Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Der Deutsche Bundestag hat dem Gesetzentwurf zur Engagementstiftung zugestimmt. Deutscher Bundestag / Werner Schüring
Gastbeitrag von Stefan Nährlich

Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt gegründet

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft / Gastbeitrag von Stefan Nährlich
17.03.2020

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt kann starten. Nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion zur Gründung der Stiftung in geänderter Fassung beschlossen hatte, stimmte der Bundesrat dem Beschluss jetzt zu.

Die öffentlich-rechtliche Engagementstiftung des Bundes soll als zentrale Anlaufstelle Serviceangebote und Informationen zum Thema Ehrenamt bereitstellen. Ein Schwerpunkt soll die Unterstützung in strukturschwachen und ländlichen Räumen sein. Außerdem soll sie die Digitalisierung in Vereinen und Stiftungen fördern.

Sitz der Stiftung wird Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern sein. Sie wird mit 75 Stellen und einem Jahresetat von 30 Millionen Euro ausgestattet. Die Mittel stellen die drei Bundesministerien mit den Ressorts Familie, Inneres und Landwirtschaft. Dem 19-köpfigen Stiftungsrat sollen neun Personen aus dem Bereich des bürgerschaftlichen Engagements angehören.

Kritik an der Ausgestaltung wurde teilweise aufgegriffen

Die zuvor in einer Anhörung vor dem Familienausschuss vorgetragene Kritik aus der Zivilgesellschaft wurde vom Parlament teilweise aufgriffen. So ist die Vermeidung von Doppelstrukturen zur Zivilgesellschaft ausdrücklich im Gesetzestext verankert, ebenso die Möglichkeit, dass die Stiftung auch Engagementstrukturen vor Ort finanziell fördern kann. Dafür wurden die Personalstellen von 100 auf 75 reduziert.

Die Bundesländer hatten bemängelt, dass die Förderung von Infrastruktur der Engagementförderung in Ländern und Kommunen kaum noch eine Rolle spielt, obwohl dort erfahrungsgemäß der größte Bedarf bestehe. Die Stiftung Aktive Bürgerschaft kritisierte den „Paternalismus bei der Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Vertreter zivilgesellschaftlicher Verbände werden nach Gutdünken von den drei beteiligten Ministerien berufen. Sollte es dennoch zu Entscheidungen kommen, die den Interessen der Ministerien zuwiderlaufen, können die sich mit ihrem in der Satzung verankerten Vetorecht darüber hinwegsetzen.

Vor diesem Hintergrund hatten die Bundestagsfraktionen von FDP, Grünen und Die Linke dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt. Sie begrüßten einerseits die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements durch den Bund, kritisierten aber die staatliche Dominanz in den Organen der Stiftung.

Was ist in der Praxis zu erwarten?

Bis Mitte des Jahres soll die Bundesengagementstiftung ihre Arbeit aufnehmen, teilte das Bundesfamilienministerium mit. Die Überlegungen gingen dahin, die operative Arbeit der Stiftung in drei Zentren zu organisieren. Ein Service-Zentrum soll eine Multi-Channel-Hotline für Beratung zum Thema Ehrenamt betreiben. Dabei soll es um die Unterstützung bei Vereinsgründungen, bei Fortbildung und Organisationsentwicklung und bei der Digitalisierung gehen. Ein zweites Kompetenzzentrum soll eine Best-Practice-Sammlung guter Engagementideen aufbauen, einen Expertenpool organisieren und bei der Skalierung von Innovationen helfen. Außerdem solle dieses Kompetenzzentrum die zentrale Beratungsstelle der Bundesregierung in allen Fragen des Ehrenamts werden.

Der dritte Bereich soll ein Strukturförderzentrum sein, das sich um die Unterstützung des Engagements in strukturschwachen ländlichen Räumen kümmert, Kooperationen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft fördert und die Anerkennungskultur stärkt.

Zur Person

Dr. Stefan Nährlich ist Wirtschaftswissenschaftler und Geschäftsführer der Stiftung Aktive Bürgerschaft. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und schreibt regelmäßig über engagementpolitische Themen.

Aber kann das funktionieren?

Die vorgestellten Überlegungen klingen zunächst plausibel, können in der Praxis jedoch so nicht funktionieren. Ein Beispiel: Wenn Beratung zu einer Lösung des Problems von Engagierten vor Ort führen soll, sind in der Regel spezielles Wissen und ein guter Draht zu involvierten Akteuren vor Ort notwendig. Das aufzubauen und vorzuhalten, ist schon herausfordernd, wenn es nur um eine Zielgruppe mit vergleichsweise homogenen Anliegen geht. So etwas „rund um das Thema Ehrenamt“ anbieten zu wollen, ist nicht leistbar.

Vor allem stellt sich die Frage, warum die drei Ministerien eine neue Behörde aufbauen und sich nicht der vorhandenen Strukturen und Organisationen der Zivilgesellschaft bedienen. Der Staat als unabhängiger und neutraler Akteur, treuer und ehrlicher Sachwalter der Sorgen und Nöte ehrenamtlich Engagierter – wer hätte das gedacht? Wofür stehen dann die Verbände, Supportorganisationen, engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen wie Bürgerstiftungen, Freiwilligenagenturen oder Seniorenbüros und andere gemeinnützige Organisationen?

Fazit: Der beschlossene Kompromiss ist nicht so schlecht wie befürchtet, aber auch nicht so gut wie notwendig. Das Grundproblem besteht weiterhin: Gebraucht wird eine Förderstiftung, die bestehende zivilgesellschaftlich Strukturen stärkt und in der die Zivilgesellschaft als gleichberechtigter Partner mitredet und mitentscheidet. Das kann die Engagementstiftung des Bundes noch nicht leisten.

Zum Thema

in Stiftung&Sponsoring:

Giffey, Franziska; Steinsdörfer, Erich: „Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement von Bürokratie entlasten“ In: Stiftung & Sponsoring, Heft 2/19, S. 6-8.

Lothschütz, Anja: Entbürokratisierung durch Digitalisierung? In: Stiftung & Sponsoring, Heft 5/19, S. 22-23.

Programmbereich: Management und Wirtschaft