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BVerfG: Rundfunkbeitrag mit Ausnahme der Gebühren für Zweitwohnungen verfassungskonform (Foto: Lothar Drechsel/Fotolia.com)
Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags

BVerfG: Rundfunkbeitrag nur für Zweitwohnungen gekippt

ESV-Redaktion Recht
19.07.2018
Rechtmäßige Abgabe oder rechtswidrige Abzocke? Nur wenige Themen werden derart kontrovers diskutiert wie der Rundfunkbeitrag. Mitte Mai verhandelte das BVerfG über die ungeliebte Zwangsabgabe. Nun hat Karlsruhe über das Beitragsmodell, das 2013 geändert wurde, in vier Parallellverfahren grundlegend entschieden.
Gegenstand des Verfahrens vor dem BVerfG sind vier Verfassungsbeschwerden. Diese hatten die Karlsruher Richter aus einer Fülle von Beschwerden ausgewählt. Dabei stützen sich die Beschwerdeführer vor allem auf Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz und ordneten die Gebühren als Steuer ein. Im Zentrum der Kritik standen folgende Punkte:

  • Ungleichbehandlung: Ungleichbehandlung unter den Beitragszahlern, weil die Zahlungspflicht an die Wohnung und nicht mehr, wie zuvor, an die Empfangsgeräte anknüpft. Inhaber von zwei Wohnungen mussten den Beitrag also auch zwei Mal in voller Höhe zahlen.  
  • Steuer: Rundfunkgebühr als Steuer, für die der Bund zuständig wäre und nicht die Länder.
  • Rundfunkbeitrag nach Anzahl der Betriebsstätten verfassungswidrig: Eine weitere Verfassungsbeschwerde hatte der Autovermieter Sixt eingelegt: Als nicht-privater Beschwerdeführer wollte das Unternehmen klären lassen, ob die Bemessung des Rundfunkbeitrags nach Anzahl der Betriebsstätten, Mitarbeitern und Firmenfahrzeugen rechtmäßig ist.


Wie Karlsruhe entschieden hat

Nach Auffassung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Rundfunkbeitragspflicht im Wesentlichen verfassungsgemäß. Hier die wesentlichen Aspekte und Ausnahmen: 

  • Möglichkeit des Rundfunkempfangs ausreichend: Dem Richterspruch zufolge steht das Grundgesetz der Erhebung von Rundfunkbeiträgen nicht entgegen. An den Kosten eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders könnten auch diejenigen beteiligt werden, die einen potentiellen Nutzen von dem Sender haben. Dieser Vorteil liege in der reinen Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nutzen.
  • Rundfunkbeitrag keine Steuer: Aus diesem Grund, so der Richterspruch weiter, wäre der Rundfunkbeitrag auch keine Steuer, sondern vielmehr ein Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinn. Dieser wäre für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung zu entrichten. 
  • Rundfunkgerät wird überwiegend in Wohnung genutzt: Darauf, ob überhaupt ein Empfangsgerät oder ein Nutzungswille vorhanden ist, kommt es nicht an. Im Privatbereich dürfe auch deshalb an das Innehaben von Wohnungen angeknüpft werden, weil der Rundfunk typischerweise dort genutzt werde.

Empfang potenziell überall möglich? 

Die Empfangsmöglichkeit soll für die Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten auch im gesamten Bundesgebiet gegeben sein, so die weitere Prämisse des BVerfG. Dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender inzwischen auf DBVT2-Technik umgestellt haben, und es nach wie vor zahlreiche weiße Fecken gibt, in denen ein terrestrsicher Empfang nicht oder nur sehr schlecht möglich ist, behandelt das Gericht nur am Rande. Ist es dem Beitragsschuldnern objektiv unmöglich, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen, soll es dem Richterspruch zufolge auf Antrag Befreiungen nach § 4 Absatz 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) geben. Doch wann ist der Empfang objektiv unmöglich? 


  • Prinzipiell wäre auch auch in den weißen Flecken stets ein Empfang über Satellit möglich. Objektive Unmöglicheit im bisher im allgemein verstandenen Rechtssinn gibt es also nicht. 
  • Zudem ist das Anbringen einer Satellitenanlage in aller Regel mit zusätzlichen Kosten für Receiver bzw. Sateliitenantenne verbunden.
  • Darüber hinaus können Vermieter die Montage von Satellitenschüsseln untersagen, wenn sie andere geeignete Empfangsmöglichkeiten anbieten, wie zum Beispiel Kabelanschlüsse.
  • Allerdings wären beide Varianten für den Beitragsschuldner mit deutlich höherem Aufwand und Kosten verbunden. Ob die öffentlich-rechtlichen Sender in der gegenwärtigen Situaltion ihrem Versorgungsauftrag gerecht werden, muss bezweifelt werden.

Kein Rundfunkbeitrag für Zweitwohnung 

Unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 3 GG ist der Entscheidung zufolge allerdings, dass Inhaber von Zweitwohnungen einen bisher einen Rundfunkbeitrag leisten mussten. Insoweit haben die obersten Verfassungshüter den zuständigen Landesgesetzgebern aufgegeben, diesen Punkt bis zum 30.06.2020 neu zu regeln.  


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Niederlage für Sixt

Der Autovermieter Sixt hatte außerdem die Beitragspflicht für Unternehmen auf den Prüfstand gebracht. Insoweit bestätigte das Verfassungsgericht aber die bisherige Rechtslage. Nach dieser müssen Firmen für jedes Fahrzeug und jede Niederlassung zahlen, was der Erste Senat des BVerfG wie folgt begründete: 

  • Rundfunkempfang im Mietwagen als Nutzungsvorteil: Hier betonten die Karlsruher Richter den zusätzlichen erwerbswirtschaftlichen Vorteil, der den Unternehmen die Möglichkeit verschafft, Rundfunk in den Mietwagen zu empfangen.
  • Vorteil kann bei Preisbildung berücksichtigt werden: Gerade bei Unternehmen, deren erwerbswirtschaftlicher Zweck schwerpunktmäßig in der Nutzung von Kraftfahrzeugen liegt, soll dieser Nutzungsvorteil dem Gericht zufolge zum Hauptvorteil werden. Danach wäre zum Beispiel ein Autoradio ein abgeltungsfähiger Vorteil, der bei den Mietpreisen für die Fahrzeuge berücksichtigt werden könne.
Quelle: PM des BVerfG vom 18.07.2018 zum Urteil vom selben Tag – 1 BvR 1675/16; 1 BvR 981/17; 1 BvR 836/17; 1 BvR 745/17

 


Fundament unserer Rechtsordnung

Der Berliner Kommentar zum Grundgesetz, herausgegeben von Prof. Dr. Karl Heinrich Friauf, LL.M., und Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., beide Universität zu Köln
  • arbeitet heraus, wie sich die einzelnen Bestimmungen auf das einfache Recht und die praktische Rechtsarbeit auswirken.
  • analysiert dogmatisch fundiert und kritisch reflektierend
  • verdeutlicht die Bezüge zum Gemeinschaftsrecht und zum internationalen Recht
Dabei würdigen die Verfasser die herausragende Bedeutung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ausführlich, ohne damit aber einem „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ das Wort zu reden.

(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht