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Liegen in Unterbringungssachen neue Tatsachengrundlagen zum bisherigen Sachverhalt vor, ist eine neue Anhörung erforderlich, so der VII. Zivilsenat des BGH (Foto: nmann77 / stock.adobe.com)
Unterbrigung und Zwangsmedikation

BGH zu den Voraussetzungen der medizinischen Zwangsbehandlung

ESV-Redaktion Recht
24.07.2024
Eine Zwangsmedikation ist grundsätzlich nur auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens eines Psychiaters erlaubt. Doch kann der Gutachter auch ein Neurologe sein? Hiermit und mit der Frage, wann der Betroffene anzuhören ist, hat sich der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss befasst. 
In dem Streitfall litt der Betroffene unter einer sogenannten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Seit Januar 2023 stand er unter Betreuung, wobei der Aufgabenkreis der Betreuerin die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge sowie Entscheidungen über freiheitsentziehende Unterbringungen umfasste. Im Oktober 2023 sprang der Betroffene dann aus dem Küchenfenster seines Elternhauses und brach sich beide Fersenbeine. Seit dem 17.11.2023 befindet sich er sich – nach mehreren vorherigen Unterbringungen – erneut in einer Unterbringungseinrichtung.

Nach dem Sprung aus dem Fester beantragte seine Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung des Betroffenen auch über den 10.02.2024 hinaus. Das AG Marsberg genehmigte dann mit Beschluss vom 08.02.2024 (2 XVII 95/22) die Zwangsbehandlung bis zum 21.03.2024 – und zwar mit dem Medikament Zypadhera sowie mit dem Medikament Clexane. Vorher hatte der Betroffene sein Einverständnis mit einer medikamentösen Behandlung zurückgezogen.
 
Gegen den erstinstanzlichen Beschluss wendete sich der Betroffene mit einer Beschwerde an das LG Arnsberg. Mit Beschluss vom 06.03.2024 (I-5 T 49/24) bestätigte das LG die Entscheidung der Ausgangsinstanz. Das Beschwerdegericht stützte sich dabei aber – ohne Anhörung des Betroffenen – auf ein neues Gutachten. Dieses hatte ein Neurologe gefertigt. Die Entscheidung des LG griff der Betroffene dann mit einer Rechtsbeschwerde zum BGH an.

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BGH: Gutachten eines Neurologen grundsätzlich keine Grundlage für Zwangsmedikation

 
Der VII. Zivilsenat des BGH erklärte die Anordnung der Zwangsbehandlung für rechtswidrig. Zum einen fand keine erneute Anhörung des Betroffenen statt. Zum anderen hatte der Gutachter seine Eignung nicht dargelegt. Die wesentlichen weiteren Erwägungen des Senats hierzu:
 
  • Fehlende erneute Anhörung: Dem Senat zufolge ist eine neue Anhörung im Sinne von § 319 Absatz 2 Satz 1 FamFG erforderlich, wenn das Gericht bei seiner Bewertung zum bisherigen Sachverhalt weitere Tatsachengrundlagen hinzuzieht. Weil sich die streitige Anordnung auf ein weiteres Gutachten stützte, lag somit auch eine neue Tatsachengrundlage vor. Der Betroffene hat aber das Recht, alle relevanten Umstände diskutieren zu können, sodass eine Entscheidung ohne neue Anhörung rechtswidrig ist, so der Senat weiter.
  • Keine Verwertung des neuen Gutachtens: Darüber hinaus hätte das neue Gutachten nicht mit in die Bewertung des LG einfließen dürfen. Nach § 321 Absatz 1 Satz 4 FamFG muss das Gutachten zur Notwendigkeit einer Unterbringung prinzipiell nämlich von einem Psychiater erstellt werden. Der Sachverständige ist aber Neurologie und hätte deshalb darlegen müssen, welche Erfahrungen er auf dem Gebiet der Psychiatrie hat. 
In dem Streitfall hatten sich die Zwangsbehandlungsmaßnahmen durch Zeitablauf erledigt. Daher stellte der Senat nur noch fest, dass diese den Betroffenen rechtswidrig in seinen Rechten verletzt hatten.
 
 
 


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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht