Das Coronavirus ist im Arbeitsrecht nicht vorgesehen – Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gemeinsam Lösungen finden
Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus werfen viele arbeitsrechtliche Fragenstellungen auf, die in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens und im Non-Profit-Sektor bislang kaum relevant waren. Das hat sich geändert.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Erkrankt ein Mitarbeiter an der von dem Coronavirus ausgelösten Lungenerkrankung Covid-19, ist ihm – wie auch im Fall anderer Erkrankungen – für bis zu sechs Wochen die vertragliche Vergütung fortzuzahlen. Nach dem Zeitraum besteht ein Anspruch des Mitarbeiters auf Krankengeld gegenüber der Krankenversicherung. Einrichtungsträger müssen in diesem Zusammenhang beachten, dass Mitarbeitern zum Teil ein Zuschuss zum Krankengeld zu zahlen ist. Das ist beispielsweise in denjenigen Einrichtung der Fall, die die Arbeitsvertragsrichtlinien im Bereich der katholischen Kirche – AVR-Caritas anwenden.
Behördlich angeordnete Quarantäne
Das Entgeltfortzahlungsgesetz findet hingegen dann keine Anwendung, wenn ein Mitarbeiter aufgrund eines behördlichen Tätigkeitsverbots nach dem Infektionsschutzgesetz seine Arbeitsleistung nicht erbringen darf, ohne dass er selbst erkrankt ist. Das kommt zurzeit etwa dann in Betracht, wenn in häuslicher Gemeinschaft lebende Angehörige und Partner positiv auf das Coronavirus getestet wurden. In diesen Fällen ist die Vergütung ebenfalls für bis zu sechs Wochen vom Arbeitgeber fortzuzahlen. Der Arbeitgeber erhält jedoch auf Antrag eine Erstattung der geleisteten Zahlungen, der innerhalb von drei Monaten bei der für das jeweilige Bundesland zuständigen Behörde zu stellen ist.
Zur Person |
Christian Klein ist als Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediator bei der Solidaris Rechtsanwaltsgesellschaft in Köln tätig. E-Mail: c.klein@solidaris.de, Web: www.solidaris.de André Spak ist als Rechtsanwalt, Steuerberater sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht seit mehr als zehn Jahren in der Beratung und Vertretung von Non-Profit-Organisationen in der Solidaris Unternehmensgruppe tätig. E-Mail: a.spak@solidaris.de, Web: www.solidaris.de |
Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung
Infolge der Schließungen von Schulen, Kitas und ähnlichen Einrichtungen sind Mitarbeiter mit kleinen Kindern besonders betroffen. Deren Situation verschärft sich insbesondere dadurch, dass von einer Betreuung durch Dritte generell abgeraten wird, sofern sie derzeit überhaupt zulässig ist. Viele Eltern stehen daher vor dem Problem, ihren Beruf nicht ausüben zu können und ihrer Verpflichtung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung damit nicht nachzukommen, weil zumindest ein Elternteil zur Kinderbetreuung zu Hause verbleiben muss.
Für die betroffenen Eltern und die Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen das Gehalt fortzuzahlen ist. Das Entgeltfortzahlungsgesetz findet in diesen Fällen keine Anwendung, da die Eltern nicht selbst arbeitsunfähig erkrankt sind. Es besteht auch kein Anspruch auf Kinderkrankengeld.
Ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für Zeiten der Kinderbetreuung kann sich allenfalls aus § 616 BGB ergeben. Voraussetzung: Der Arbeitnehmer ist für kurze Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert. Bei einer Verhinderung weniger Tage kommt § 616 BGB grundsätzlich zum Tragen, sofern keine andere Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Da die Maßnahmen gegen das Coronavirus jedoch bereits jetzt für mehrere Wochen angelegt sind, erscheint die Anwendung jedoch zweifelhaft.
In der Regel steht den Mitarbeitern kein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber für die Zeiten einer notwendigen Kinderbetreuung zu. Eine Schließung dieser Regelungslücke wird aktuell diskutiert. Einstweilen müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam einvernehmliche Lösungen finden, etwa durch Home-Office, flexible Arbeitszeitmodelle, Abbau von Überstunden oder den Aufbau von Minusstunden über ein Arbeitszeitkonto.
Kurzarbeit
Im Non-Profit-Sektor werden Einrichtungen und Träger aufgrund der Coronakrise darauf angewiesen sein, Kurzarbeit anzumelden, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Um die wirtschaftlichen Folgen für Arbeitgeber abzumildern, wurden die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld gesenkt, sodass ein Anspruch bereits dann besteht, wenn bei 10 Prozent der Beschäftigten einer Einrichtung oder eines Einrichtungsteils ein Entgeltausfall von mehr als 10 Prozent vorliegt. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit jedoch nicht einseitig anordnen. Es bedarf einer vertraglichen Grundlage, entweder im Arbeitsvertrag selbst oder in einem anzuwendenden Tarifvertrag. Andernfalls sind individuelle Vereinbarungen mit den Mitarbeitern zu treffen.
Besteht in einer Einrichtung ein Betriebsrat oder in kirchlichen Einrichtungen eine Mitarbeitervertretung, so ist diese bei der Einführung von Kurzarbeit zu beteiligen, indem eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung geschlossen wird. Im Anwendungsbereich der AVR-Caritas (§ 5 der Anlage 5 zu den AVR) findet sich zudem die Besonderheit, dass die Anforderungen zur Einführung von Kurzarbeit dort noch der alten Gesetzeslage entsprechen und mithin höher sind als es die gesetzliche Neuregelung vorsieht. Rechtssicherheit kann durch eine zeitnahe Änderung der AVR erreicht werden.
Der komplette Gastbeitrag erscheint am 22. April 2020 in der Zeitschrift Stiftung&Sponsoring.
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