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Fremd- und Zweitsprachen werden im In- und Ausland gelernt (Foto: anna_murashova/Fotolia.com)
DaF / DaZ

Die Einheit des DaF/DaZ

ESV-Redaktion Philologie
15.11.2018
Neben Deutsch als Fremdsprache ist eine etwas neuere Disziplin Deutsch als Zweitsprache. Worin bestehen hier die Unterschiede, und ist eine Trennung wirklich sinnvoll? Prof. Dr. Claudia Riemer bezieht Stellung.
In der Regel wird unter „Deutsch als Fremdsprache“ der Unterricht im eigenen Land in einer fremden Sprache verstanden, also z. B. der Deutschunterricht in Frankreich oder England. Somit würden Schülerinnen und Schüler in Deutschland in der Schule Französisch und Englisch als Fremdsprache lernen. „Deutsch als Zweitsprache“ hingegen ist der Unterricht in der landeseigenen Sprache, also z. B. der Deutschunterricht für Zugezogene in Deutschland. Aber ist diese Trennung wirklich immer sinnvoll?

Lesen Sie dazu einen Ausschnitt aus einem Beitrag aus Band 1 der IDT-Tagungsbände von Claudia Riemer: „Entwicklungslinien des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – wo stehen wir heute und wo woll(t)en wir hin?“

Wo wollen wir hin? Warum ich in Bezug auf das Verhältnis von DaF und DaZ für die Einheit des Fachs plädiere

[…] Ich bin eine Verfechterin der Einheit des Fachs und halte inzwischen überhaupt nichts mehr davon, die beiden Bereiche auseinanderzudividieren, weder in Studiengängen noch in strikten Abgrenzungen zwischen Lehrstühlen. Über kaum ein Thema wird strukturell im Fach derzeit so kontrovers diskutiert wie über das Verhältnis zwischen DaF und DaZ. Es gibt viele Stimmen, die auf die verbesserte Sichtbarkeit des Fachs verweisen in Zeiten, in denen Fragen rund um Flucht, Migration und Sprache auf gewachsene gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit stoßen. DaZ ist in der Tat inzwischen als Teilbereich des Fachs nicht mehr wegzudenken – DaF als Oberbegriff für sowohl DaF als auch DaZ hat ausgedient. In akademischer Lehre wie Forschung sind Mehrsprachigkeit, Sprachförderung, sprachliche Bildung und Spracherwerb in Deutsch als Zweitsprache wichtige Gegenstände geworden. Gerade DaZ spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Forschungsprofilierung des Fachs.

[…] Ich möchte außerdem die Trennung zwischen DaZ und DaF aus einer breiteren Perspektive des Deutschlernens in nicht-deutschsprachigen Ländern problematisieren, wo oft keine oder nur eingeschränkte Kontaktmöglichkeiten zur Sprache außerhalb des Unterrichts bestehen. Zwar wissen wir alle, dass eine strikte Trennung zwischen DaF und DaZ, bezogen auf die Zielgruppen der Lernenden, nicht möglich ist und dass die eindeutige Kategorisierung aus der Sicht einer mehrsprachigen Person, die in unterschiedlichen Lebensphasen innerhalb und außerhalb deutschsprachiger Länder lebt, noch weniger möglich ist.

„Wo wäre ein besserer Ort, die Einheit des Fachs zu beschwören, als in der Schweiz?“

[…] Heutzutage mehren sich Berichte über die hohe Nachfrage nach universitärem und außeruniversitärem Fremdsprachen-, darunter DaF-Unterricht: Sie stammen von Kolleg/innen aus der Hochschulgermanistik, DAAD-Lektor/innen und Mitarbeiter/innen von Goethe-Instituten und anderen privaten Sprachinstituten aus von Kriegen und Terror geprägten Ländern wie Mali oder von durch hohe Arbeitslosigkeit junger Erwachsener geprägten Ländern im südlichen Europa oder aus nordafrikanischen Ländern. Und wenn in anderen Ländern, in denen es Menschen wirtschaftlich sehr schlecht geht, die Zahlen der A1-Kursteilnehmer/innen und A1-Prüfungen (als Voraussetzung für den Ehegattennachzug oder die Aufnahme einer Au-pair-Tätigkeit in Deutschland) rasant zunehmen – und wenn aus vielen Ländern der Welt die Botschaft kommt, dass viele junge Deutschlerner/innen auf ein Studium in Deutschland und möglicherweise daraus resultierende Berufschancen in wirtschaftlich stärkeren Ländern hoffen – dann spätestens wird deutlich, dass solch instrumentelles, auf die Verbesserung der Lebenschancen gerichtetes Deutschlernen schlecht mit dem klassischen DaF-Begriff zusammengebracht werden kann und dass die Grenzen zwischen DaF und DaZ weit vor dem Übertreten der Grenzen zu deutschsprachigen Länder verschwimmen.

Wo wäre ein besserer Ort, die Einheit des Fachs zu beschwören, als in der Schweiz? Es ist schon fast zehn Jahre her, dass im Rahmen einer Tagung in Bern im Jahr 2008 der Kollege Claudio Nodari behauptete: „Es gibt nur eine Deutschdidaktik“ [...]. Er begründete dies u. a. mit der Unmöglichkeit der eindeutigen Zuordnung der Zielgruppen zu DaF, DaZ und DaM und plädierte für eine Aufhebung der Trennung zwischen den drei Didaktiken in der Deutschlehrer/innenausbildung und dafür, den lernenden Menschen in den Vordergrund zu rücken. Und wo wäre ein besserer Ort, die Einheit des Fachs über Ländergrenzen hinaus zu beschwören, als bei der IDT? Wenn mit „Einheit des Fachs“ ein internationaler Fachverbund der akademischen Fachbereiche intendiert ist, die sich der Deutschlehrer/innenbildung verpflichtet fühlen – dann spielt es nur noch eine untergeordnete Rolle, ob man sich als eher DaF- oder DaZ-orientiert versteht. […]

Wir werden die vielfältigen Herausforderungen, die ich in meinem Beitrag nur anreißen konnte, nur bewältigen können, wenn wir gemeinsam agieren, nicht immer nur re-agieren und uns über Grundlagen und Mindeststandards der akademischen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Qualifikation von Nachwuchswissenschaftler/innen verständigen.

(ESV/Claudia Riemer)

IDT 2017, Band 1

Herausgegeben von: Dr. Elisabeth Peyer, Prof. Thomas Studer, Prof. Dr. Ingo Thonhauser

Unter dem Motto ‚Brücken gestalten – mit Deutsch verbinden: Menschen – Lebenswelten – Kulturen‘ fand 2017 in Freiburg (CH) die XVI. Internationale Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer (IDT) statt.
Die Ziele der IDT sind:
- über den aktuellen Stand von Forschung und Entwicklung im Fach Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) informieren;
- die Zusammenarbeit der DaF- und DaZ-Akteure weltweit und innerhalb der deutschsprachigen Länder fördern;
- bildungspolitische Akzente setzen.
Die drei Tagungsbände widerspiegeln diese Ziele in vielfältiger Weise und konturieren sie zukunftsgerichtet.

Dieser Band versammelt eine Auswahl der Hauptvorträge der IDT 2017. Die Beiträge zeichnen Entwicklungslinien des Faches nach, diskutieren aktuelle Arbeitsfelder und zeigen durch Einbezug von Bezugswissenschaften wie der Linguistik, der Spracherwerbsforschung und der Mehrsprachigkeitsdidaktik die Interdisziplinarität des Feldes auf. Darüber hinaus widmen sich die Beiträge konkreten Lehr- und Lerngegenständen, der Diskussion um Schwerpunkte in der Ausbildung von Lehrpersonen sowie der kulturellen Dimensionen des Sprachunterrichts.
Die Beiträge richten sich an Forschende und in der Praxis tätige Personen und können diesen neue Impulse und Anregungen für ihre Tätigkeiten geben.


(ESV/sp)

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik