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Die Grammatikvermittlung: eine Herausforderung im DaF-/DaZ-Unterricht? (Foto: Marco2811/stock.adobe.com)
Auszug aus: „Modalpartikeln als Lerngegenstand“ von Dagmar Silberstein

Die Vermittlung von aber, ja, doch, mal, denn, eigentlich und etwa im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht

ESV-Redaktion Philologie
20.03.2024
Überaus kennzeichnend in der gesprochenen deutschen Sprache ist die Verwendung von Modalpartikeln. Den zumeist unwichtig erscheinenden Wörtern aber, ja, doch, mal wird eine durchaus wichtige Wirkung, vor allem in Sprechsituationen, zugesprochen. Im Fremdsprachenunterricht ist die Vermittlung der Modalpartikeln unabdingbar – wenngleich nicht selbsterklärend.
Die Autorin Dagmar Silberstein geht in ihrem Band der Frage nach, inwiefern die Vermittlung von Modalpartikeln im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht verständlich und angemessen erfolgen kann. Modalpartikeln gelten als komplexer Unterrichtsgegenstand und als sogenanntes „Lehrproblem“. Diesem versucht die Autorin auf den Grund zu gehen und mithilfe von Ergebnissen aus linguistischer und didaktischer Forschungsliteratur sowie anhand von Lehrwerkanalysen und Erkenntnissen aus Unterrichtsstunden entsprechende Lösungen für die Vermittlung dieser wichtigen „Feinheiten“ zu finden.

Lesen Sie im Folgenden einen Auszug aus Dagmar Silbersteins Band, welcher im Mai 2024 in der Reihe Studien Deutsch als Fremd- und Zweitsprache im Erich-Schmidt-Verlag erscheinen wird.

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[...] Als typisches Phänomen der deutschen gesprochenen Alltagssprache sind Modalpartikeln (MPn) im Zuge der kommunikativ-pragmatischen Wende und der damit einhergehenden Hinwendung zu Sprachkönnen, mündlicher Kommunikationsfähigkeit und den Besonderheiten der gesprochenen Sprache in den Blick sprachdidaktischer Überlegungen gerückt. Doch obwohl sie seit Ende der 1960er Jahre intensiv erforscht werden, bereitet ihre Vermittlung im Kontext Deutsch als Fremdsprache (DaF) auch heute noch Probleme. Die vorliegende Arbeit setzt sich deshalb zum Ziel, das für die MP-Vermittlung relevante Wissen zusammenzustellen und anwendungsorientiert aufzubereiten, um so zu einer besseren Lehr- und Lernbarkeit von MPn im DaF-Unterricht beizutragen.

Relevanz der Modalpartikeln für DaF-Lernende

Für DaF-Lernende ist es aus verschiedenen Gründen wichtig, MPn zu verstehen und auch selbst verwenden zu können. Zum einen tragen sie entscheidend zu einer idiomatischen und hörerbezogenen Ausdrucksweise bei. Zum anderen ist die Kenntnis von MPn wichtig, damit Lernende die vielfältigen Funktionen und Nuancen, die MPn zum Ausdruck bringen, richtig interpretieren können. Die Funktionen, die MPn erfüllen, lassen sich in einer ersten Annäherung laut Duden-Grammatik wie folgt spezifizieren:

„[MPn] kommen besonders häufig in der gesprochenen Sprache vor und sind dort keineswegs, wie früher angenommen, unnütze Füllwörter. Sie drücken sehr differenziert Einstellungen, Annahmen, Bewertungen und Erwartungen des Sprechers bezüglich des geäußerten Sachverhalts, teilweise auch seine Erwartungen an den Hörer aus.“ (Duden-Grammatik 2009: 590–591)

Die folgenden Beispiele illustrieren diese Funktionen:

(1) Jan zu einer Freundin: Komm doch morgen mit in die Berge!
(2) Laura zu einem Freund: Du kannst aber gut tanzen!

(3) Max zu seinen Gästen: Wollt ihr etwa schon gehen?
(4) Lisa zu ihrer Kollegin: Wann schreibst du denn den Bericht fertig?

In (1) modifiziert die MP doch die mit der Äußerung verbundene Illokution: Ohne doch wäre sie als Aufforderung, mit doch ist sie als Vorschlag bzw. als Er­munterung zu verstehen. In (2) enthält die MP Informationen zu den Annah­men der Sprecherin: Aber verweist hier auf einen Kontrast zwischen Lauras Annahmen und der Realität. Sie hätte nicht erwartet, dass ihr Freund so gut tanzen kann. In (3) bringt die MP die Antwortpräferenz von Max zum Aus­druck: Durch den Einsatz von etwa signalisiert er, dass er eigentlich erwartet hat, dass seine Gäste noch nicht gehen und die Antwort ‚Nein, wir bleiben noch.‘ bevorzugen würde. In (4) schließlich signalisiert die MP denn, dass die Frage auf Vorhergehendes zurückverweist und somit nicht der Willkür der Sprecherin entspringt, sondern durch die Situation motiviert ist.

Wie die Beispiele zeigen, beeinflussen die MPn neben den Implikationen, die mit den Äußerungen einhergehen, auch die „Sozialverträglichkeit“ (Zifonun/ Hoffmann/Strecker 1997: 905) der Äußerungen, da sie sich darauf auswirken, wie die Äußerungen vom Hörer aufgenommen werden (vgl. Stein 2009: 72). Verstöße gegen sozialverträgliche Formulierungen können die Beziehung zwi­schen den Gesprächspartnern jedoch nachhaltig stören. Schon Steinmüller (1981: 143) betont, dass Defizite in der Partikelverwendung die Gefahr bergen, dass die Lernenden als schroff und unhöflich wahrgenommen werden, was zu einer intuitiven Ablehnung ihrer Person führen kann. Die Vermittlung von MPn ist somit nicht nur für eine idiomatische Ausdrucksweise und für das Verstehen kommunikativer Nuancen wichtig, sondern auch, um Kommunikationsstörun­gen und negative Auswirkungen auf die Akzeptanz der Lernenden durch Mut­tersprachler zu vermeiden. [...]
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Zur Autorin:
Dagmar Silberstein studierte Germanistische Linguistik, Deutsch als Fremdsprache und Anglistik/Amerikanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie verfügt über umfassende Lehrerfahrungen an verschiedenen Bildungseinrichtungen. Nach mehreren Jahren als DaF-Dozentin in Mexiko war sie in der AG Fremdsprachenforschung der Philipps-Universität Marburg tätig. Sie promovierte an der Universität Kassel und arbeitet aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Deutsch als Zweitsprache an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Modalpartikeln als Lerngegenstand
Partikelprofile für die Vermittlung von aber, ja, doch, mal, denn, eigentlich und etwa im DaF-Unterricht


Von Dagmar Silberstein

Wie können Modalpartikeln im DaF-Kontext angemessen und verständlich vermittelt werden? Modalpartikeln (z. B. ja, doch, mal) sind in der deutschen Sprache allgegenwärtig und für eine reibungslose Kommunikation unverzichtbar. Ihre Vermittlung und ihr Erwerb gelten jedoch trotz umfangreicher Forschung bis heute als schwierig.
Um eine bessere Lehr- und Lernbarkeit von Modalpartikeln zu erreichen, führt der Band aktuelle Forschungsergebnisse aus Linguistik, L2-Erwerbsforschung und Didaktik zusammen und gleicht sie mit Ergebnissen aus Korpusuntersuchungen und Erwerbsstudien ab, um auf diese Weise das für die Vermittlung relevante Wissen herauszufiltern.
Als Ergebnis liegen Partikelprofile mit nachvollziehbaren Beschreibungen der Bedeutung, mit vermittlungsrelevanten Mustern und Chunks und erwerbsförderlichen Progressionsfolgen vor. Sie stellen Hintergrundwissen für die Materialerstellung und für die Unterrichtsgestaltung bereit, auf das beim Formulieren der Angaben, beim Gestalten der Progression, bei der Auswahl der Beispiele und nicht zuletzt auch beim Beantworten entsprechender Fragen der Lernenden zurückgegriffen werden kann.

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache