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Die Begriffe ‚Rotlicht-Distrikt‘ und ‚Rotlichtviertel‘ tauchen im Deutschen erst im Laufe der frühen 1920er Jahre auf. (Foto: lyon business photo – stock.adobe.com)
Neues aus dem „Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte“

„Die Entstehung des Prostitutionsphänomens wird zeitgleich mit jener der Ehe vermutet“

ESV-Redaktion Philologie
24.06.2020
Als das ‚älteste Gewerbe‘ wird sie mitunter bezeichnet und dementsprechend auch schon früh von rechtlichen Regelungen erfasst: die Prostitution. Bis heute ist sie mancherorts untersagt, zudem ist selbst unter Aktivist/innen oft umstritten, welcher rechtliche Rahmen allen Beteiligten den nötigen Schutz gewährleisten kann.
Einen Überblick über die lange Geschichte der Prostitution mit einem regen Wechsel aus Verbot, Duldung und (nicht zuletzt steuerlicher) Reglementierung gibt der entsprechende Artikel des „Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte“. Lesen Sie hier den Artikel „Prostitution“ unserer Autorin Julia Kessler:

Prostitution

Der Begriff der Prostitution leitet sich vom lat. prostituere ab, was mit ‘zur Schau stellen’ oder ‘feilstehen’ übersetzt wird. In der dt. Sprache ist die Verwendung des gleichbedeutenden Verbs seit dem 15./16. Jh. belegt, wird jedoch erst seit dem 18. Jh. nach dem aus der franz. Sprache entlehnten Verb se prostituer in seiner reflexiven Form gebraucht.

Der Begriff beschreibt in der Rechtsterminologie die Vornahme von Handlungen im unmittelbaren Kontakt zum Zwecke des Erhalts einer (materiellen oder immateriellen) Entlohnung, die mindestens eine andere Person sexuell erregen oder befriedigen sollen. Üblicherweise widmeten sich die historischen Gesetzgeber dabei der weiblich-heterosexuellen Prostitution, wenngleich parallel durchweg, obschon in deutlich geringerem Umfang, auch die Existenz männlich-homosexueller Prostitution belegt ist.

Kommerzielle Prostitution

Die Entstehung des Prostitutionsphänomens wird zeitgleich mit jener der Ehe vermutet und trat zu Beginn in einer religiösen, gastlichen und gewerblichen Form in Erscheinung. Erste rechtl. Reglements der kommerziellen Prostitution finden sich im babylonischen Codex Hammurabi, entstanden um 1700 v. Chr., der eine spezifische Kleiderordnung für Prostituierte vorsah. Die sich durchsetzende kommerzielle Prostitution wurde erstmals unter dem altgriechischen Gesetzgeber Solon institutionalisiert, der 594 v. Chr. lizensierte Staatsbordelle errichten ließ und eine prostitutionsspezifische Steuerpflicht einführte. Auch im antiken Rom hatten Prostituierte gegen Erhalt eines staatlichen Berufspatents eine Steuer abzuführen.

Neues aus dem „Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte“ 23.06.2020
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Eingeschränkte Rechtsstellung trotz Steuerpflicht

Dennoch wurde Prostituierten gesellschaftliche Geringschätzung entgegengebracht, die sich in einer eingeschränkten Rechtsstellung äußerte. Dies gipfelte unter den Einflüssen der frühchristlich-konservativen Sexualethik ab etwa 150 n. Chr. in einer zunehmenden strafrechtlichen Sanktionierung der Prostitutionsausübung unter Kaiser Theodosius I. und Valentinian II. Obgleich Überlieferungen des germanischen Stammesrechtes nahelegen, dass dort Prostitution ein zunächst unbekanntes Phänomen war, hielt dieses doch als Export der römischen Eroberungszüge Einzug in das gesellschaftliche Leben. Diesem ‚Sittenverfall‘ wurde alsbald mit strafrechtl. Sanktionen entgegengetreten, wie die Lex Ripuaria (7. Jh. n. Chr.), die Lex Visigothorum (ca. 900 n. Chr., Leges Visigothorum) sowie salische und gotische Rechtsquellen beweisen.

Prostitutionsverbot

Auch der erste westeuropäische Kaiser nach Ende des römisch-byzantinischen Reichs, Karl der Große, statuierte in dieser Tradition in einem seiner Kapitularien 805 n. Chr. ein Prostitutionsverbot. Die geänderte Haltung der katholischen Kirche, die in der Prostitution eine unausrottbare Sünde erkannte, die es dem zur Folge zu kanalisieren galt, führte zur Entstehung zahlreicher hoheitlich getragener Frauenhäuser im 13. Jh. Damit einher gingen regionale Regulierungen der Kleiderordnung, Kasernierung, ärztlichen Überwachung und Konzessionsabgaben. Zu einem erneuten Wandel in der herrschenden Haltung in Bezug auf das Prostitutionsgewerbe führten die im 15. Jh. grassierende Syphilis und die reformatorischen Lehren Martin Luthers. Prostitution wurde mithin zum sittenpolizeilich-verbotenen Gegenstand, der in den Reichspolizeiverordnungen 1530, 1548 und 1577 thematisiert wurde, nicht jedoch in der Constitutio Criminalis Bambergensis oder der Constitutio Criminalis Carolina.

Wechsel von staatlicher Duldung und Restriktion

Die Einflüsse der Aufklärung im 18. Jh. führten zu einer erneuten Konzessionierung des Gewerbes, zunächst in regionalen Gesetzen, später auch im preuß. Allgemeinen Landrecht. In den darauffolgenden Jahrzehnten wechselten staatliche Duldung und Restriktion der Prostitution, die 1871 mit der Einführung des Reichsstrafgesetzbuches endete. Das dort erneut forcierte Konzessionierungssystem wurde 1927 mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten durch gesundheitspolizeiliche Überwachung ersetzt. Unter den Nationalsozialisten wurde Prostitution in Konzentrationslagern und für Soldaten funktionalisiert, im Übrigen jedoch bekämpft. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Geschlechtskrankheitengesetz zunächst verschärft, die strafrechtliche Verfolgung der Prostitution jedoch im Rahmen des 4. Strafrechtsänderungsgesetzes 1973 abgeschafft. Ferner wurde den Prostituierten ab 01.01.2002 mit Einführung des Prostitutionsgesetzes zivilrechtlicher Rechtsschutz zuteil, welches zum 01.07.2017 durch das Prostituiertenschutzgesetz ergänzt wurde.
 
M. Büttner, ProstSchG Kurzkommentar, 2017; F. Kluge, Etym. Wb. der dt. Sprache, 252011, 727; Duden. Das HerkunftsWb., 52014, 659. – A. Pappritz-Berlin, Einf. in d. Stud. d. P.sfrage, 1919; M. Hirschfeld, Geschlechtskunde auf Grund dreißigjähriger Fg. u. Erfahrung, 1930; K. Wespe, D. rechtl. Regulierung der P., 1930; M. Bargon, P. u. Zuhälterei, 1982; L. Bassermann, Das älteste Gewerbe, 1992; S.R. Laskowski, Die Ausübung der P., 1997; K. Malkmus, P. in R. u. Ges., 2005.

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Herausgegeben von Prof. Dr. Albrecht Cordes, Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp, Prof. Dr. Bernd Kannowski, Prof. Dr. Heiner Lück , Professor Dr. Heinrich de Wall, Prof. Dr. Dieter Werkmüller und Prof. Dr. Christa Bertelsmeier-Kierst als philologischer Beraterin

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(ESV/vh)

Programmbereich: Rechtsgeschichte