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BGH: Plattformanbieter haften auch, wenn sie nach Hinweisen von Rechtinhabern nicht unverzüglich handeln (Foto: Blackosaka und AllebaziB/Fotolia.com)
Haftung für Urheberrechtsverletzungen von Plattformnutzern

BGH zur Haftung von Betreibern von Plattformen im Internet

ESV-Redaktion Recht
03.06.2022
Wann können Betreiber von Plattformen im Internet für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haften? Hierüber hat der BGH in einem Verfahren gegen „YouTube“ und in weiteren sechs Verfahren gegen den Sharehosting-Dienst „Uploaded“ entschieden.
Im  Verfahren gegen „YouTube“ hatte der Musikproduzent Frank Peterson geklagt. Mit der Sängerin Sarah Brightman schloss er 1996 einen Künstlerexklusivvertrag, der ihn zur Verwertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtigt. Im November 2008 erschien dann das Studioalbum „A Winter Symphony“ mit Musikwerken der Sängerin. Gleichzeitig startete Brightman ihre Konzerttournee „Symphony Tour“, auf der sie Werke ihres Albums darbot. Beklagte war hier unter anderem die Internetplattform „YouTube“. Anfang November 2008 wurden bei „YouTube“ Videos von privaten Konzertmitschnitten und Musikwerke aus den Alben von Sarah Brightman aufgespielt. Zwar sperrte „YouTube“ aufgrund eines Anwaltsschreibens des Klägers einen Teil der Videos. Am 19.11.2008 waren dort aber erneut Tonaufnahmen von Brightman abrufbar, die mit Standbildern und bewegten Bildern versehen waren. Der Kläger verlangte von den Beklagten Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht.
 
Die Ausgangsinstanz – das LG Hamburg – hat der Klage in Bezug auf drei Musiktitel stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das OLG Hamburg hat die Beklagten als Berufungsinstanz dazu verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum „A Winter Symphony“ öffentlich zugänglich zu machen. Ebenso hat das Berufungsgericht „YouTube“ zur Auskunft über die Nutzer der Plattform verurteilt, die diese Musiktitel hochgeladen hatten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit den Revisionen, die der BGH zugelassen hatte, verfolgte der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagten wollten weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
 
Mit der „YouTube“-Entscheidung befand der Senat über sechs weitere Fälle. Hier ging es um Urheberrechtsverletzungen des Sharehosting-Anbieters „Uploaded“. Geklagt hatten Verlage, Musikunternehmen, die GEMA und die Constantin Filmgesellschaft. Vorinstanzen waren hier das LG München I sowie das OLG München.

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BGH: Plattformbetreiber müssen geeignete technische Vorkehrungen gegen Verletzungen des Urheberrechts treffen

Der I. Zivilsenat BGH legte den Fall „YouTube“ dem EuGH vor. Der Senat wollte wissen, wie das EU-Recht zur Haftung von Plattformbetreibern auszulegen ist. Der EuGH antwortete im Sommer 2021, so dass der Ball wieder beim BGH lag. Konkret entschieden hat der I. Zivilsenat sämtliche Fälle aber noch nicht. Vielmehr hat der Senat die Entscheidungen der jeweiligen Berufungsinstanzen aufgehoben und dorthin zurückverwiesen.


Das Verfahren gegen „Youtube“

Der Senat gab der Revision von Peterson dem Grunde nach statt, soweit das Berufungsgericht dessen Ansprüche wegen „A Winter Symphony“ abgewiesen hatte. Aber auch die Revision von „YouTube“ hatte Erfolg, soweit die Berufungsinstanz die Video-Plattform zur Unterlassung und zur Auskunft über E-Mail-Adressen von Nutzern verurteilt hatte. Nach Auffassung des Senats kommt vom Grunde her eine Haftung der Diensteanbieter für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer in Betracht. Im Wesentlichen umschreibt der Senat drei abstrakte Szenarien: 

  • Geeignete technische Maßnahmen der Plattformbetreiber: Plattformbetreiber handeln rechtswidrig, wenn sie Verletzungen des Urheberrechts nicht glaubwürdig mit geeigneten technischen Vorkehrungen bekämpfen. Dabei reichen reaktive Maßnahmen, die den Rechtsinhabern nur im Nachhinein das Finden von rechtsverletzenden Inhalten erleichtern, nicht aus.
  • Unverzügliches Handeln: Darüber hinaus haften Anbieter, wenn sie nach entsprechenden Hinweisen von Rechtinhabern nicht unverzüglich handeln. Hier änderte der Senat aufgrund der Ausführungen des EuGH seine bisherige Rechtsprechung. Insoweit haften die Betreiber nun als Täter und nicht mehr, wie bisher, als Störer.
  • Förderndes Geschäftsmodell: Schließlich haften die Plattformbetreiber für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer, wenn diese schon aufgrund des Geschäftsmodells der Betreiber dazu angeregt werden, geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen. 

Die Verfahren gegen „Uploaded“

In den sechs Verfahren gegen „Uploaded“ hatten alle Revisionen der Verlage und Kreativ-Unternehmen Erfolg. Aber auch hier muss das Berufungsgericht noch einige Sachfragen klären, wobei die oben aufgezeigten Grundsätze ebenso gelten.
 

Wie es weitergeht

Was die Entscheidungen konkret bedeuten, bleibt aufgrund der Zurückverweisungen an die Instanzgerichte noch offen. Diese Gerichte müssen nun prüfen, ob „YouTube“ oder „Uploaded“ etwa wirksame Maßnahmen in ihre Systeme eingebaut hatten. Nur einfache Formulare, um Rechtsverstöße zu melden, reichen demnach nicht aus, um Urheberrechtsverletzungen entgegenzuwirken. Ob die Plattformen nun tatsächlich Schadenersatz leisten müssen, ist damit noch unklar. Allerdings sahen die Karlsruher Richter vor allem bei „Uploaded“ Anzeichen dafür, dass schon das Geschäftsmodell der Plattform darauf angelegt ist, illegale Inhalte zu begünstigen.
 
Für die neue Rechtslage gilt die aktuelle Entscheidung aus Karlsruhe nur eingeschränkt. Die offene Frage, ob die Betreiber selbst eine öffentliche Wiedergabe vornehmen, wenn deren Nutzer Inhalte auf die Plattformen hochladen, ist nun gesetzlich geregelt. So wurde das deutsche Urheberrecht 2021 mit Wirkung zum 01.08.2021 um das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) ergänzt. Nach der Neuregelung sollen Rechteinhaber wirksamer geschützt werden.
 
Im Wortlaut: Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
§ 19a UrhG: Recht der öffentlichen Zugänglichmachung 
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. 
§ 97 UrhG: Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (…)
 
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (…)

  
Quelle: PM des BGH zu den Urteilen vom 02.06.2022 in den Verfahren I ZR 140/15; I ZR 67/17; I ZR 55/17; I ZR 53/17; I ZR 135/18; I ZR 56/17; I ZR 54/17


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Das Berliner Handbuch Urheberrecht bietet eine umfassende Darstellung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung der für die Praxis wesentlichen Aspekte. Besonders hervorzuheben sind die digitalen Verwertungsmöglichkeiten. Weitere Schwerpunkte: 

  • Werkbegriff und seine Entwicklung,
  • kleine-Münze und ihre ökonomische Komponente,
  • Schaffen eines Werks in Teamarbeit,
  • Erschöpfung bei der elektronischen Verwertung,
  • Schrankenregelungen bei neuen medialen Entwicklungen,
  • Unzulänglichkeit der Kopierfreiheiten bei der Berichterstattung in digitalen Medien,
  • Auswirkungen der Digitalisierung bei Leistungsschutzrechten,
  • Grundsätze des internationalen Urheberrechts.

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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht