
BGH: Hohe Anforderungen an Aufklärung bei Lebendorganspende
- Kein ordnungsgemäßes Aufklärungsprotokoll: Die Beklagten hatten keine ordnungsgemäße Niederschrift über das Aufklärungsgespräch angefertigt.
- Kein neutraler Arzt anwesend: Zudem war bei dem Aufklärungsgespräch kein neutraler Arzt anwesend.
Vorinstanzen weisen Klagen ab
Die Ausgangsinstanz, das Landgericht (LG) Essen, hat beide Zahlungsklagen auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für kommende Schäden abgewiesen. Auch die Berufung der Kläger war erfolglos. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm führen diese formalen Verstöße nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Einwilligung der Klägerin in die Organentnahme.Eine Haftung der Beklagten sahen die Richter aus Hamm auch nicht aus der inhaltlich unzureichenden Risikoaufklärung. Hier greife der von den Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung. Danach haben beide Klageparteien nicht plausibel dargelegt, dass sie ihre Organspenden bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht hätten durchführen lassen.
Aber – Revision zugelassen
Das OLG Hamm hat allerdings in beiden Fällen die Revisionen zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Beide Kläger verfolgten daher ihre Schadenersatzansprüche weiter.Der kostenlose Newsletter Recht - Hier geht es zur Anmeldung! |
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BGH: Organentnahmen rechtswidrig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dies muss nun Feststellungen zu den jeweiligen Schadensumfängen der beiden Kläger treffen. Damit hat der BGH die Ansprüche der Kläger dem Grunde nach bejaht. Die tragenden Gründe:Fehlende Aufklärung nach § 8 TPG für Beklagte zwar unschädlich
Zwar folgten die klägerischen Anspüche dem VI. Zivilsenat des BGH zufolge nicht aus den Verstößen gegen § 8 TPG. Diese Regeln sieht der Senat lediglich als Form- und Verfahrensvorschriften an, die die Pflicht des Arztes zur Selbstbestimmungsaufklärung des Spenders begleiten. Verstöße gegen derartige Vorgaben führen nicht per se zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Patienten.
Dennoch – mangelnde inhaltliche Aufklärung
Beide Klagerparteien wurden aber nicht ordnungsgemäß über die gesundheitlichen Folgen der Organentnahme für ihre Gesundheit aufgeklärt. Die Klägerin des Verfahrens VI ZR 495/16 hätte zudem über die Möglichkeit, dass ihr Vater die Spenderniere verlieren könnte, aufgeklärt werden müsse. Bei diesem bestand aufgrund einer Vorerkrankung ein erhöhtes Verlustrisiko.
Inhaltliche Aufklärungsmängel machen Einwilligungen unwirksam
Nach Auffassung des Senats führen diese Aufklärungsmängel zur Unwirksamkeit der Einwilligungen der klagenden Parteien und damit zur Rechtswidrigkeit der jeweilgen Organentnahmen.
Einwand der hypothetischen Einwilligung unerheblich
Den Einwand der Beklagten, wonach die Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Organentnahme eingewilligt hätten, ließ der Senat nicht gelten. Dieses Ergebnis begründen die Karlsruher Richter wie folgt:
- Kein Niederschlag im TPG: So finde sich der von der Beklagten angeführte allgemeine Grundsatz zum Arzthaftungsrecht nicht in den Spezialregelungen des Transplantationsgesetz wieder. Daraus schließt der Senat, dass die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten Aufklärungsvorgaben des § 19 Absatz 1 Nr. 1 TPG den Organspender davor schützen sollen, sich selbst zu schaden.
- Besondere Konfliktsituation: Gerade bei der Spende einer Niere, die sich nicht regenerieren kann – und die nur für eine besonders nahestehende Person zulässig ist – sieht der Senat den Spender in einer besonderen Konfliktsituation, in der jede Risikoinformation für ihn relevant sein kann.
- Freiwilligkeit muss verifiziert werden: Darüber hinaus wäre die echte Freiwilligkeit der Spende vorab durch eine Kommission zu verifizieren.
Vertrauen in Transplantationsmedizin muss erhalten bleiben
Dies, so die Karlsruher Richter abschließend, würde das notwendige Vertrauen potentieller Lebendorganspender in die Transplantationsmedizin erschüttern. Die Einhaltung der Vorgaben des Transplantationsgesetzes sehen sie daher als unabdingbare Voraussetzung an, die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig zu fördern.Quelle: PM vom 29.01.2019 zur Entscheidung vom selben Tag – AZ:VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17
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Arzthaftpflicht-RechtsprechungUnerschöpfliche Informationsquelle – herausgegeben von: Eva Ohlsberg
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(ESV/bp)
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