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BVerwG: Strukturelle Verfahrensmängel, wie etwa die Überlastung der Gerichte, sind dem Staat zuzurechnen (Foto: Manuel Schönfeld und AllebaziB / Fotolia.com)
Überlange Verfahrensdauer bei Truppendiensgerichtverfahren

BVerwG zur Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer

ESV-Redaktion Recht
01.11.2024
Erleidet eine Prozesspartei einen Nachteil, weil das gerichtliche Verfahren zu lange dauert, kann dies Entschädigungsansprüche zur Folge haben. Mit den Fragen, wann ein Verfahren überlang ist, was aber auch der Anspruchsteller beachten muss, hat sich das BVerwG in einem kürzlich veröffentlichten Urteil befasst.  
Gegenstand des Streitfalls war die Dauer eines Wehrdisziplinarbeschwerdeverfahrens. Geklagt hatte ein Fregattenkapitän. Als Kommandant eines Tenders soll er eine ungewollte Schussabgabe, die an Bord zu einem Personenschaden führte, nicht gemeldet haben. Auch den Kontingentführer habe er nicht informiert, so der weitere Vorwurf. Darüber hinaus soll er den Leitenden Sanitätsoffizier dazu veranlasst haben, den Schuss auf der San-Sofort-Meldung unerwähnt zu lassen oder die aus dem Schuss entstandene Verletzung als „unverfänglich" zu erklären.
 
Ende Juni 2018 verhängte die Dienstherrin gegen den Kommandanten eine Disziplinarbuße von 2.500 EUR. Gegen die Disziplinarentscheidung wendete sich der Offizier erfolglos mit einer Beschwerde an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Anschließend legte er über seinen Anwalt eine weitere Beschwerde zum Truppendienstgericht ein, die er im Frühjahr 2019 begründete.
 
In den folgenden vier Jahren geschah nichts. Auf seine Nachfrage hin erhielt er von dem Truppendienstgericht die Auskunft, dass in dem Verfahren auf absehbare Zeit keine Terminierung zu erwarten wäre. Als Begründung benannte das Gericht den Wechsel des Kammervorsitzenden, unbesetzte Stellen mit der Folge der Überlastung der Kammern des Truppendienstgerichts und ältere vorrangige Verfahren. Auf seine erneute Sachstandsanfrage im Februar 2021 erhielt er die gleiche Antwort. Auch eine Rüge über seinen Anwalt hatte keinen Erfolg.
 
Im November 2021 teilte das Truppendienstgericht ihm dann mit, dass es sich im ersten Halbjahr 2022 mit dem Verfahren befassen wolle, was aber von der Entwicklung der Corona-Pandemie abhängen würde. Auch in der weiteren Zeit gab es keine Verfahrensfortschritte. Deswegen erhob der Fregattenkapitän im August 2022 die erste Verzögerungsrüge und wiederholte dies im März 2023. Als Rechtsgrundlage benannte er die §§ 198 ff. GVG.
 
In dem Entschädigungsverfahren vor dem BVerwG machte der Fregattenkapitän dann geltend, dass das Ausgangsverfahren je nach Art der Berechnung 52 bzw. 49 Monate zu lange gedauert habe. Vor dem BVerwG ging es nur noch um die genaue Dauer des Truppendienstgerichtsverfahrens und die daraus resultierende Höhe der Entschädigung.

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BVerwG: Truppendienstverfahren dauerte 41 Monate zu lange

Der 2. Wehrdienstsenat des BVerwG entschied, dass eine Entschädigung von 4.100 EUR angemessen ist. Demnach dauerte das Truppendienstverfahren 41 Monate zu lange. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Strukturierte Mängel im Verfahren: Im Ergebnis hätte das Truppendienstgericht das Verfahren regulär innerhalb eines Jahres erledigen müssen. Insoweit wäre Zeit bis zum 28.09.2019 gewesen. Dass es nicht dazu kam, lag an einer längeren Vakanz und an Vertretungen, die zu Überlastungen der Kammern führten. Verzögerungen aufgrund hoher Belastungen der Kammern, die aus zusätzlichen vertretungsweisen Übernahmen von unbesetzten Stellen resultieren, sieht der Senat als strukturierte Mängel an, die dem Staat zuzurechnen sind. Diese Mängel können es nicht rechtfertigen, einen Soldaten länger als erforderlich mit den Belastungen eines Disziplinarbeschwerdeverfahrens zu konfrontieren.
  • Aber – zu lange Zeit für Beschwerdebegründung: Vier Monate für die Begründung einer Beschwerde sind aber zu viel. Damit hat auch der Kläger selbst zu einer Verzögerung des Verfahren beigetragen. was der Senat wie folgt ausführte: Für die Beschwerdebegründung bat der Kläger um Akteneinsicht, die ihm am 09.11.2018 gewährt wurde. Nach Auffassung des Senats hätte er sich für seine Begründung 6 Wochen – also bis zum 21.12.2018 – Zeit lassen dürfen. Tatsächlich legte er seine Begründung erst am 23.04.2019 vor und ergänzte diese am 16.05.2019. Diese Verzögerung von etwa vier Monaten ist dem Kläger zuzurechnen, so der Senat hierzu. Insgesamt erkannte der Senat für das Verfahren eine ungerechtfertigte Überlänge von 41 Monaten an, was zu einer Entschädigung von 4.100 EUR führte. 
  • Höhe der Entschädigung unabhängig vom Streitwert: Auf den Umstand, dass die Entschädigung die Höhe der ursprünglichen Disziplinarbuße übersteigt, kam es  dem Senats zufolge nicht an. Demnach ist es nicht Sinn und Zweck von § 198 Absatz 2 Satz 4 GVG die Entschädigung auf den Betrag des Streitwerts der Hauptsache zu deckeln.
Quelle: Urteil des BVerwG  vom 28.08.2024 – 2 WA 1.24


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