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Auf den Spuren von Revolutionen: die Herausgeberinnen Dr. Teresa Cañadas García, Prof. Dr. Carmen Gómez García und Dr. Linda Maeding (Fotos: privat)
Nachgefragt bei Dr. Teresa Cañadas García, Prof. Dr. Carmen Gómez García und Dr. Linda Maeding

„Das Ziel ist immer dasselbe: radikale Veränderung“

ESV-Redaktion Philologie
25.07.2023
Revolutionen erheben als einschneidende Ereignisse des Umbruchs den Anspruch auf gesellschaftliche, politische und kulturelle Erneuerung einer Gemeinschaft. Noch Jahre später kann man ihre Auswirkungen in Kunst, Literatur und Sprache beobachten. Auch wenn den Deutschen nicht gerade eine Affiniät zur Revolution nachgesagt wird, so gab es auch in Deutschland viele Ereignisse, die (radikale) Veränderungen nach sich zogen.
Liebe Frau Maeding, liebe Frau Canadas García und liebe Frau Gómez García, in dem von Ihnen herausgegebenen Band „Revolution! Deutschsprachige Kulturen im Umbruch 1918–1968“ geht es um Reflexionen des Phänomes und Begriffs „Revolution“ im deutschsprachigen Kontext. Im Fokus stehen dabei zwei wichtige Ereignisse im 20. Jahrhundert: die Novemberrevolution von 1918 und die Studentenbewegung von 1968. Wie kam es dazu, dass Sie genau diese beiden Revolutionen miteinander in Kontext gesetzt haben? Sie sind ja, inhaltlich gesehen, sehr unterschiedlicher Natur?

Teresa Cañadas: Allen Revolutionen ist gemeinsam, dass sie die vorherrschenden sozialen und politischen Werte und Strukturen in Frage stellen und eine Erneuerung herbeiführen wollen. Auch wenn Revolutionen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen erfolgen, ist das Ziel immer dasselbe: radikale Veränderung. Als wir 2018 mit den Überlegungen zu diesem Band begannen, hielten wir es im Jubiläumsjahr für vielversprechend, die Revolutionen von 1918 und 1968 miteinander in Beziehung zu setzen und die sozialen, politischen und künstlerischen Veränderungen zu betrachten, die beide mit sich brachten; aber auch die Motive, die sich in beiden wiederholen. Mit diesem Band können die Leser und Leserinnen bei aller historischen Differenz über Konvergenzen und Divergenzen zwischen beiden Revolutionen reflektieren.

Carmen Gómez: In einer Umbruchstimmung wie der jetzigen wollten wir uns auf vergangene Revolutionen besinnen, um über die tiefgreifenden Veränderungen in unserer Gesellschaft sowie über die Zukunft der Germanistik in der aktuellen Krise nachzudenken. Auch jedoch über das Wort, über die Dichtung: „Die Konsequenz der Dichtung ist Revolution“, schrieb Gustav Landauer.

Gleich zwei Beiträge im Band beschäftigen sich mit dem Dadaismus, bzw. Dada Berlin. Kann man sagen, dass die Revolution von 1918 zwar vordergründig scheiterte, Dada aber als Revolte der Kunst gegen die Kunst selber erfolgreich war – nicht nur, weil Collagen und Max Ernst heutzutage aus dem Schulunterricht nicht mehr wegzudenken sind?

Teresa Cañadas: Die Tragweite einer Revolution kann in verschiedenen Bereichen gemessen werden. Im Fall des Dadaismus ist klar, dass der Wunsch nach Rebellion die expressive und künstlerische Kraft als Mittel zur Kanalisierung des sozialen Unbehagens nutzte und ja, damit tatsächlich erfolgreich war – wobei er die politische Revolution bei weitem übertraf und überdauerte.

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Sehr anschaulich ist auch ein Beitrag zur Rhetorik auf Spruchbannern der Studentenrevolte 1968. Damals wie heute gilt: Eingängig muss ein Slogan sein. Was können Sie den Klimarevoluzzern und Klimarevoluzzerinnen von heute für eine gute Auswahl ihrer Sprüche raten?

Linda Maeding: Unsere Autorin Berit Balzer zeigt in ihrem Beitrag, inwiefern die Sprüche der Studierenden nicht nur eine apellative, sondern auch eine persuasive Funktion entfalteten – mit anderen Worten: Sie wollten nicht nur möglichst große Zustimmung erzielen, sondern ihr Publikum auch zum Handeln motivieren. Beide Motive sind auch grundlegende Ziele der Klima-Aktivisten, selbst wenn die Angemessenheit ihrer (nicht-sprachlichen!) Mittel derzeit in Frage gestellt wird. Ich denke, es geht hier weniger um die Auswahl ihrer Slogans, als darum, überhaupt wieder die Kraft der Rhetorik zu entdecken. Die jungen Klima-Aktivisten stehen vor der Herausforderung, von den Bildern – die einer eigenen Social-Media-Logik folgen – eine Brücke zu den Worten zu finden.

Ein Beitrag beschäftigt sich damit, wie sich die 68er-Revolte in der zeitgenössischen Literatur um 2000 widerspiegelt. Interessant ist dabei, dass Werke aus unterschiedlichen Generationen untersucht werden: Zum einen die der Protagonisten und Protagonistinnen, also derjenigen, die 68 dabei waren. Zum anderen die Werke der Kinder der 68er-Generation, die nicht selten konservativer sind als ihre Eltern. Haben Sie einen Lektüre-Tipp für unsere Leserinnen und Leser, die herausfinden möchten, wie unterschiedlich diese beiden Generationen zurückblicken?

Teresa Cañadas: Empfehlen kann ich für eine komplementäre Lektüre Uwe Timms Roman Rot sowie –stellvertretend für die Kindergeneration – von Sophie Dannenberg (Annegret Kunkel) Das bleiche Herz der Revolution und von David Wagner Meine nachtblaue Hose.

Haben Sie vielen Dank für das Interview!

Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, Lust bekommen haben, tiefer in das Thema einzusteigen, dann können Sie den Band im Buchhandel oder hier auf der Verlagsseite erwerben. Er steht auch als eBook für Sie bereit!

Die Herausgeberinnen
Teresa Cañadas García promovierte in Deutscher Philologie (Deutsche Literatur) an der Universidad Complutense zu Madrid. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universidad Complutense zu Madrid und ist Direktorin des Masters für Interkulturelle Europastudien. Forschungsschwerpunkte: Exilliteratur, Deutsch-Spanische Beziehungen, Kinder- und Jugendliteratur, Deutsch als Fremdsprache.

Carmen Gómez García ist Professorin für Deutsche Philologie und Übersetzung und Direktorin des Masters für Literarische Studien an der Universität Complutense zu Madrid. Sie arbeitet als literarische Agentin in Madrid und übersetzt ins Spanische (W. G. Sebald, Elfriede Jelinek, Stefan George, Marcel Beyer, Gustav Regler u.a.). Als Gastdozentin lehrt sie an der Karl-Ruprecht-Universität in Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Moderne und Avantgarde im deutschsprachigen Raum (1890-1933); Rezeption deutschsprachiger Literatur in Spanien, literarisches Übersetzen.

Linda Maeding promovierte in Komparatistik und Deutscher Philologie an den Universitäten Mainz und Barcelona. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universidad Complutense de Madrid und Habilitandin an der Universität Bremen mit einem DFG-Projekt zu Utopie und Gemeinschaft. Forschungsschwerpunkte: Exil und Diaspora, Literatur und Holocaust, Literaturtheorie, Utopiegeschichte.

Revolution!
Deutschsprachige Kulturen im Umbruch 1918–1968

Herausgegeben von Teresa Cañadas García, Carmen Gómez García und Linda Maeding
Mit Beiträgen von Yasmin Afshar, Marc Arévalo Sánchez, Berit Balzer, Andrea Bartl, Valérie Carré, Thorsten Carstensen, Michael Dobstadt, Juliane Fehlig, Marta Fernández Bueno, Sabine Geck, Heidi Grünewald, Isabel Gutiérrez Koester, Josenia Hervás y Heras, Lia Imenes Ishida, Roland Innerhofer, Cristina Jarillot-Rodal, Brigitte E. Jirku, Yuuki Kazaoka, Nikolaos-Ioannis Koskinas, Jean-François Laplénie, Magdalena Latkowska, Cornelius Mitterer, Juanjo Monsell Corts, Miguel Oliva Rioboó, Paloma Ortiz-de-Urbina, David Österle, Rosa Pérez Zancas, Alfred Prédhumeau, Rolf G. Renner, Dolors Sabaté, Paloma Sánchez Hernández, Daria Šemberová, Marisa Siguan, Bernd F.W. Springer, Şebnem Sunar und M. Loreto Vilar 

Revolutionen erheben als einschneidende Ereignisse des Umbruchs den Anspruch auf gesellschaftliche, politische und kulturelle Erneuerung einer Gemeinschaft. Das Buch umfasst Reflexionen über „Revolution“ und ihre Wirkung auf die deutschsprachigen Gesellschaften aus philologischer, philosophischer, kultur- und kunstwissenschaftlicher Sicht.
Mit Fokus auf die Germanistik werden die Sektionen Literatur, Kunst und Kultur, Linguistik und DaF sowie Philosophie in Beiträge von Experten/Innen aus unterschiedlichen Ländern und Fachkulturen präsentiert. Historisch steht der Zeitraum zwischen der Novemberrevolution 1918/19 und Studentenbewegung 1968 im Mittelpunkt.

Der Band
- setzt erstmals die Novemberrevolution in Korrelation zur Studentenbewegung 1968.
- zeigt die Auswirkungen von einschneidenen geschichtlichen Ereignissen auf Literatur, Sprache und Kultur.
- versammelt fachübergreifene Perspektiven.

 

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik