit für seine Entscheidung braucht und eine entsprechende Verzögerung medizinisch vertretbar ist.
Der Senat hat die Sache dennoch an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob dem beklagten Krankenhaus bei der Operation Behandlungsfehler unterlaufen sind.
 
  

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung III

Die Prozesslawine rollt weiter

Die Zahl der Schadensersatzprozesse, die Patienten gegen ihren Arzt führen, weil er einen Behandlungsfehler begangen oder seine ärztliche Aufklärungspflicht verletzt haben soll, ist gleichbleibend hoch. Für Ärzte wiederum bedeuten die Gefahr eines solchen Prozesses und die drohende Haftung eine wesentliche Belastung, auch bei ihrer Berufsausübung.

Unerschöpfliche Informationsquelle: Die Sammlung Arzthaftpflicht-Rechtsprechung bietet seit Jahrzehnten einen umfassenden und zuverlässigen Überblick über die Rechtsprechung auf diesem Gebiet. Nicht ohne Grund erntet die Sammlung seit Erscheinen des ersten Teils deshalb auch hervorragende Kritiken.

Mittlerweile ein Klassiker auf dem Gebiet des Arzthaftpflichtrechts, enthält das Gesamtwerk alle seit 1949 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen sowie rechtskräftige, schwer zugängliche Entscheidungen der unteren Instanzen. Die Entscheidungen werden von Richtern aus den Spezialsenaten für Arzthaftpflichtrecht am BGH und an den Oberlandesgerichten mit hoher medizinischer Fachkompetenz ausgewählt und dem überzeugenden Konzept der Sammlung folgend übersichtlich nach Sachgebieten aufbereitet.

Darüber hinaus sind die Entscheidungen den medizinischen Fachgebieten mit entsprechenden Hinweisen zugeordnet. Anmerkungen zu einzelnen Entscheidungen enthalten z. T. Hinweise auf Besprechungen oder auf Zusammenhänge mit anderen Urteilen.

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung bietet Antworten auf wichtige Fragen:

  • Welche Pflichten hat ein Arzt?
  • Wie weit muss der Patient aufgeklärt werden und welche Rechtsfolgen hat eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht?
  • Wer haftet für Fehler von Hilfskräften?
  • Wer trägt im Prozess wofür die Darlegungs- und Beweislast?
  • Welche weiteren speziellen prozessrechtlichen Probleme sind zu beachten? 

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung besteht aus drei Teilen: Teil III umfasst Entscheidungen ab dem Jahr 2000 bis heute, Teil II von 1993 bis 1999, Teil I von 1949 bis 1992. Diese Sammlung ist weiterhin als ergänzbare Printausgabe im praktischen Ordner erhältlich.

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Im Wortlaut: § 630e Absatz 2 Nr. 2 BGB – Aufklärungspflichten
(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären […]
 
(2) Die Aufklärung muss
 
1.       […]
 
2.       so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, […]


  (ESV7bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht