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Gibt Denkanstöße: Prof. Dr. Thomas Deelmann (Foto: privat und Coloures-Pic/stock.adobe.com)
Kolumne 8.2020

Deelmanns Denkanstoß: Das Ökosystem für Beratungen

Prof. Dr. Thomas Deelmann
25.08.2020
Professor Thomas Deelmann berichtet in seiner Kolumne regelmäßig aus und über die Welt der Berater.
Die Anzahl der Beraterinnen und Berater in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Sie bekommt vielleicht durch die Corona-Krise einen kleinen Dämpfer, der aber voraussichtlich nicht nachhaltig sein wird. Weitestgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit scheint das „Dienstleistungsgeschäft Consulting“ in den vergangenen Jahren auch für andere Dienstleister interessant geworden zu sein. Rund um das Kerngeschäft der Beratungen und ihrer Kunden hat sich ein eigenes „Beratungsökosystem“ gebildet. Einen kurzen Überblick bietet dieser Denkanstoß.

Im Zentrum: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Beratungen

Derzeit arbeiten gut 150.000 Personen in ungefähr 20.000 Beratungen. Hiervon sind 130.000 Beraterinnen und Berater. Weitere 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen zum Beispiel als Assistenz, im Backoffice, in Grafik-, IT-, HR- oder Rechercheabteilungen. Neben diesen direkten Angehörigen des Consulting-Kern- und -Unterstützungsgeschäfts gibt es viele weitere Akteure, die im Umfeld der Beratungsunternehmen und ihrer Kunden arbeiten und in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Ökosystem gebildet haben.

Nachfolgend der Versuch, einzelne Akteure beziehungsweise Gruppen zu identifizieren. Selbstredend erhebt die Zusammenstellung weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch sind die einzelnen Gruppen überschneidungsfrei. Der Fokus liegt zunächst auf dem deutschsprachigen Markt.

Plattformen und Mittler

In den zurückliegenden Jahren haben so genannte Plattformen für Berater einen Boom erfahren. Unternehmen wie Comatch, Consultingheads oder Haufe Consulting (ehemals Klaiton) sind – vereinfacht gesprochen – auf Consultants spezialisierte Jobbörsen. Oft bauen sie auf der Idee auf, dass Kunden nicht mehr einfach ein großes Team eines Beratungshauses engagieren wollen (inklusive der Partner, die kaum vor Ort sind, und der Juniorberater, die noch nicht richtig im Beraterleben angekommen sind), sondern lieber auf ein Set von punktgenau zusammengestellten Fachexperten zurückgreifen möchten. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass auch größere Beratungshäuser als Kunden der Plattformen auftreten. Sie wollen mit den dort vertretenen Freelancern Lastspitzen ausgleichen und Spezialistenlücken füllen. Die Plattformen übernehmen diese Mittlerrollen und erhalten dafür eine Provision.

Verbände und Interessenvertretungen

Bereits deutlich länger aktiv als die Plattformen sind manche Branchenverbände. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. dürfte die älteste in Deutschland aktive Interessenvertretung sein: Er hat 1954 seine Arbeit aufgenommen. Neben dem BDU sind in Deutschland mindestens noch der Bundesverband freier Berater e.V. (Die KMU-Berater), der Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT e.V.) und der Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e.V. (BDSU) aktiv. Sie helfen ihren Mitgliedern beispielsweise mit einschlägigen Fort- und Weiterbildungsangeboten, definieren Qualitätsstandards, konsolidieren Branchennews und vertreten als Lobby-Organisation die Interessen der Beteiligten. Da die Branchengrenzen fließend sind und es keine Zugangsbeschränkungen gibt, sind auch verpflichtende Mitgliedschaften wie beispielsweise bei Kammern oder Innungen nicht bekannt.

Support-Services, Outsourcer und Software-Anbieter

Verschiedene Anbieter erledigen für Einzelberater, kleinere und größere Häuser ausgewählte Aufgaben. Legendär sind die Grafiker in Niedriglohnländern, denen abends die auf dem Yellow Pad gescribbelten Folienentwürfe zugeschickt werden und die bis zum nächsten Morgen fertige Powerpoint-Folien im Corporate Design zurückschicken. Aber auch der klassische Büroserviceanbieter, der die Funktion einer Telefonzentrale oder eines Assistenten bzw. einer Assistentin übernimmt und vielleicht noch in der Lage ist, temporäre Besprechungsräume bereitzustellen, ist Teil dieser Gruppe. Hier finden sich in jeder größeren Stadt einschlägige Anbieter. Auf die Leistungen von Ghostwritern wird gern zurückgegriffen, aber über sie wird aus gegebenem Anlass nur selten gesprochen.

Ebenfalls selten ist die Rede von Software-, IT- oder KI-Anbietern, die in der Lage sind, ausgewählte Aufgaben eines Beraters zu automatisieren. Think-Cell ist wohl eines der bekannteren Unternehmen. Es bietet Unterstützung bei der Erstellung von (datengetriebenen) Powerpoint-Folien, AskBrian ist ein digitaler Assistent, der – angesprochen mit einer einfachen E-Mail – mit Hilfe von KI-Technologie die „langweiligen“ Aufgaben eines Juniorberaters übernimmt – zum Beispiel Übersetzungen oder die Recherche nach Finanzdaten von Unternehmen. Dass gerade Anbieter von Consulting-Automatisierungsleistungen nicht im Zentrum der Diskussion stehen, mag vielleicht mit einem Festhalten der Branche am „People business“-Paradigma begründet werden können oder daran liegen, dass sie noch nicht lange am Markt aktiv sind. Natürlich sind an dieser Stelle auch die Anbieter von Standardbranchensoftware zu nennen, zum Beispiel im Bereich CRM oder für das Projektmanagement.

Meta-Berater

Hilfestellungen für Berater und Beratungen in diesem wachsenden und zunehmend unübersichtlichen Umfeld bieten so genannte Meta-Berater. Seit mehr als 20 Jahren aktiv ist das „Team Giso Weyand – die Berater-Berater“, das primär inhabergeführte Beratungen und Einzelberater „full service“ unterstützt. Einen ganzheitlichen Blick, vielleicht mit einer kleinen Schwerpunktsetzung auf Marketing und Vertrieb, bietet auch Matthias Kolbusa an. Eine Nische versuchen beispielsweise Moritz Neuhaus mit einem Personal-Branding-Ansatz und Susanne Mathony (die interessanterweise als „Die #Beraterberaterin“ auftritt, allerdings ohne Verbindung zu Giso Weyand; siehe oben) als Marketing- und Kommunikationsberaterin für Professional Services zu besetzten.

Ein schwieriges Feld ist das der Beratung von Kundenunternehmen für ihr Beratungsmanagement. Eher kleine Beratungsnachfrager erkennen vielleicht die Notwendigkeit, ein Beratungsunternehmen zu engagieren. Aber einen Berater für den Umgang mit Beratern zu beauftragen, das mutet ihnen seltsam an. Große, beratungsaffine Konzerne auf der anderen Seite haben sich meist im Laufe der Zeit im Rahmen einer Versuch-und-Irrtum-Strategie selbst professionalisiert und wollen ebenfalls keine Hilfe in Anspruch nehmen. Eine besondere Rolle im Beratungsökosystem nimmt sicherlich Cardea ein. Das Unternehmen aus der Schweiz hat als Besonderheit beide Seiten im Blick: Es berät Kunden bei der Suche und Auswahl der passenden Berater für ein Projekt. Außerdem hilft Cardea Beratungen bei der Positionierung im Markt.

Marktanalysten und Wettbewerber

Während die Meta-Berater sich zumeist ganz offen auf eine Seite der Berater-Kunden-Beziehung schlagen, muss man verschiedene Consulting-Wettbewerbe (zum Beispiel Best of Consulting, Top-Consultant, Beste Berater) wohl etwas differenzierter betrachten. Sie bringen auf den ersten Blick Transparenz in einen sehr heterogenen Markt, wenn beispielsweise das beste Projekt aus oder die beste Beratung auf einem gewissen Gebiet ausgezeichnet wird. Das Feld der 20.000 Beratungen reduziert sich dann auf 3, 5 oder 30 ausgezeichnete Berater für eine Domäne. Nicht immer wird allerdings die Methodik hinter den Auswahlentscheidungen transparent gemacht. Es besteht daher die Gefahr, dass sich ein clever agierender Anbieter durch ein geschicktes Wettbewerbsverhalten sehr prominent platziert. Für Beratungen können diese Wettbewerbe daher ein exzellentes Marketinginstrument sein.

Etwas anders tritt das B2B-Marktforschungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder auf. Seit fast 30 Jahren werden dort Listen mit den größten (oder, wenn dies nicht ermittelbar ist: den Top-) Anbietern für Management- oder IT-Beratungsleistungen zusammengestellt. Entscheidend sind hier nicht exemplarische Projektergebnisse, sondern die schnörkellose Größe des Unternehmens mit Umsatzvolumen und Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Portale und Karriereratgeber

Verschiedene Internetangebote bieten ihren Leserinnen und Lesern Orientierung im Consulting-Dickicht. Hierzu werden beispielsweise Branchennews aggregiert und mit einschlägigen Personalbewegungen, Projektausschreibungen, Stellenangeboten, Beratungsmethoden, Bewerbungs- und Karrieretipps kombiniert. Der Ton kann dabei formal oder kumpelhaft, das Portal ein Kernprodukt des Anbieters oder eine Hobby- beziehungsweise Nebenentwicklung sein. Wie bei allen Internetangeboten besteht auch hier die Gefahr, dass neuer Content nicht schnell genug und nicht in ausreichender Menge generiert wird und die Anmutung des Portals dann als veraltet daherkommt. Letzteres gilt (zum aktuellen Zeitpunkt) nicht für die nachfolgenden Beispiele. Da ist natürlich zuvorderst ConsultingBay zu nennen, das Portal, auf dem dieser Text zu finden ist. Consulting-life.de ist ein Projekt von Christopher Schulz, im Hauptberuf IT- und Managementberater. Auch beraterleben.net hat mit Andreas Fritz einen Unternehmensberater als Autoren. Beide fokussieren ihrem Namen entsprechend auf das Arbeitsleben eines Consultants und geben nützliche Tipps. Das Portal von squeaker.net – viele Studierende kennen vermutlich die einschlägige Ratgeberliteratur aus diesem Hause – richtet sich vornehmlich an Beratungseinsteiger und bietet unter anderem Hinweise für das Bewerbungsverfahren. Für die fortgeschrittene Karriere bietet Daniel Nerlich die ConsultantCareerLounge.com an. Nerlich ist im Hauptberuf Partner bei der Executive Search-Firma Odgers Berndtson. Ein Full-Service-Portal ist Consulting.de. Ein internes Redaktionsteam und externe Autoren greifen nahezu alle Themen aus dem breiten Spektrum der Unternehmensberatung auf.

Journalisten, Wissenschaftler und Verlage

Eine Gruppe von Akteuren im Beratungsökosystem, die enge Verbindungen zu den meisten der bisher genannten Gruppen hält und halten muss, ist die der Journalisten und Wissenschaftler sowie ihrer Verlage. Sie sind Beobachter des Markts, nehmen vielleicht selbst kurzfristig die Rolle eines Meta-Beraters ein und halten Kontakt zu den übrigen Ökosystem-Bewohnern sowie natürlich zu den Beratern und den Kunden. Journalisten, die das Thema Consulting betrachten, sind oft in den Wirtschaftsressorts der größeren Tageszeitungen zu finden beziehungsweise direkt bei den Wirtschaftszeitungen und -zeitschriften. Meist ist Consulting dabei eine von mehreren Branchen, die von der Redakteurin oder dem Redakteur inhaltlich begleitet werden. In Sonderfällen erfolgt die Beobachtung von Beratungsstories auch aus anderen Ressorts heraus, z.B. aus dem Politikressort bei der Berateraffäre im BMVg. Eher ungewöhnlich ist eine explizite Fokussierung auf diese Branche, wie es z.B. im Podcast berateraffaere.de geschehen ist. Zusätzlich zu Zeitungs-, Zeitschriften- und Radiobeiträgen werden neben Fachbüchern, die in den einschlägigen Fachverlagen (wie dem ESV) erscheinen, auch Sachbücher bei Econ, Gabal, Campus und anderen veröffentlicht. Sachbuchinhalte sind häufig pointiert-polemisch und sollen die interessierte Leserschaft unterhalten. Fachbücher werden meist von Praxisexperten, Nachwuchswissenschaftlern und Hochschulprofessoren veröffentlicht. Ihr Inhalt ist eher ausgewogen. Die vorzufindende inhaltliche Breite ist größer und umfasst nicht selten auch Dissertationsschriften.

Nach diesem kleinen Rundumschlag meine Frage an Sie: Welche Gruppe fehlt noch? Spezialisierte Headhunter, Tagungshotels oder Mobilitätsdienstleister, Hochschulen mit einschlägigen Vorlesungen und Aus-, Fortbildungs- sowie Weiterbildungsanbieter? Bitte denken Sie mit: Wer hilft Ihnen oder welche Dienstleistung könnte Ihnen weiterhelfen?

Fragen, Anmerkungen und Anregungen sind gerne gesehen! Bitte schreiben Sie an Redaktion.Consultingbay@esvmedien.de oder auf Twitter: @Ueber_Beratung

Programmbereich: Management und Wirtschaft