BGH: Ein freies und kreatives Schaffen liegt nicht vor, wenn technische Regeln, Erfordernisse oder andere Zwänge die Gestaltung eines Werks bestimmen (Foto: Blackosaka und AllebaziB /Fotolia.com)
Schöpfungshöhe im Urheberrecht
BGH verneint Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen
ESV-Redaktion Recht
24.02.2025
Sandalen von Birkenstock haben sich im Laufe der Jahre längst zu Kultschuhen entwickelt. Kein Wunder, dass es viele Nachahmer gibt. Weil die Fristen zur Beantragung von Designschutz aber längst abgelaufen sind, wollte die Herstellerin aus Rheinland-Pfalz ihre Konkurrenten über das Urheberrecht an dem Vertrieb ihrer Produkte hindern. Daher musste der BGH nun in mehreren Parallelverfahren über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit einiger Birkenstockmodelle befinden.
Dabei ging es um das Modell „Arizona“, eine Sandale mit zwei breiten Riemen, auch bekannt geworden durch dem Hollywoodfilm „Barbie“ aus dem Jahr 2023. Weitere Streitobjekte waren die Modelle „Madrid“ und „Gizeh“ sowie der Clog „Boston“.
Nach Auffassung der Klägerin sind die von ihr vertriebenen Sandalen urheberrechtlich geschützt – und zwar als Werke der angewandten Kunst. Daher verletzen die Angebote und Produkte der Beklagten die an den Sandalen bestehenden Urheberrechte, so die Klägerin weiter. In allen Verfahren verlangt sie von den jeweiligen Beklagten daher Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Darüber hinaus verlangt sie jeweils einen Rückruf sowie die Vernichtung der Sandalen und zog vor das LG Köln.
Vorinstanzen uneinig
Vor dem Kölner LG hatte die Klägerin Erfolg. Demgegenüber hat die Berufungsinstanz, das OLG Köln, die Klagen abgewiesen, weil es einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalen ablehnte. Das OLG hat in allen Verfahren aber die Revisionen zugelassen. Dementsprechend rief die Klägerin den BGH an.
Der kostenlose Newsletter Recht – Wir freuen uns auf hre Anmeldung! |
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps
|
BGH: Schöpfungshöhe nicht erreicht
Die Revisionen blieben auch vor dem I. Zivilsenat des BGH erfolglos. Nach Auffassung des Senats genießen die streitgegenständlichen Sandalen keinen Urheberrechtsschutz als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Absatz 1 Nr. 4, Absatz 2 UrhG. Demnach hat das OLG Köln zutreffend angenommen, dass der urheberrechtliche Schutz einen gestalterischen Freiraum voraussetzt, den der Werkschöpfer in künstlerischer Weise genutzt haben muss. Die weiteren Erwägungen des Senats:
- Zur Schöpfungshöhe: Ein freies und kreatives Schaffen liegt nicht vor, wenn technische Regeln, Erfordernisse oder andere Zwänge die Gestaltung eines Werkes bestimmen. Damit ist das rein handwerkliche Schaffen unter der Nutzung von formalen Gestaltungselementen nicht urheberrechtsschutzfähig. Notwendig ist eine Gestaltungshöhe, die eine gewisse Individualität erkennen lässt. Darüber hinaus muss derjenige, der sich auf Urheberrechtsschutz beruft, die Voraussetzungen für den Schutz darlegen und beweisen.
- Zutreffende Würdigung der Vorinstanz: Das Berufungsgericht hat nach weiterer Auffassung des Senats sämtliche Gestaltungsmerkmale beleuchtet, die nach Ansicht der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalen begründen sollen. Dabei sei die Vorinstanz bei ihrer tatrichterlichen Würdigung beanstandungsfrei dem Ergebnis gekommen, dass bei den streitgegenständlichen Sandalen kein künstlerischer Gestaltungsspielraum in einem solchen Maße ausgeschöpft wurde, dass die Sandalen urheberrechtlich geschützt wären.
Geschlagen geben will sich die Birkenstockgruppe aber noch nicht. Zahlreichen Medienberichten zufolge hat die Klägerin weitere Verfahren in anderen Ländern angekündigt und hofft möglicherweise auch auf den EuGH.
Quelle: PM des BGH vom 20.02.2025 zu den Enscheidungen vom selben Tag - I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24
 |
Das Buch zum Werk.
Herausgegeben von: Prof. Dr. Dr. Dr. Marcel Bisges
Völlig neue Verwertungsmöglichkeiten und Nutzungsgewohnheiten haben das Urheberrecht im digitalen Zeitalter zuletzt vielseitig in Bewegung gehalten – ob mit Neuregelungen insb. zum Urhebervertragsrecht, zu Vergütungsansprüchen und Verlegerbeteiligungen oder auch geänderten Verantwortlichkeiten etwa von Upload-Plattformen. Einen praxisnahen Wegweiser durch das nationale und europäische Urheberrecht unter Berücksichtigung neuester EuGH-/BGH-Entscheidungen bietet Ihnen dieses Berliner Handbuch. Ein hochkarätiges Expertenteam aus Forschung, (fach-)anwaltlicher und notarieller Praxis bündelt die wichtigsten Kompetenzen und Perspektiven. +++ Typische Anwendungs- und Beurteilungsfragen
- Rechtliche und ökonomische Bewertung der Schöpfungs-, Gestaltungs- oder Werkhöhe (Stichwort „Kleine Münze“)
- Beweis der Urheberschaft, auch bei Miturheberschaft im Team
- Bestimmbarkeit zu übertragender Rechte, Verteilungsgerechtigkeit, Rolle der Verwertungsgesellschaften u.v.m.
- Vererbung des Urheberrechts oder auch zwangsweise Verwertung / Umgang mit Insolvenzen
- Urheberrechtsverletzungen und -straftaten
+++ Neue Herausforderungen digitaler Medien
- Leistungsschutzrechte und Auswirkungen der Digitalisierung
- Erschöpfung bei der elektronischen Verwertung
- Anwendung der Schrankenreglungen bei der Berichterstattung in digitalen Medien
- Kopierfreiheiten und deren Unzulänglichkeiten
- Grenzen der zustimmungspflichtigen Nutzung bei Software u.v.m.
+++ EU-Harmonisierung und internationales Urheberrecht
- Europäische Rechtsentwicklung, Rechtsprechung des EuGH und Richtlinien-Gesetzgebung
- Europäischer Werkbegriff und das Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs
- NEU: Urheberrecht in den USA in einem zusätzlichen Kapitel
Add-on mit Mustern und Materialien Die Fülle nützlicher Text- und Vertragsmuster, Klauselbeispiele und Checklisten finden Sie zusätzlich in editierbarer Form online. Stimmen zur Vorauflage „… eine gelungene Gesamtdarstellung des Urheberrechts in einem Praxishandbuch. (…) Möge es ein Standardwerk in der Reihe von Handbüchern werden.“ Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke, Humboldt-Universität, Berlin, in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), 12/2016 "… für den gestandenen Praktiker, aber auch für Jurastudenten, die den ersten Einstieg ins Urheberrecht suchen, exzellent. Insofern mein Glückwunsch an Bisges und seine Autoren." Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster, in: MultiMedia und Recht (MMR), 1.9.2016
|
Verlagsprogramm l |
Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht
|
Im Wortlaut: § 2 Absatz 1 Nr. 4 und Absatz 2 UrhG |
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: […] 4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; […] (2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen. |
Programmbereich: Wirtschaftsrecht
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht