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Dr. Auer-Reinsdorff: KI kann erst dann ein Zukunftsmodell werden, wenn die E-Akte überall flächendeckend eingeführt wurde (Foto: privat)
Nachgefragt bei RA'in Dr. Astrid Auer-Reinsdorff: Aktuelle Themen aus Sicht der Anwaltschaft

Dr. Auer-Reinsdorff: „Die Anwaltschaft muss sich modernisieren und den Servicegedanken stärker in den Vordergrund stellen.“

ESV-Redaktion Recht
29.01.2024
Das Berliner Anwaltsblatt erscheint seit Anfang 2017 beim Erich Schmidt Verlag in Berlin. Ein Anlass für die ESV-Redaktion, sich im Rahmen der Podcastreihe: „ESV im Dialog: Sie hören Recht“ mit der Redaktionsleiterin des Berliner Anwaltsblatts, Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, über die Konzeption und die Inhalte der Zeitschrift zu unterhalten. Weitere zentrale Themen sind die Digitalisierung und die KI, das beA, Fragen zum Home-Office oder die Konkurrenzsituation bei der Anwaltschaft.
Frau Dr. Auer-Reinsdorff, wir freuen uns, dass Ihre Zeitschrift schon seit fast sieben Jahren im Erich Schmidt Verlag erscheint. Welchen Anspruch und welche Ziele verfolgen Sie für Ihre Leser, die ja großenteils Mitglieder des Berliner Anwaltsvereins sind?

Dr. Auer-Reinsdorff: Wir möchten den Kolleginnen und Kollegen ein möglichst breites Themenspektrum bieten, das Ihnen Einblick in Themen, wichtige Entwicklungen und Neuerungen in allen Rechtsgebieten gibt. Das Berliner Anwaltsblatt soll keine Spezialzeitschrift für Experten in bestimmten Fachgebieten sein, sondern den interessierten Lesern einen kurzen, leicht zu lesenden Hinweis auf Besonderheiten, Änderungen und Wissenswertes im Hinblick auf Rechtsprechung, Gesetzgebung und für den elektronischen Rechtsverkehr sowie alle Fragen rund um die Kanzlei geben. Daneben erfahren die Leser vieles über die Aktivitäten des Berliner Anwaltsvereins und die zahlreichen Veranstaltungen der Arbeitskreise. Auch das soziale und gesellschaftliche Miteinander der Kollegenschaft soll nicht zu kurz kommen.
Hören Sie rein in den Interview-Podcast: ESV im Dialog - Sie hören Recht - Folge 12  mit Rechtsanwältin Dr. Auer-Reinsdorff



Für die Anwaltschaft ist die örtliche Gerichtsbarkeit sehr wichtig. Wie bedienen Sie die entsprechenden Erwartungen?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Das Berliner Anwaltsblatt versteht sich nicht als Urteilsdatenbank. Entscheidungen werden im Rahmen von Beiträgen angesprochen, aber eher selten als Volltext oder in Auszügen abgedruckt. Wir pflegen den Dialog mit der Richterschaft durch verschiedene Veranstaltungen, über die wir berichten und an denen Mitglieder und Nicht-Mitglieder zu moderaten Teilnahmebeiträgen teilnehmen können. Seit einigen Jahren dürfen wir zusätzliche Erläuterungen zu den Unterhaltsrichtlinien des KG abdrucken. Wir stehen aber auch mit der Justiz im Austausch zu den Entwicklungen bei der Digitalisierung oder sonstigen Veränderungen in der Organisation und in Verfahrensabläufen.  

Der Berliner Anwaltsverein hat verschiedene Arbeitskreise. Wie spiegeln sich diese thematisch in Ihrer Zeitschrift wider?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Die Arbeitskreise berichten regelmäßig über Ihre Veranstaltungen und die gewonnenen Erkenntnisse. Ferner legt die Redaktion für das Jahr im Voraus Themenschwerpunkte fest und ist bemüht, alle Arbeitskreise bei der Themen- und AutorInnen-Findung zu involvieren.
 
Vor allem die Fachanwaltschaft muss sich regelmäßig fortbilden. Wie werden Sie dem gerecht und  welche Beiträge oder Veranstaltungen bieten Sie Ihren Mitgliedern an?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Das Berliner Anwaltsblatt versteht sich nicht als Fachmagazin für die Fortbildung der Fachanwälte im Selbststudium. Die Arbeitskreise bieten aber für die Fachanwaltschaften für Mitglieder kostenfreie Fortbildungsstunden am Abend – vor Ort oder seit der Corona-Pandemie auch Online. Daneben bietet der Berliner Anwaltsverein kostenpflichtige Halb- oder Ganztagesfortbildungen an.

Wie arbeiten Sie mit den Kammern zusammen?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Eine Zusammenarbeit mit der Berliner Rechtsanwaltskammer über das Berliner Anwaltsblatt ist von der Rechtsanwaltskammer bei Einführung des Kammertons beendet worden. Selbstverständlich berichten wir aber auch über die wichtigen aktuellen Themen der Rechtsanwaltskammer.

Das Spektrum der Fachanwaltschaft hat sich in den letzten Jahren immer wieder erweitert. Sehen Sie dort noch Lücken oder halten Sie das Ende der Fahnenstange für erreicht?

 
Dr. Auer-Reinsdorff: Angesichts der schrumpfenden Anwaltschaft und der wohl auch sinkenden Zahlen bei den Fachanwaltsanträgen ist vermutlich das Schaffen neuer Fachanwaltschaften jetzt nicht von hoher Priorität. Es gilt andere Themen rund um das Berufsbild, den Ruf und die Stellung der Anwaltschaft aufzugreifen. Natürlich bin ich froh, dass wir damals die Fachanwaltschaft IT-Recht geschaffen haben und möglicherweise gibt es aktuell Kollegen, die sich diese Möglichkeit, die Spezialisierung nach außen sichtbar machen zu können, wünschen. Das Thema Sichtbarkeit hat aber heute auch eine ganz andere Bedeutung gewonnen und möglicherweise ist es nicht mehr die durch einen Fachanwaltstitel „bewiesene“ Qualifikation, sondern die Art und Weise, wie die Kolleginnen und Kollegen die Themen ihrer Expertise darstellen, bewerben und Personal Branding betreiben.

Zur Person
Frau Dr. Astrid Auer-Reinsdorff ist Fachanwältin für IT-Recht und Redaktionsleiterin des Berliner Anwaltsblatts. Gleichzeitig ist sie Schatzmeisterin des Berliner Anwaltsvereins.

  
Gerade Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger, die sich als selbstständige Anwälte niederlassen wollen, haben einen besonderen Informationsbedarf. Sehen Sie für diese Zielgruppe besondere Beiträge, Themenhefte oder entsprechende Veranstaltungen vor?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Wir arbeiten hier besonders mit dem Forum Junge Anwaltschaft zusammen bei Veranstaltungen, bei Themenbeiträgen und bringen Beiträge zur Kanzleiorganisation, Rentenfragen, Berufsrecht sowie Soft Skills. Die Pflichtfortbildung nach § 43f BRAO können Kolleginnen und Kollegen bis ein Jahr nach Erstzulassung bei uns auch in 2024 wieder kostenlos mit hervorragenden Referenten absolvieren.
 
Können auch Nichtmitglieder Ihre Zeitschrift beziehen?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Das Berliner Anwaltsblatt ist im Jahresabonnement oder als Einzelheft oder Einzelbeitrag beim ESV zu beziehen. Wir freuen uns sehr, wenn auch Nicht-Mitglieder das BAB abonnieren. Neben dem Deutschen Anwaltsblatt, das ab 2024 nur noch in vier Printausgaben erscheinen wird, ist das Berliner Anwaltsblatt in dieser Ausprägung in der Landschaft der örtlichen Anwaltsvereine einmalig. Die Beiträge des BAB werden auch bei juris ausgewertet, sind zitierfähig und wir machen jeweils einzelne Heftbeiträge als Volltext über den LinkedIn Account des Berliner Anwaltsblatts einer größeren Leserschaft zugänglich. Archivjahrgänge können von jedermann digital gelesen werden.
 
Die Digitalisierung beeinflusst in weiten Teilen auch die Arbeit der Anwaltschaft. Wie hat zum Beispiel der Einzug von Legal Tech die Arbeit der Anwaltschaft in den letzten Jahren verändert?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Die Anwaltschaft ist nicht homogen. Es gibt ganz unterschiedliche Arbeitsweisen. So gibt es sicherlich Kolleginnen und Kollegen, die sagen, ich bin relativ kurz vor der Rente. Ich mache nicht mehr bei allem mit.
 
Einige Legal-Tech-Anwendungen bieten Lösungen an, die der Anwaltschaft auch Mandate zuführen, wo der Rechtsrat suchende im Internet Samstagabend auf dem Sofa so denkt, oh man, ich bin gekündigt worden, kriege ich da eine Abfindung? Dann googelt man  mal ein Legal-Tech-Angebot und kann ein paar Eckpfeiler eingeben.
 
Es gibt auch Kanzleien, die beratend Verträge entwerfen. Die haben natürlich auch ihre Tools, mit denen Verträge automatisch erstellt werden, etwa mithilfe von Textbausteinen. Und immer mehr davon werden auch in der unternehmerischen Beratung eingesetzt. Analyse Tools, setzen natürlich auch Rechtsabteilungen ein, was dazu führt, das Anwaltskanzleien mit solchen Standardaufgaben nicht mehr so oft beauftragt werden.

Ansonsten gibt es in Anwaltskanzleien noch nicht so viele echte Legal-Tech-Anwendungen. Was zum Einsatz kommt, sind oft Anwendungen, die auch Mandanten einsetzen, wie etwa Kollaborationstools, die die Zusammenarbeit vereinfachen. Dabei haben wir als Anwaltskanzleien immer das Problem, wo die Daten liegen. Stark abgenommen hat seit der Corona-Zeit die Zahl der präsenten Anwesenheiten, zum Beispiel bei Vertragsverhandlungen.
 
Ein weiterer Hype im Bereich Digitalisierung ist die Künstliche Intelligenz (KI). Eine konkrete Frage an Sie: Haben Sie schon mal ein KI-Tool wie ChatGPT eingesetzt?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Also ich setze ChatGPT nicht ein, ich arbeite aber sehr viel mit fremdsprachigen Mandaten, muss also übersetzen. Ja, da gibt es natürlich wunderbare Tools und es gibt auch Tools, die Ihren Text schöner schreiben. Das sind auch KI-Tools, sowas benutze ich durchaus, aber natürlich immer in einer Version, bei der die Daten nicht extern verarbeitet werden und zum Trainieren der KI benutzt werden.

Das wäre ja etwas schwierig, wenn Sie da womöglich noch Mandatsdaten drin haben und das eben in eine Cloud-Lösung hochladen. Aber das ist für mich ein sehr, sehr relevanter Anwendungsbereich. ChatGPT, klar, es gibt auch die ersten Anwendungen, die dort Möglichkeiten schaffen. Aber ein allgemeines Tool werden wir als Anwälte so nicht benutzen können. Wir müssen das für uns immer so anpassen, dass wir das auf unseren eigenen Systemen verarbeiten oder in einer sicheren Umgebung, die wir kontrollieren können und nicht auf einem amerikanischen Server.

Das Ganze scheitert meines Erachtens momentan auch noch an einem sinnvollen Einsatz in der Arbeit. Die KI braucht ja erst mal Daten-Content zum Lernen.
 
Es gibt natürlich Recherchetools hinter der Paywall. Nicht mal alle deutschen Urteile sind frei verfügbar, weil einige momentan noch hinter der Bezahlschranke liegen. Es gibt also eigentlich nichts, was man massenhaft was "einfüttern" kann. Wenn, dann muss es eben wirklich eine Anwendung oder ein Verlag sein, der Tools anbietet und sagt: Ich habe den Content. Dann könnte man auch mit ChatGPT vernünftige Fragen stellen und vernünftige Antworten erhalten.

Momentan erhalten Kollegen, die sowas ausprobieren, manchmal auch irgendwie erfundene Gesetze oder Ähnliches. Vieles davon kommt aus den USA und da fehlt dann halt das deutsche Wissen. Also ich glaube, daran krankt es noch – auch für die Justiz – um KI einzusetzen.
 
Zudem gibt es unzählige unveröffentlichte Entscheidungen, die noch nicht mal die Justiz auswerten kann. Da weiß zum Teil der eine Richterkollege nicht, was sein anderer Kollege zwei Türen weiter entschieden hat, wenn sie sich nicht darüber unterhalten. KI kann überhaupt erst dann ein Zukunftsmodell werden, wenn die E-Akte überall flächendeckend eingeführt wurde.
 
Andere KI-Tools, etwa zum Erstellen von Powerpoint-Folien, setzen Kollegen schon ein. Ich glaube, das ist auch eine schöne Sache, dass das Arbeiten so erleichtert wird. Aber das hat ja jetzt nicht unbedingt direkt etwas mit der Mandatsarbeit zu tun.
 
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Wie haben Entwicklungen im Bereich mobiles Arbeiten/ Home-Office den Arbeitsalltag verändert?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: In Zeiten der zurückgehenden Zahlen der Auszubildenden für die klassischen Assistenzaufgaben in Kanzleien, bietet dies die Möglichkeit, auch Mitarbeitende in die Kanzlei einzubinden, die in anderen Orten leben. Für mich persönlich hat sich nicht allzu viel verändert im Laufe der Corona-Pandemie, da ich bereits zuvor insbesondere wegen der mit dem Vorstandsamt beim DAV und verschiedenen Gremien und einem bundesweiten Mandat eines Familienunternehmens sehr viel reiste und durch Remote-Zugriff sicher und wie gewohnt in der Kanzlei von unterwegs arbeitete. Ich bin jetzt eher mehr in meinem House Office als früher, da viele Kurzreisen und Präsenztermine für Verhandlungen per Video erfolgen können.
 
Ist die Konkurrenz auf der Bewerberseite aufgrund des allseits beschriebenen Fachkräftemangels in Berlin geringer geworden?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Wenn Sie den Bereich der Assistenz meinen, denke ich, dass es eigentlich gar keine freien BewerberInnen mehr gibt. Aus Kanzleien höre ich, dass sie zuweilen Mitarbeitende aus anderen Kanzleien mit attraktiven Arbeitszeiten und flexiblen Anwesenheitszeiten abwerben. Auch Referendare, Bachelor und Master-Studierende bevorzugen vielfach die Arbeit in Unternehmen und die Zahl der BewerberInnen als AnwältInnnen in Kanzleien nimmt stetig ab.
 
Ihr Ausblick: Welche weiteren Themen stehen für Sie noch auf der Agenda der notwendigen Veränderungen für die Anwaltschaft?
 
Dr. Auer-Reinsdorff: Arbeitsprozesse müssen modernisiert und verschlankt werden. Dies ist natürlich kein Prozess, den die Kanzleien alleine umsetzen können, jedenfalls nicht, wenn die Tätigkeit auf die Zusammenarbeit mit Behörden und Gerichten ausgerichtet ist. Beratungskanzleien sind da natürlich flexibler und können digitale Tools und unterstützende KI schon zeitnah einsetzen.

Die Arbeit erscheint insgesamt als sehr reglementiert und das Pareto-Prinzip funktioniert nicht. Gerichtsprozesse sind selten seitens der Gerichte strukturiert.

Die Details der beA-Zustellung sind viel zu komplex. Auch die bürokratischen Lasten nehmen in Anwaltskanzleien stetig zu, ohne dass man den Eindruck hat, die Verwaltung wäre entsprechend ausgestattet und vorbereitet, wenn zum Beispiel viele AnwältInnen zum Jahreswechsel sich auf dem Zoll-Portal registrieren müssen. 


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Herausgeber: Berliner Anwaltsverein e. V. – Chefredakteurin:Dr. Astrid Auer-Reinsdorff

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